Schwein gehabt?

Alarmierender Test: Multiresistente Keime auf 25 Prozent der Schweinefleisch-Proben

von
Bedenklich - Schwein gehabt?

Schnitzel, Karree und Schweinsbraten sind des Österreichers Grundnahrungsmittel. In der Grillsaison wurden kiloweise Koteletts und Würstel übers Feuer gelegt. Satte 40 Kilo Schweinefleisch vermeldet die Agrarmarkt Austria als Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr. Das sind 60 Prozent des insgesamt konsumierten Fleischs in Österreich. Doch dieser Appetit kann einem rasch vergehen. Greenpeace hat in den vergangenen Wochen Schweinefleisch aus Supermärkten auf multiresistente Keime testen lassen. Das Ergebnis: 27 Prozent der elf Proben - es handelte sich um in Plastik verpacktes Frischfleisch aus konventioneller Landwirtschaft - waren mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Ältere Studien der Agentur für Ernährungssicherheit zeigen, dass auch auf Rind, Huhn und Pute immer wieder antibiotikaresistente Keime zu finden sind. Eine Ursache dafür: der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast.

Resistente Bakterien, die im Körper "schlummern"

Achtet man beim Kochen nicht auf Sauberkeit und wird das Fleisch nicht durchgebraten oder roh verzehrt, nimmt man diese Keime unter Umständen zu sich. Ein gesunder Mensch wird davon nicht erkranken. Experten warnen allerdings vor antibiotikaresistenten Bakterien, die im Körper "schlummern" und bei Krankheiten und Operationen später durchaus zu schweren Infektionen führen können, die nicht mehr oder nur sehr schwer mit Antibiotika behandelbar sind. Hanna Simons, Greenpeace- Direktorin für Umweltpolitik, warnt daher: "Fleisch bedenkenlos zu genießen ist, wie auch unser Schweinefleischtest zeigt, nicht mehr möglich. Auf jedem Stück Steak oder in jedem Faschierten könnten bereits antibiotikaresistente Keime lauern. Der massive Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung muss schleunigst reduziert werden, denn sonst wird diese Wunderwaffe bei uns bald gänzlich versagen. Ein Szenario, das bei vielen schon heute Realität ist -rund 25.000 Menschen in der Europäischen Union sterben jährlich an durch multiresistente Bakterien verursachten Infektionen."

Infografik "Schwein gehabt"
© News Infografik/Merridee Stein Nach einer Reduktion 2010/11 blieb die Menge der Antibiotika in der Nutztierhaltung fast gleich. Nun will man wissen, wer wie viel verbraucht.

Diese Infektionen sind allerdings nicht allein auf multiresistente Keime auf Fleisch zurückzuführen. Auch falsch oder zu häufig eingesetzte Antibiotika in der Humanmedizin generieren resistente Keime. Besonders gefährlich wird es, wenn sich geschwächte Patienten in Krankenhäusern mit solchen infizieren.

Die Politik ist alarmiert

Im Frühsommer dieses Jahres veröffentlichte das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Berliner Charité eine Studie, wonach sich die Zahl der Todesopfer durch multiresistente Keime von weltweit 700.000 pro Jahr auf zehn Millionen im Jahr 2050 steigern könnte, wenn die Politik nicht handelt. Das wären mehr Tote als durch Krebs und Diabetes. Deswegen stand das Thema Antibiotikaresistenz beim letzten G7-Gipfel auf der Tagesordnung. Und deswegen spricht das Weltwirtschaftsforum Davos von einer der größten Gefahren für die Weltwirtschaft.

Jetzt gibt es eine Chance, gegenzusteuern. Denn das Europäische Parlament verhandelt derzeit das Tierarzneimittel- Verordnungspaket. Teil dieses Pakets sind Maßnahmen zur Reduktion von Antibiotika in der Landwirtschaft. Greenpeace hat eine Onlinepetition gestartet, die strenge Regeln fordert, nämlich: dass Antibiotika nur mehr gezielt zur Behandlung kranker Tiere und nicht mehr prophylaktisch für die ganze Herde eingesetzt werden dürfen; dass sogenannte Reserveantibiotika - das sind hochwirksame Mittel, die nur in Notfällen angewendet werden dürfen -für die Menschen reserviert sind und in der Nutztierhaltung verboten werden; und dass Tierarzneimittel nicht mehr über das Internet vertrieben werden dürfen.

Doch wie so oft auf europäischer Ebene sind die Gesetzgebungen der einzelnen Mitgliedsländer auch in diesem Bereich unterschiedlich streng. Und die Frage ist, wer sich beim Kompromiss durchsetzen wird.

»Wir pochen auf unsere strengen nationalen Gesetze.«

Ulrich Herzog ist im österreichischen Gesundheitsministerium für das Problem Antibiotika in der Nutztierhaltung zuständig. Er erklärt, was Österreich bei diesen EU-Verhandlungen durchsetzen möchte: das Verbot eines prophylaktischen Einsatzes von Antibiotika, bevor das Tier krank ist. Dieser erfolgt derzeit etwa, wenn man Tiere unterschiedlicher Herkunft kauft, die alle ihre verschiedenen Bakterien "mitbringen" und sich gegenseitig anstecken könnten. Zudem fordert Österreich, dass Tierarzneimittel nicht im Internet verkauft werden dürfen, sondern der kontrollierbareren Abgabe durch den Tierarzt unterliegen. "Da pochen wir auf unsere strengeren nationalen Gesetze."

Infografik "Schwein gehabt"
© News Infografik/Merridee Stein Die Ages untersuchte E.-coli-Bakterien und fand vor allem bei Hühnern und Schweinen welche, die gegen ein oder mehrere Antibiotika resistent sind.

Antibiotika werden in der Tiermedizin aber weiter eingesetzt werden, sagt Herzog. "Wenn ein Tier krank ist, muss man es behandeln. Das ist auch eine Frage des Tierschutzes." Auch hält der Experte nichts davon, Antibiotika, die derzeit schon eingesetzt werden, für Tiere zu verbieten. "Aber man muss schauen, dass einzelne Substanzen gezielt nicht für die Veterinärmedizin zugelassen werden."

Keine internationale Abstimmung

Das Problem dabei ist allerdings, dass derzeit noch nichts im internationalen Gleichklang passiert. So sind Carbapeneme in der EU eine dem Menschen vorbehaltene Antibiotikareserve, in den USA sind diese aber in der Tiermast zugelassen. In Griechenland und der Türkei findet man gegen dieses Mittel resistente Keime bereits in der Umwelt. Durch den globalen Warenverkehr und ganz normale Urlaubsreisen könnten solche Keime also auch in Österreich auftauchen. Bisher wurden sie in Österreich aber weder im Tierbestand noch in der Umwelt nachgewiesen. Gefunden hat man bei Studien allerdings Keime, die gegen andere Antibiotikasubstanzen resistent sind, die in Österreich im Tierbereich, etwa in der Geflügelwirtschaft, gar nicht zum Einsatz kommen. Und man fand resistente Keime bei Biofleisch (Schwein, Rind, Huhn), obwohl dort kaum Antibiotika eingesetzt werden dürfen. Auch dabei könnte die globalisierte Landwirtschaft eine Ursache sein. Denn die Biobruteier kommen beispielsweise aus Frankreich.

Das Gesundheitsministerium arbeitet daran, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Im Jahr 2014 wurden 52,2 Tonnen dieser Wirkstoffe in der Tiermedizin eingesetzt. Um gezielt gegenzusteuern, will man allerdings nicht mehr nur diese Mengen erfassen, sondern auch wissen, an welche Tierärzte sie von den Erzeugern abgegeben und in welchen landwirtschaftlichen Betrieben sie warum eingesetzt wurden. "Wenn man dann sieht, dass ein Tierarzt besonders viel verschreibt oder ein Bauer seine Herden überdurchschnittlich oft behandeln muss, dann kann man mit diesen gezielt arbeiten", hofft Herzog. Dass das System funktioniert, hat sich in der Geflügelindustrie erwiesen. Diese stand im Ruf extensiven Antibiotikaeinsatzes und konnte diesen durch genaue Erfassung deutlich reduzieren. Dass die Antibiotikamenge in der Landwirtschaft insgesamt aber über die Jahre annähernd gleich bleibt, bedeutet: "Es wird offenbar in einem anderen Bereich mehr eingesetzt." Und das dürfte bei der Schweinemast der Fall sein.

»Das Problem wird von vielen Landwirten noch unterschätzt.«

Wie kann man von vornherein verhindern, dass Nutztiere Antibiotika bekommen? Kurt Frühwirth, Präsident der Tierärztekammer, fordert ein Umdenken der Bauern. "Man muss das System der Tierhaltung insgesamt ändern. Wenn Tiere unterschiedlicher Herkunft in einem Stall auf enger Fläche zusammenkommen, gehen die Infektionen los, bis sie geschlachtet werden." Die Zukunft liegt also in Freilandhaltung, Hygiene im Stall sowie der Förderung von Biolabels und regionalen Produkten. Da das für die Bauern Umstellung und Investitionen bedeutet, seien Konflikte erwartbar, sagt Frühwirth. Aber: "Das Problem wird von vielen Landwirten noch unterschätzt, denn sie wissen nicht, dass es auch um ihre Gesundheit und die Umwelt geht."

Noch gibt es einen Unterschied zwischen jenen multiresistenten Keimen, die man bei Tieren findet, und jenen, an denen Menschen erkranken: "Man hat genetisch nachgewiesen, dass Menschen und Tiere zwei unterschiedliche Bakteriencluster aufweisen. Aber natürlich können diese irgendwann übertragen werden", sagt Herzog.

Infografik "Schwein gehabt"
© News Infografik/Merridee Stein Bei jedem Einsatz von Antibiotika in der Human-oder Veterinärmedizin bilden sich multiresistente Keime. Daher ist Vorsicht nötig.

Mit Menschen, die im Spital an einer Infektion mit multiresistenten Keimen erkranken, beschäftigt sich Elisabeth Presterl, die Leiterin des Klinischen Instituts für Krankenhaushygiene an der Meduni Wien. "Wir leben in einer Welt, in der Bakterien dazugehören. Jeder Mensch hat eineinhalb Kilo Bakterien und Keime mit an Bord, etwa im Darm oder auf der Haut. Der absolute Großteil von ihnen macht nicht krank. Mutationen, bei denen Keime Strategien gegen Antibiotika entwickeln, sind nicht häufig. Aber eine bestimmte Bakteriengruppe kann das besonders gut. Deswegen darf man Antibiotika nur einsetzen, wenn man sie wirklich braucht." Je mehr davon eingesetzt werden, desto mehr Resistenzen entwickeln sich. "Antibiotika sind eine Kostbarkeit. Dass sie so achtlos eingesetzt werden, ist schade." Ihr Wunsch: "Ich bin da restriktiv. Man sollte Antibiotika weitgehend auf den Menschen beschränken."

Presterl beruhigt die Fleischesser, wenn auch nicht vorbehaltlos: "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich über Lebensmittel ein resistenter Keim im Menschen festsetzt, ist noch sehr gering, aber gegeben. Man muss sich nicht fürchten, wenn man ein Carpaccio isst, aber man sollte bedenken: Rohes Fleisch ist gefährlich, wenn es längere Zeit bei hohen Temperaturen herumgestanden ist. Da können sich Keime vermehren. Deswegen sollte Hygiene in der Küche ganz selbstverständlich sein." Noch kann man sich so schützen. Aber wie lange noch?

Die Top 10 der grünen Antibiotika finden Sie auf www.news.at/antibiotika

Kommentare

Jeder kann durch sein Konsumverhalten selbst entscheiden, ob er das will oder nicht. Die große Masse will täglich Fleisch essen und das so billig wie möglich. Dann brauchen sie sich nicht wundern, wenn die Qualität mies ist und man sogar davon krank wird.

christian95 melden

Mit Antibiotika wird man rascher "fett", und nicht wegen einer Krankheit.
Das ist ja bei den Menschen nicht anders. Wer viele solcher Medikamente schluckt nimmt an Gewicht zu.

Oberon
Oberon melden

Gibt es echt noch Kunden, die sich um fettes Fleisch reißen? Also, ich habe es bereits als Kind gehasst, wie die Pest, und daran wird sich nie was ändern. Soviel ich weiß, werden Schweine u.a. mit Getreide gemästet, um schnell fett zu werden.
Bzgl. Antibiotika. Musste ich auch schon einnehmen, aber auf begrenzte Zeit, die genau eingehalten werden musste. Zugenommen habe ich nichts.

Oberon

Das weiß ich jetzt schon ewig lange, dass alle Nutztiere mit Antibiotika "behandelt" werden, wenn nur ein Tier davon krank ist. Was hat sich inzwischen getan? Genau NICHTS! Da frag' ich mich doch sofort und gleich, WEN man mit dem langen Wegschauen einen Gefallen tut?!

Österreich hat mit 2/3 JA zu dieser EU und den riesigen Tierfabriken gesagt.

Seite 1 von 1