Schredder-Affäre:
Steckt doch mehr dahinter?

Nicht eine sondern fünf Festplatten vernichtet - falscher Mitarbeiter war "nervös". Reisswolf-Chef: "Sowas ist noch nie passiert"

Die Schredder-Affäre rund um die vernichteten Akten aus dem Kanzleramt unter Sebastian Kurz weitet sich aus und war vielleicht doch nicht ein so „üblicher Vorgang“, wie der Ex-Kanzler verlautbaren ließ. Denn für den Chef der Firma Reisswolf war der Vorgang im Gegenteil höchst ungewöhnlich.

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Beweise unterschlagen? - Schredder-Affäre:
Steckt doch mehr dahinter?

Es sei eine Festplatte aus dem Kanzleramt bei der Firma Reisswolf vernichtet worden, ein „üblicher Vorgang“, wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz gestern verlautbaren ließ. Dass der Mitarbeiter nicht gezahlt hatte, sei natürlich nicht ok gewesen, so der Altkanzler.

Fünf Festplatten vernichtet von "nervösem" Mann

Doch anscheinend steckt mehr dahinter, wie der „Falter“ heute berichtet. Die Zeitung sprach mit dem Chef der Firma Reisswolf, Siegfried Schmedler, der von dem Schredder-Vorgang berichtet. Der Mitarbeiter, der sich unter dem falschen Namen Walter Maisinger ausgab, habe „nervös“ gewirkt. Er habe nicht nur eine, sondern fünf Festplatten vernichten lassen, so der Chef. Außerdem habe er alle Platten gleich drei Mal schreddern wollen, wobei normal ein Vorgang genüge für eine normgerechte Vernichtung. "Er hat unsere Mitarbeiter immer wieder aufgefordert, die schon geschredderten Partikel wieder auf das Förderband zu legen und neuerlich zu schreddern", so Schmedler. Außerdem habe er auf keinen Fall die Festplatten aus der Hand geben wollen. „Sowas ist noch nie passiert“, so der Reisswolf-Chef. Zudem bestand der Kunde darauf, die Platten nach erfolgreicher Vernichtung wieder mitzunehmen.

Gestern kündigte Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein bereits an, den Vorgang untersuchen zu lassen.

Mitarbeiter erkannten Mann bei Kurz-Rede

Aufgeflogen ist das Ganze dadurch, dass Reisswolf-Mitarbeiter bei der Abschlussrede von Kurz nach seiner Abwahl den Mann, der die Akten vernichten ließ, im Hintergrund zu sehen war. Durch die angegebene Telfonnummer (die richtige) wurde der Betrug mit dem falschen Namen erkannt. Weil er die Rechnung von rund 76 Euro nicht bezahlt habe, habe man Anzeige erstattet. Ungewöhnlich: in dem Falter-Beitrag ist der ÖVP-Social-Media-Mitarbeiter sogar auf einer Video-Aufnahme zu sehen, wie er die Schredder-Aktion beobachtet.

Parteien "dankbar" für Schredder-Affäre

Die Parteien abseits der ÖVP nehmen die Schredder-Affäre dankbar auf und bombardieren die Regierung mit parlamentarischen Anfragen. So wollen SPÖ und NEOS unter anderem wissen, wer von der Datenvernichtung der Kanzleramtsdateien wusste, ob Kurz seiner Nachfolgerin Akten überlassen hat sowie weswegen nun genau ermittelt wird. Auch die FPÖ zweifelt an den VP-Angaben.

NEOS fragen Justizminister Jabloner

NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper erfragt bei Justizminister Clemens Jabloner, gegen wie viele Personen in der Causa ermittelt wird und wegen welcher Sachverhalte und Delikte. Ebenso von Interesse ist für sie, wie viele Personen schon einvernommen wurden und ob Kurz und sein Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) darunter waren. Auch Auskunft begehrt wird, ob die Strafverfolgungsbehörden Anhaltspunkte dafür fand, dass auf der Festplatte Daten mit Bezug zur Ibiza-Affäre, zur illegalen Parteienfinanzierung sowie zum Platzen der Regierung gespeichert waren. Schließlich soll Jabloner bekannt geben, ob Weisungen erteilt wurden.

SPÖ: Wieviele Datenträger gelöscht? Gibt es ein Backup?

Die SPÖ wendet sich nur an die Kanzlerin und möchte wissen, wie viele Datenträger aus dem Kanzleramt gelöscht wurden und das in welcher Form. Interessiert ist man auch daran, wer die Drucker verwendet hat, deren Festplatten zum Schreddern außer Haus gebracht wurden. Auch ob es ein Backup der Daten gibt, soll Bierlein bekannt geben. Schließlich will man wissen, ob Kurz, Blümel und ihre Kabinettsmitglieder Handys mitgenommen oder zurückgegeben haben.

Aufklärung durch Kurz gefordert

Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried pocht indes auch weiter auf Aufklärung durch Kurz selbst. Dieser schweige am Tag vier nach dem Bekanntwerden der "rechtswidrigen Vertuschung" weiter darüber, welche Daten geschreddert und ob damit auch Verweise auf das Ibiza-Video vernichtet worden seien. Leichtfried meint zu wissen, dass das bisher Bekannte in der "Vertuschungsaffäre" nur die Spitze des Eisbergs sei.

Wer gab Weisung?

Die NEOS wollen in ihrer Anfrage an Bierlein unter anderem wissen, wo der ÖVP-Mitarbeiter im Kanzleramt tätig gewesen sei. Zudem wird wie in der SPÖ-Anfrage geforscht, wer die Anweisung zur Vernichtung der Druckerplatten gegeben hat und wer vom Führungspersonal davon gewusst hat. Gefragt wird auch, wer die Rechnung letztlich bezahlt hat. Überdies fragen die NEOS, ob Schadenersatzforderungen gegen den Mitarbeiter gestellt werden sowie ob disziplinarrechtliche Schritte in der Causa gesetzt wurden.

FPÖ: Noch mehr Dinge im Dunkeln?

Aufklärungsbedarf sieht auch die FPÖ und zwar, weil nun schon von fünf Datenträgern die Rede ist, die vernichtet wurden. Es stelle sich doch die berechtigte Frage, ob da nicht noch mehr solche eigenartigen Dinge im Dunkeln lägen, meint der Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein. Für ihn ist auch das Argument, wonach man mangelndes Vertrauen in SPÖ-Beamte im BKA geltend machen würde, völlig an den Haaren herbeigezogen. Die Datenvernichtung hätte der Mitarbeiter auch ganz einfach im eigenen Haus erledigen können.