"Das ist der Job, den er sein Leben lang wollte"

Wahlkampfprofi Frank Stauss über den SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz

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Scholz-Kenner - "Das ist der Job, den er sein Leben lang wollte"

Frank Stauss begann seine Karriere als Wahlkämpfer in der Clinton/Gore-Kampagne 1992 und arbeitete später mit Politikern wie Gerhard Schröder und Klaus Wowereit zusammen. Olaf Scholz unterstützte er bei dessen Wahlkampf für das Amt des Hamburger Bürgermeisters. 2013 war Stauss für den damaligen ÖVP-Chef Michael Spindelegger tätig. In dem Buch "Höllenritt Wahlkampf"* schreibt er über seine Erfahrungen.

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Vor wenigen Monaten wurde Olaf Scholz noch belächelt, jetzt liegt er in den Umfragen vorne. Was ist da passiert?
Viele Menschen in Deutschland merken jetzt erst, in den letzten Wochen vor der Wahl, dass sie Angela Merkel ja gar nicht mehr wählen können. Sie sind also gezwungen, sich neu zu orientieren, und die Frage, die sich viele stellen, lautet: Wer kann das? Olaf Scholz ist eine etablierte Größe in der deutschen Politik, und auch die SPD ist bei den Leuten nicht grundsätzlich in Misskredit. Wir erleben gerade, dass die anderen beiden Kandidaten auf diesem Weg, der gerade für unbekannte Personen ein großer Test ist, straucheln. Die Leute kennen Armin Laschet nicht gut, Frau Baerbock kennen sie gar nicht, und jetzt ist Olaf Scholz plötzlich die sichere Bank.

Profitiert er nur von der Schwäche seiner Konkurrenz oder macht er in dieser Situation auch irgendetwas besonders richtig?
Von den Medien wurde Scholz oft als ein bisschen langweilig und dröge, als Sparkassendirektor gebrandmarkt, aber genau das ist jetzt seine Stärke. Das heiß, er profitiert von den Schwächen der anderen, aber natürlich aufgrund der Stärken, die ihm zugeschrieben werden: Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit, Vertrauen. Das kann er jetzt voll ausspielen.

Scholz wirkt von außen sehr kontrolliert. Sie haben mit ihm gearbeitet - wie ist er als Wahlkämpfer?
Kontrolliert. Vor allen Dinge extrem diszipliniert. Ich finde, das sieht man ihm jetzt auch an. Man sieht, dass er sich in den letzten Monaten auch physisch auf diesen Wahlkampf vorbereitet hat. Er ist schlank, er ist trainiert, er ist drahtig. Das ist der Job, den er sein Leben lang wollte, und darauf hat er sich bestmöglich vorbereitet. Diese Disziplin zeichnet ihn jetzt aus und lässt die anderen jetzt umso schwankender aussehen.

Sie sorgt wahrscheinlich auch dafür, dass ihm keine gröberen Fehler passieren, so wie den beiden andern Kanzlerkandidaten.
Da ist natürlich auch viel Erfahrung im Spiel, aber diese Fehlerunanfälligkeit kommt natürlich gerade aus seiner Persönlichkeit. Man muss auch sehen, dass Merkel durch ihre ruhige, sachliche Art die politische Kultur in Deutschland in den letzten 16 Jahren geprägt hat, das heißt, die Menschen haben sich auch daran gewöhnt, dass im Kanzleramt jemand sitzt, der eher Souveränität und Kompetenz ausstrahlt, als jemand, der mit der Faust auf den Tisch haut.

Können Sie erzählen, wie die Zusammenarbeit mit Scholz funktioniert hat?
Er ist tatsächlich sehr konzentriert. Im kleineren Kreis ist er ein bisschen lockerer, als man ihn medial wahrnimmt, aber das ist ja oft so. Und er ist ein sehr überlegter Mensch. Ich habe bei den vorgezogenen Neuwahlen in Hamburg, bei denen er dann die absolute Mehrheit gewonnen hatte, mit ihm zusammengearbeitet. Wir haben ihm eine Kampagne präsentiert, die nicht ganz dem entsprach, was er vielleicht erwartet hatte, aber von der wir überzeugt waren. Er sagte: "Ich gehe jetzt nach Hause, schlafe eine Nacht drüber und melde mich morgen bei euch." Am nächsten Tag rief er an und sagte, wir machen das. Das ist Olaf Scholz. Er ist nicht der Typ, der aus der Hüfte entscheidet. Er ist eigentlich auch im echten Leben genau der Typ, den Sie erwarten würden, nur humorvoller.

Kann Scholz seinen Vorsprung bei dieser Wahl ins Ziel bringen?
Wir haben sehr gespreizte Umfragen. Die Union steht zwischen 19 und 25, die SPD zwischen 22 und 27 Prozent. Das Rennen ist enger, als jetzt vielleicht vermutet wird, aber ich sehe viele Indikatoren, die darauf hinweisen, dass die SPD stärkste Partei wird. Vielleicht nicht mit einem großen Abstand.

Worauf kommt es in den letzten Wochen des Wahlkampfs an?
Die Umfragen zeigen uns, dass sich bereits mehr Menschen entschieden haben als vor vier Jahren zu diesem Zeitpunkt. Ich glaube nicht, dass jetzt noch große Dinge passieren. Für Scholz kommt es eigentlich drauf an, Scholz zu bleiben. Da erwartet auch niemand irgendwelche Überraschungen. Und Armin Laschet kann nur Armin Laschet retten, da gibt es keine Teamlösung. Er muss jetzt für seine Politik und für seine Person werben. Im Moment ist er der unbeliebteste Politiker in Deutschland.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 37/21

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