Was unsere Träume wirklich bedeuten

Etwa ein Drittel unseres Lebens schlafen wir. Fünf bis sieben Jahre davon verbringen wir im nächtlichen Traumtheater. Aber warum überhaupt? Verraten uns Träume die Wahrheit über uns selbst? Zum Weltschlaftag wollen wir es mit der Psychologin Brigitte Holzinger herausfinden

von Schlafforschung - Was unsere Träume wirklich bedeuten © Bild: shutterstock

Sigmund Freud, der große Analytiker der Seele, war Pionier der Traumdeutung. Ihm zufolge scheinen die Verarbeitung von Tageserlebnissen oder gar prophetischen Visionen nicht der Sinn oder die Ursache vom Träumen zu sein. Vielmehr sollen im Traum Erfahrungen, welche man in der Kindheit gesammelt hat, als Botschaft wiedergegeben werden. Er sah Träume somit als Königsweg zum Unterbewussten. Noch in der Antike galten Träume gar als Botschaften der Götter.

Heute, über 2000 Jahre später, ist die Hirnforschung weiter. Die Traumwelt offenbart ihre Geheimnisse aber noch immer nicht vollends. Brigitte Holzinger leitet das Institut für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien und hat in Wien und Stanford Psychologie studiert. Sie erklärt, dass es bis heute keine wissenschaftliche Bestätigung gibt, warum wir überhaupt träumen: „Man kann die Frage nach wie vor nur nach Erfahrung beantworten, da noch immer nicht sicher ist, ob wir ausschließlich in den REM-Phasen träumen.“

Im REM-Schlaf wandern die Augen bei geschlossenen Lidern hin und her. Die restliche Muskelaktivität im gesamten Körper ist indes blockiert. Deswegen auch der Name: Rapid Eye Movement. Die Frequenz erhöht sich vor allem zum Ende der Nacht hin. Bedenkt man, dass sämtliche Säugetiere einen REM-Schlaf haben, müssen Träume wohl eine besondere evolutionäre Bedeutung haben.

»Träume sind wie eine kleine Psychotherapie«

Genauer gesagt: Physiologisch gesehen herrscht im REM-Schlaf eine besonders hohe Gehirnaktivität. Höher noch als in Wachphasen. Holzinger sieht es so: „Träume sind wohl so etwas wie eine kleine Psychotherapie. Meiner Meinung nach sind Träume sinnliche Eindrücke, die wir tagsüber bewusst oder unbewusst wahrnehmen, verarbeiten und in den bereits bestehenden Erfahrungsschatz integrieren.“ Damit sind sich Holzinger und Freund gar nicht unbedingt uneins. Schon er behauptete, dass Träume durch „Tagesreste“ beeinflusst würden.

Gefühle als Wurzel des Träumens

Nach heutigem Verständnis sind Gefühle die Wurzel des Traums. Sie sind eine emotionale Verarbeitung von Sinneseindrücken, die für uns in irgendeiner Weise wichtig waren. Durchaus auch unterbewusst.

Übrigens geht die Schlafforschung davon aus, dass wir im REM-Schlaf immer träumen; sprich somit auch jeder Mensch träumt. Auch, wenn sich nicht immer daran erinnert wird. Laut Studien können sich nur 40 Prozent der Österreicher regelmäßig an ihre Träume erinnern Das Erinnern könne man laut der Psychologin aber trainieren: „Man kann sich zum Beispiel angewöhnen, die Träume immer aufzuschreiben. Nimmt man sich schon vor dem Schlafen gehen vor, sich den Traum zu merken, klappt es tatsächlich besser.“

»Träume wollen uns auf seelischer Ebene weiterbringen und uns auf etwas hinweisen«

Sich genauer mit seinen Träumen zu beschäftigen kann so auch bedeuten, mehr über sich selbst zu erfahren und sich seelisch und innerlich weiterzuentwickeln: „Wichtig ist nur, sich seinen Gefühlen zu stellen“, sagt Holzinger. So seien auch Albträume hilfreich: „Wir produzieren die Träume ja selbst. Wir wollen uns damit normalerweise kein Bein stellen. Träume wollen uns auf seelischer Ebene weiterbringen und uns auf etwas hinweisen.“

Plagen einen fast täglich Albträume und wird die Situation belastend, kann auch hier ein Traumtagebuch helfen. Die Eindrücke werden so laut Holzinger greifbarer. So könne sich in weiterer Folge auch das "Warum" offenbaren.

Traumarbeit statt Traumdeutung?

Nicht umsonst wird Traumarbeit auch in der Psychotherapie in nahezu allen Schulen eingesetzt. Laut Holzinger kann alles, was wir träumen, als Aspekt der Persönlichkeit des Träumers verstanden werden. Diese seien aber individuell. Von einer Traumdeutung sieht sie deswegen ab: „Ich finde es unzulässig zu sagen, man könne den Traum eines anderen Menschen exakt deuten.“ Konkret heißt das, dass auf universelle Erklärungen wie „Träumen Sie, dass Ihnen die Zähne ausfallen, steht der Tod vor der Tür“ absolut kein Verlass ist.

Vielmehr geht es um Traumarbeit, bei der man gegebenenfalls gemeinsam mit dem Klienten herausfinden kann, womit ein Traum zu tun haben könnte. Im Normalfall kann man das aber auch ohne Hilfe eines Therapeuten: „Lassen Sie den Traum fürs erste einfach wirken. Lassen Sie sich darauf ein!“

Träume als mentale Verdauung

So vertreten einige Ihrer Kollegen sogar den Ansatz, dass wir bei Schlafmangel in Wahrheit weniger an Schlaf-, als Traumentzug leiden würden. Da sich die REM-Phase vor allem zum Ende der Nacht hin häufen und verlängern würden, käme man so bei zu wenig Schlaf auch an zu wenig Traum. Dieser sei aber nicht nur dafür verantwortlich, unds von psychischen Anspannungen zu befreien, sondern helfe auch, über den Tag gelernte Inhalte richtig zu verstauen und verarbeiten. Die Volksweisheit, wonach wir im Schlaf lernen, ist also gar nicht so abwegig. In diesem Sinne: Gute Nacht - und das Traumtagebuch nicht vergessen!