Die Macht der Träume

Was Ihre Träume über Ihre geheimen Sehnsüchte, Ängste und Vorlieben verraten

Weit über tausend Träume hat Sigmund Freud zeit seines Lebens gedeutet. Nicht nur die seiner Patienten, sondern auch seine eigenen. Er bezeichnete die Träume als "Königsweg zum Unbewussten" und beschritt diesen Weg in die Tiefen der Seele selbst. Bis es ihm schließlich gelingt, einen eigenen Traum mithilfe seiner psychologischen Technik des "freien Assoziierens" restlos zu entschlüsseln und dessen verborgenen Sinn freizulegen.

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Frau schläft © Bild: Shutterstock.com

Die "Traumdeutung" wird zum Kernstück der Freud'schen Lehre und zum Grundsatzmanifest der Psychoanalyse. Träume, Phantasien und freie Assoziationen wurden in Freuds Buch "Opus magnum", erschienen im Jahr 1900, zum ersten Mal zum Ausgangspunkt für eine systematische und völlig neuartige Erfassung neurotischer Phänomene und unbewusster psychischer Vorgänge. Bis dahin vertraten die meisten Mediziner die Meinung, Träume seien Einbildungen ("Träume sind Schäume") und daher wertlos.

Träume sind Briefe an uns selbst

Freud hingegen bezeichnete den Traum als ein regulatives Instrument der Psyche ("Träume sind Briefe an uns selbst") und einen "Wächter des Schlafes". Er holte das traditionelle Wissen der Bildersprache von alten Märchen, Sagen und Mythen aus dem Dornröschenschlaf, indem er sich der Symbole und Metaphern völlig neu zu bedienen wusste: "Er behandelte den Traum wie ein Symptom, das er verstehen wollte", schreibt Katja Behling. Und sie schließt daraus: "Der Wert der Trauminterpretation liegt nach Freud aber nicht in der wortgetreuen, minutiösen Zerpflückung des Traums, sondern darin, ihn als eine zu übersetzende Symbolsprache - wie ein Gedicht oder Gemälde - aufzufassen."

Unterdrückte Wünsche

Der Traum ist laut Freud "die verkleidete Erfüllung eines unterdrückten Wunsches", also eine chiffrierte Botschaft aus dem Unbewussten, die enträtselt werden muss. "Seine psychologische Technik der Traumanalyse besteht im wesentlichen darin, den Traum in einzelne Stücke zu zerlegen und zu jedem Traumstück frei zu assoziieren. Nicht die logische Denkarbeit, sondern die spontanen Einfälle - gleichgültig, ob sie passend schienen oder nicht - ermöglichte ihm das Verständnis von Träumen", so der Wiener Psychoanalytiker Walter Hoffmann.

Gehirn arbeitet im Schlaf auf Hochtouren

Etwa ein Drittel des Lebens schlafen wir und betreten dabei in unseren Gedanken eine rätselhafte Bühne - das nächtliche Traumtheater. Nach dem Einschlafen fallen wir zunächst in das erste Tiefschlafstadium, das nach 60 bis 90 Minuten von einer Phase abgelöst wird, die treffend als "paradoxer Schlaf" bezeichnet wird. Paradox deshalb, weil die Hirnaktivität jetzt sogar größer als im Wachzustand ist. Sie wird von schnellen Augenbewegungen begleitet, weshalb diese Schlafphase REM-Stadium (englisch: Rapid Eye Movements) genannt wird. Hoffmann: "Das Gehirn befindet sich nun in jenem geheimnisvollen Zustand, in dem Träume entstehen. Diese sind bildhaft und bunt." Auch Herzschlag, Blutdruck und Atmung verlaufen unregelmäßig.

Sexuelle Inhalte dominieren

Während die Gliedmaßen völlig schlaff sind und keinerlei Reflexe zeigen, sind bei Frauen die Klitoris und bei Männern der Penis hochgradig erregt. Hoffmann: "Die körperlichen Vorgänge in der Traumphase scheinen Freud Recht zu geben, der Träume vorwiegend sexuell deutete." Dazu passen auch die Ergebnisse der Langzeitstudie, die Hoffmann gemeinsam mit der "Sexpertin" Gerti Senger an rund 8.000 ÖsterreicherInnen durchführte: Demnach nehmen Träume über "sexuelle Handlungen, für die ich mich im Wachzustand schäme" mit 62,2 Prozent die Spitzenposition bei den Nachtträumen ein, gefolgt von "sexuell stark erregenden" Träumen (47,1 %).

Traum als Wunscherfüllung

Der erinnerbare, laut Freud "manifeste Trauminhalt" bildet freilich nur die Oberfläche des Traumes. Er lässt sich jedoch immer auf tiefer liegende Vorstellungen zurückführen, hinter denen sich regelmäßig verdrängte Wünsche verbergen - die "latenten Traumgedanken". Manchmal werden verschiedene Personen zu einer Traumperson verschmolzen ("Verdichtung"), manchmal werden Gefühle und Erfahrungen von ihrem Ausgangspunkt weg in ein anderes Bild verschoben ("Verschiebung"). Unerfüllte Wünsche, die als erfüllt dargestellt werden, sind der Stoff, aus dem die Träume sind. In der psychoanalytischen Traumdeutung wird der Traum gewissermaßen rückübersetzt: Er wird für den Patienten verstehbar, indem der unbewusste Wunsch, der ihm zugrunde liegt, deutlich wird.

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