Verseuchtes Spielzeug

NEWS.AT zu Gast in Hamburg: Messungen an Containern mit schockierendem Ergebnis

von Messung eines Gift-Containers in Hamburg © Bild: NEWS.AT

Die verstärkten Schutzmaßnahmen verdankt Hamburg einer Studie über Schadstoffe in Import-Containern aus dem Jahr 2006 - durchgeführt vom Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) Hamburg, dem Institut für Messtechnik der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) und dem Hauptzollamt Hamburg-Hafen: Von 2.111 in der Untersuchung gemessenen Containern überschreiten 17,4 Prozent (367 Fälle) die Grenzwerte, 1,6 Prozent (33Fälle) um mehr als das Zehnfache. Daraufhin reagieren auch die Behörden, schaffen 2007 Messgeräte zur regelmäßigen Kontrolle an.

Verseuchtes Spielzeug

NEWS.AT überzeugt sich selbst, fährt nach Hamburg. Insgesamt neun Millionen Container landen 2011 im Hamburger Hafen. Die Masse davon schwappt aus Südostasien herüber; In China, Vietnam, Indien und Bangladesch lassen europäische Firmen billig produzieren. Pro Tag werden rund 15.000 bis 20.000 Container beim Hamburger Zoll umgeschlagen, davon werden bis zu 10 Container auf Schadstoffe hin untersucht. "Bei circa 20 Prozent der gemessenen Container werden die Arbeitsplatzgrenzwerte überschritten", sagt Riemann. Fast immer steckt das Gift in Schuhen, Waren aus Weichkunststoff und Getreide; Sie stehen auf der Risikoliste.

Willkürlich fischt Holger Riemann für NEWS.AT zwei mit Import-Containern bestückte Lkws heraus, winkt sie zum Gebäude des Zolls. Die Sonde des Messgeräts presst er zwischen die zwei Gummilaschen am unteren Ende des Containers. Rund 10 Sekunden dauert es bis die Auswertung am Display erscheint. Das Ergebnis bestätigt die Erfahrungen: Bei einem von zwei Containern ertönt der Alarm, das GDAII-Messgerät schlägt aus. Ein mit Kinderspielzeug beladener Lkw überschreitet die Grenzwerte für Formaldehyd um mehr als das Doppelte. In höheren Dosen ist Formaldehyd sehr giftig, es greift die Atemwege an, reizt die Haut und die Augen, teilt Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster mit. Bei einer chronischen Vergiftung können Konzentrations-, Gedächtnis und Schlafstörungen auftreten. Gasförmiges Formaldehyd kann Tumore im Nasen-Rachenraum auslösen. Vor allem Babys und Kleinkinder sind gefährdet. Sie nehmen aufgrund ihrer dünnen Haut Chemikalien noch leichter auf als Erwachsene.

Auch der zweite überprüfte Lkw ist nicht sauber, die Werte für den Schadstoff Benzol liegen genau an der Grenze zum Erlaubten

Das Gift trifft jeden

Der verseuchte Spielzeugcontainer in Hamburg fährt dieses Mal weiter nach Tschechien. Die inoffizielle Messung berechtigt den Zoll nicht zum Handeln. Im Ernstfall messen die Beamten jedoch ohnehin nur Container, die in Deutschland bleiben. Werden sie weiter nach Ungarn, Österreich oder ein anderes EU-Land transportiert, kontrolliert niemand. Einen Warnhinweis, ein Totenkopfsymbol, sucht man vergeblich. Lediglich Begasungsmittel müssen nach internationalem Recht (IMG Code) gekennzeichnet werden, für Industriechemikalien gilt dies nicht. Doch selbst die vorgeschriebenen Hinweise fehlen. "Eine Kennzeichnung begaster Container liegt so gut wie nie vor", bestätigt Riemann. Abgeklebte Türen und abgeklebte Lüftungsschlitze, die auf eine Begasung schließen lassen, findet man nur in Einzelfällen.

Entdeckt der Zoll in Hamburg einen Gift-Container, verlässt der Lkw den Terminal nicht. Die Besitzer der Waren, meist Firmen, müssen ein Schadstoffgutachten in Auftrag geben. Erst danach fertigt der Zoll den Container ab. Ein positives Gutachten verpflichtet den Eigentümer Maßnahmen zu treffen, um den Container zu entgiften. Von sich aus messen bisher nur einzelne Firmen. Der Zoll in Hamburg prüft nicht der Schadstoffe wegen, sondern nur zur eigenen Sicherheit. Der Großteil der Container schlüpft daher ohne Überprüfung durch. Das Gift gelangt so ungehindert in den zollfreien Verkehr und letztendlich an den Konsumenten.

Schwere gesundheitliche Folgen

"In Deutschland ist mir keine Berufserkrankung bei Zöllnern aufgrund von Schadstoffen in Containern bekannt. Bei Auspackern war das aber nachweislich der Fall", sagt Riemann. Zahlreiche Fallstudien des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) in Hamburg belegen die gesundheitlichen Folgen für Betroffene, malen ein erschütterndes Bild von den Auswirkungen. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Gedächtnisstörungen, Hautreizungen, Muskelkrämpfe und Atemprobleme quälen die Patienten. Der Grad der Beeinträchtigung hängt von der Dauer und Art der Kontaktaufnahme mit den Chemikalien sowie der subjektiven Empfindlichkeit der Person ab. Manche können sich die eigene Telefonnummer nicht mehr merken, sagt Medizinern Alexander Preisser vom ZfAM. Hinzu kommt, dass verbreitete Symptome wie Kopfschmerzen oft nicht auf Schadstoffe in Containern zurückgeführt werden. Fehldiagnosen werden erstellt. Einige Giftstoffe, darunter Methylbromid, haben eine kurze Halbwertszeit, sie können schon nach wenigen Tagen nicht mehr nachgewiesen werden.

Internationales Gift-Problem

Unter den Chemikalien leiden wir alle: Zollbeamte, Personen, die Container entladen, Transportarbeiter, Lageristen, Verkäufer und Konsumenten sitzen in derselben Giftbrühe, wie die Untersuchungen bestätigen. In Deutschland weiß man um die Gefahr. Das ZfAM organisiert seit 2004 jedes Jahr einen internationalen Workshop in Hamburg über den „Sicheren Umgang mit Import-Containern“. Dort präsentieren Experten aus ganz Europa ihre Studien und Erfahrungen. Aus den Berichten geht eines klar hervor: Europaweit gibt es unzählige schadstoffbelastete Container, die bei unsachgemäßem Umgang die Gesundheit schwer beeinträchtigen können. So zeigen 11 Prozent von 50.000 im Jahr 2010 untersuchte Import-Container in den Beneluxländern eine Überschreitung der Grenzwerte. Italienische Chemiker messen seit 2004. Von 10.000 überprüften Containern verstoßen 20 Prozent gegen die erlaubten Werte. In Holland gibt es derzeit 75 offiziell anerkannte Krankheiten aufgrund des Kontakts mit Containern, teilt Chemie-Experte Jan de Jong in seiner Präsentation mit. 2002 misst das staatliche Niederländische Institut für Gesundheit und Umwelt in Rotterdam 303 Container, hohe Schadstoffkonzentrationen befinden sich in 21 Prozent der Container. Eine Schweizer Studie berichtet über 42 Prozent an belasteten Containern in diversen Terminals. Nur in Österreich weiß man von nichts.

Kommentare

Totentrompete

Wir werden alle vergiftet und die Politik schaut zu !
Meiner Meinung nach wäre in erster Linie das Fianzministerium gefordert. Dieses kennt laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung seit 2003 das Problem, hat aber nur eine vollkommen untaugliche Arbeitsrichtlinie erlassen und dies auch erst 2009 oder 2010. Diese Richtlinie ist das Papier nicht wert auf der sie gedruckt wurde, denn es geht daraus weder hevor, wer für ein Schadstoffgutachten zuständig wäre noch wie die gefahrlose Betretung eines Containers ohne Meßgerät festgestellt werden kann.
Die Politik ist offensichtlich nicht interessiert, dass die Bürger vor diesen "Giftbomben" geschützt werden.
Das Finanzministerium versucht die Problematik herunterzuspielen, obwohl bereits Erkrankungen von Beamten und zumindest eines Speditionsangestellten bekannt sind. Auch das Verteidigungsministerium, welches für ca. 130.000 Paar Badeschuhe ein Trageverbot erlassen mußte versucht in seiner parlamentarischen Anfragebeantwortung die Gefahr zu verharmlosen. obwohl das Umweltamt für die in den Badeschuhen vorhandenen Gifte ein besonderes Risiko festgestellt hat.
Jeder Konsument möge bedenken was in seinem Inneren geschieht wenn er begasten Reis konsumiert. Denn zwei Personen, welche mit derartigen Reis in Kontakt gekommen sind mußten infolge eines daraufhin aufgetretenen Hautausschlages im Krankenhaus behandelt werden (siehe Aussage von Herrn Fürnstall und ATV Sendung).

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