"Ariodante": Bartolis
furioses Ritterspiel

Cecilia Bartoli führt Händels Monumentaloper in die Gegenwart

Diskussionen um die Aktualität klassischer Genres wie Oper und Theater muten angesichts einer Produktion wie jene von Georg Friedrich Händels "Ariodante" in Salzburg rückständig an. Cecilia Bartoli und Regisseur Christof Loy greifen mit der 1734 verfassten Barock-Ritter-Oper prekäre Themen der Gegenwart, wie die Gender-Frage, auf. Die ausgezeichnete Besetzung mit Cecilia Bartoli in der Titelrolle sorgt für eine fulminante Umsetzung mit eigens gegründetem Orchester.

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 Pfingstfestspiele - "Ariodante": Bartolis
furioses Ritterspiel

Halblanges dichtes Haar, Vollbart, schneidiger Blick, burschikos-grobes, linkisches Auftreten. Zwei Akte und zwei Stunden später tritt dieselbe Person in anderer und doch gleicher Gestalt auf: Das Haar wellt sich über die Schultern, das Kinn ziert ein dichter Bart, ein schwarzes, bodenlanges Kleid umfasst die Taille. Wer ist dieses Wesen, das auf einen ersten Blick wie die Kopie Conchita Wursts anmutet?

Die Antworten gibt eine Stimme – es ist Cecilia Bartoli selbst, die da spricht – aus dem Off mit kurzen Passagen aus Virginia Woolf’s Roman "Orlando". Darin wird von einer adeligen Gestalt aus dem 16. Jahrhundert erzählt, die einmal als Mann, einmal als Frau diverse Epochen durchwandert.

La Bartoli ist der furiose Ritter. Atemberaubend agiert und singt sie Händels monumentale Hits wie die zentrale Arie "Scherza infida" oder "Dopo notte", die ihr ein Solo nach dem anderen ermöglichen. Als wäre diese Musik einzig für sie geschrieben, verkörpert Bartoli diese Gestalt Ton für Ton. Fulminant! Auch das Schauspiel überzeugt. Gezeigt wird ein Außenseiter, der an einen Hof kommt, sich in die Thronfolgerin verliebt, Opfer einer Intrige wird, sich in die Fluten des Meeres in den Tod stürzt und als gewandeltes Wesen ins Leben zurückkehrt. Der Übeltäter wird entlarvt, gerächt und das Paar Ariodante und Ginevra ist wieder vereint. Nun ist Ariodantes Bart ab, Ginevra trägt Hose und Stiefel, die Geschlechter spielen keine Rolle mehr.

Johannes Leiacker hat für die kluge Umsetzung die Bühne im Haus für Mozart in einen weißgetäfelten, großbürgerlichen Salon verwandelt, der durch das Öffnen der praktikablen Wände bei Bedarf den Blick in einen düstere Landschaft freigibt. Mit tiefsinnigem Humor wird die Frage nach dem Geschlecht konsequent durch das ganze Werk thematisiert, ebenso bei den Ballettszenen, bei denen Männer auch die weiblichen Parts übernehmen.

Perfekt, wie alles in dieser Produktion, sind auch die Sänger stimmlich und darstellerisch aufeinander abgestimmt: Der Bass-Bariton Nathan Berg überzeugt als König und Vater. Kathryn Lewek zeigt mit ihrem flexiblen Koloratursopran eine energetische Ginevra. Der formidable Counter-Tenor Christophe Dumaux verleiht dem intriganten Polinesso die Gestalt eines Bösewichts, der einer Serie wie "House of Cards" entstammen könnte. Norman Reinhardt ist mit seinem lyrischen Tenor die Idealbesetzung für den Rächer Lurcanio. Sandrine Piau generiert aus der Partie der Dalinda intensive stimmliche und darstellerische Momente. Kristofer Lundin fällt in der Miniatur-Partie des Odoardo auf.

Für ihre Projekte hat Cecilia Bartoli ein eigenes Originalklangorchester gegründet. Les Musiciens du Prince – Monaco setzen unter der Leitung Gianluca Capuano Händels Partitur formidabel um.

So lässt sich Oper in die Zukunft führen.

Weitere Vorstellungen bei den Salzburger Festspielen: www.salzburgerfestspiele.at