Dürfen Politiker lügen?

Es gibt Gründe es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen – Doch was ist erlaubt

von Businessman mit Pinocionase © Bild: Corbis

Die Liste an Politikern die in aller Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt haben ist lang. Man denke nur an den ehemaligen US-Verteidigungsminister Colin Powell und seine Rede vor dem Sicherheitsrat der UNO. Ausführlich berichtete er über die Massenvernichtungswaffen des Irak – gefunden wurden diese freilich nie. Einen Krieg und einige Jahre später, bedauerte Powell seine damalige Rede schließlich als „Schandfleck seiner politischen Karriere“.

Weniger dramatisch aber dafür umso komischer waren Bill Clintons Rechtfertigungen in der Causa Lewinsky. „I did not have sexual relations with that woman“, ging in die Geschichte ein. Geglaubt hat es ihm niemand und eindeutige Spermaspuren belegten schließlich das Gegenteil. Legendär auch die Aussage des damaligen ÖVP-Chefs Wolfgang Schüssel vor der Wahl 1999 als Dritter in Opposition zu gehen. In Wirklichkeit wurde er viele Jahre Bundeskanzler. Aber die Wahrheit ist eben immer auch eine Tochter der Zeit, wie es der damalige ÖVP-Klubobmann Andreas Kohl ausdrückte.

Lügen um Schlimmeres zu verhindern

Bewusst die Unwahrheit gesagt wurde auch rund um den Zusammenbruch der US-Großbank Lehmann Brothers in den USA im Jahr 2008. Sowohl in Österreich als auch weltweit wurde das Ausmaß der Katastrophe kleingeredet, um sie in ihrem vollen Ausmaß zu verhindern. Ein Bankrun und damit eine Kernschmelze der Weltwirtschaft drohte. Um diesen abzuwenden erschien es sinnvoller nicht die volle Wahrheit zu sagen.

Das verhinderte zwar eine wirtschaftliche Katastrophe. Die häppchenweise Weitergabe von Informationen in der aktuellen Wirtschaftskrise, insbesondere wenn es um Griechenland geht, sind aber auch ein Hauptgrund für einen enormen Vertrauensverlust in die Politik, war aber vermutlich unvermeidbar.

Ist Lügen erlaubt?

Doch wann dürfen Politiker eigentlich lügen, beziehungsweise die Wahrheit verschweigen und was sind die Konsequenzen? Erstaunlich wenige Konsequenzen drohen Politikern die lügen, wie NEWS.AT vom Rechtsanwalt und Verfassungsexperten Gerald Ganzger in Erfahrung brachte. „Politik funktioniert nach anderen Spielregeln. Es gibt keine Wahrheitspflicht im klassischen Sinne für Politiker, sondern eine politische Verantwortung.“ Die Ausnahme stellen Untersuchungsausschüsse in Landtagen und im Nationalrat. Dort herrscht Zeugen- und Wahrheitspflicht.

„Landesräte haben natürlich eine Informationspflicht gegenüber dem Landtag. Aber dabei handelt es sich eine politische Pflicht und nicht um eine rechtliche. Die Abstrafung im Fall der Falschaussage nimmt der Wähler vor und nicht die Justiz.“ In der Tat gibt es wohl keinen Fall wo je ein Politiker fürs Lügen belohnt wurde, selbst wenn sich später herausstellen sollte, dass die Lüge möglicherweise in seinem Sinn war, wird sie doch kaum jemals vom Wähler verziehen.

Außerdem ist es ja so, dass die Bestrafung ohnehin durch den Wähler erfolgt. Theoretisch gebe es aber die Möglichkeit Politiker zivilrechtlich haftbar zu machen. „Wenn sich beispielsweise herausstellt, dass das Vernachlässigen der Informationspflicht gegenüber dem Landtag finanzielle Nachteile für das Bundesland mit sich bringt, könnte das Bundesland beispielsweise den Politiker auf Schadenersatz klagen“, sagt Ganzger.

Gute Gründe für Lügen

Hier schließt sich der Kreis zu Salzburg. Am 15. Oktober wurde laut einer Aktennotiz der Finanzlandesrat und Landeshauptfrau-Stellvertreter David Brenner vom Leiter der Finanzabteilung, Eduard Paulus, darüber informiert, dass im Land nicht nur 49 sondern unglaubliche 253 Derivatgeschäfte laufen würden. Ob dem Finanzlandesrat spätestens zu diesem Zeitpunkt bereits das volle Ausmaß der Katastrophe bewusst war, ist zur Stunde unklar.

Klar ist aber, dass aktuell ein „rechnerisches Minus“ von 340 Millionen zu verbuchen wäre, davon sprach Landesrat Brenner in der Pressekonferenz, die den Skandal öffentlich machte. Laut Meldung des „Kurier“ könnte das Verlustrisiko durch die jetzt bekannt gewordenen Geschäfte sogar bei 3 Milliarden Euro – fast das Vierfache der derzeitigen Verschuldung von ca. 890 Milliarden – liegen. Andere Experten halten hingegen bis zu 1,7 Milliarden, immer noch das Doppelte der derzeitigen Verschuldung, für realistisch.

Salzburg und das Schweigen

Niemand kann zur Stunde sagen, was in Salzburg wirklich passiert ist. Man stelle sich aber folgendes fiktive Szenario vor: Eine Landesregierung wurde über viele Jahre massiv von einer Einzelperson getäuscht, oder aber sie wusste im Wesentlichen oder zumindest in Teilen Bescheid und duldete riskante Geschäfte, in der Hoffnung auf große Gewinne. Irgendwann fliegt auf, dass man sich massiv verzockt hat. Hunderte Millionen stehen im Raum. Geht man jetzt an die Öffentlichkeit wissen alle - vor allem aber die Geschäftspartner des Landes - über die finanziellen Schwierigkeiten Bescheid.

Mit der Veröffentlichung steigt auch der Druck, selbst unter hohen Verlusten, aus den Geschäften auszusteigen. Um weiteren Schaden abzuwenden, entschließt man sich vorerst zu schweigen. Ja, vielleicht sogar die Unwahrheit zu sagen.

Wenig Wind sinnvoll?

Klar ist aber auch, dass eine Eindämmung von Verlusten, wie aktuell in Salzburg, vor allem dann gelingt, wenn wenig Wind um die Sache gemacht wird. Wer sollte beispielsweise dem Land Salzburg riskante Geschäftsfelder abnehmen, wenn die ganze Welt weiß, dass das Land in finanziellen Schwierigkeiten steckt? Wenn aber diese Geschäfte nahezu unverkäuflich sind, so steigt auch das Verlustrisiko und die Prämie die potentiellen Käufer zu zahlen wäre. Es lässt sich also Gegenwärtig nicht sagen, ob die Wahrheit verschwiegen wurde. Was sich aber sagen lässt ist, dass es dafür gute Gründe gegeben hätte.

Was wäre beispielsweise passiert wenn im Oktober 2008 die heimische Politik ehrlich über den Zustand des heimischen Bankensektors berichtete hätte? Das „profil“ schrieb im Jahr 2011, dass damals so viel Geld von den Konten abgehoben wurde, dass der Nationalbank die Banknoten auszugehen drohten. Was wäre passiert, wenn man das 2008 veröffentlicht hätte? Wäre Österreich dann auch relativ gut durch die Krise gekommen und gar als „Wirtschaftswunder Österreich“ bezeichnet worden? Wohl eher nicht.

Rücktritt oder Abwahl?

In anderen Ländern, insbesondere Deutschland gibt es eine ehrenvolle Möglichkeit für Politiker aus dem Lügen auszusteigen. Selbst bei verhältnismäßig kleinen politischen Delikten wird verhältnismäßig häufig zum Rücktritt als Lösung gegriffen. Häufig auch, um zu einem späteren Zeitpunkt unbeschädigt in die Politik zurückkehren zu können. In Österreich wird eher auf das rasche Vergessen der Wähler gesetzt – meist ohne Erfolg.

Kommentare

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Also ich bin der Meinung daß wir angelogen werden wollen, einfach damit wir uns besser fühlen. Die Wahrheit will kaum jemand von uns wissen, auch wenn wir anderes behaupten. Wären wir tatsächlich so von Ehrlichkeit beseelt, dann würde diese zu immer größeren Teilen unschuldsvermutete Politikerkaste schon lange abgewählt sein, dann würde der Mensch wieder mehr zählen und nicht nur das Kapital. Wir würden ehrlich unsere Steuern zahlen, Schwarzarbeit nicht zulassen, würden keine Parteibücher mehr besitzen, und bei den nächsten Wahlen auch moralische Maßstäbe bewerten, bevor wir das Kreuzchen setzen. Kurzum: Meine persönliche Meinung zu dieser mit der Wahrheit flexibel umgehenden unschuldsvermuteten Politikerkaste darf ich hier nicht kundtun, da diese den Straftatbestend der Beleidigung erfüllt, aber wir alle haben die Volksvertretung die wir gewählt und somit auch verdient haben.

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Völlig richtig, schuld ist vielfach auch der Wähler. Wenn ein Roter z.B. sagen würde, Lohnforderungen sind zu hoch,oder ein Schwarzer,dass man Gewinne zugunsten der Arbeitnehmer reduzieren muss, ist der weg vom Fenster, wie richtig das jeweils auch sein mag. Außerhalb einer gewissen Bandbreite von Erwartungshaltungen darf sich ein Politiker nicht bewegen. Ein noch größerer Sündenfall ist es, wenn einer nachdenkt, zu keinem sauberen Urteil kommen kann und die Entscheidung verschiebt, dann gilt er als handlungs- und durchsetzungsschwach. Und wir wählen mehrheitlich die, die sich nicht an der Sache sondern an der Stimmung orientieren, damit kriegen wir konturlose Gestalten die nicht mehr fragen worums geht, sondern wie es ankommt. Und wem alles wurscht ist, der kann nichts vorgeben, wem Inhalte fehlen, dem bleibt nur die Selbstvermarktung. Und das Füllen der eigenen Tasche.

... und trotzdem hören wir sie gerne, die Lügen!

In den Medien immer die gleichen Einluller ... die Medienbosse selbst mit viel Dreck am Stecken ... die Reichen und Schönen schauen wir uns gern im TV an ... arbeiten will niemand mehr ...
Wieviele gehen in Frühpension im Wissen, dass der Staat es nicht finanzieren kann, aber: wenn ich schon die Chance hab!
Wir belügen uns doch selber ständig

Aber mal ganz ehrlich:
würdet ihr mich wählen, wenn ich euch die Wahrheit sage?
Will nicht jede/r mehr vom Kuchen?
Solange zB. die Mehrheit der Bevölkerung lieber die Millionäre schützt anstatt die vorhandenen Ressourcen gerechter zu verteilen ... also sich gerne selbst belügt und betrügt ... ist es egal, ob Politiker lügen oder nicht!
Die Schmähs riecht man doch meilenweit gegen den Wind!

"Dürfen Politiker lügen"? Welch eine Frage! Das ist überhaupt die einzige Fähiglkeit, die sie bis zur Perfektion beherrschen müssen. Alles andere kann dann mit dieser zur Perfektion ausgebauten Fähigkeit x-mal gedreht und gewendet werden, bis es dann mit Hilfe dieser Lüge zur Wahrheit wird!

DAS zur Verantwortung der Politiker:

http://www.totaberlustig.com/?p=2596

wieso kommt überhaupt die Frage auf, ob Politiker "lügen" dürfen? Ist die Lüge schon ein fixer Bestandteil in unserem täglichen Leben, dass wir dies unseren Repräsentanten zugestehen? Natürlich nicht. Wir müssen erwarten, dass Menschen, die sich zur Verfügung stellen, uns zu repräsentieren, moralisch integer agieren und unsere Interessen vertreten. Ansonsten brauchen wir solche Rep's nicht.

Jedes 2.Wort der Politiker ist gelogen. Menschen ohne Charakter, keine gerade Linie, ohne Rücksicht auf die Bevölkerung.

RobOtter

Auf Grund der teilweise 2 stelligen Prozent-Gewinne im Aktienbereich wurden nicht nur Banken und Private leichtsinnig. Auch Bund, Länder und Gemeinden wollten ein Stück vom Kuchen. 2008 fand dann die große Ernüchterung statt und die Investments fielen ins Bodenlose. Damit kämpfen nun nicht nur Bund, Länder und Gemeinden sondern auch Häuselbauer die ihre Kredite mit Investments besichert hatten.

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