Salzburger Festspiele: Vom Menschheitsdrama bis zum Horror-Haus

Puccinis "Il Trittico" als überwältigendes Menschheitsdrama, Janaceks "Kata Kabanova" als geschlossene Gesellschaft und Mozarts "Zauberflöte" im Horror-Haus auf ORF 2, ServusTV, 3Sat und Arte.

von Salzburger Festspiele: Vom Menschheitsdrama bis zum Horror-Haus © Bild: MONIKA RITTERSHAUS, Salzburger Festspiele

Giacomo Puccinis "Il Trittico"

Die Aufführung von Giacomo Puccinis "Il Trittico" bei den Salzburger Festspielen stellt klar: Giacomo Puccini war einer der größten Musikdramatiker der vergangenen 150 Jahre. Das demonstrieren Dirigent Franz Welser-Möst und Regisseur Christof Loy bereits anhand ihrer Dramaturgie dieser drei Einakter, die von menschlichen Tragödien erzählen. Im herkömmlichen Opernbetrieb gibt das Eifersuchtsdrama "Il Tabarro" ("Der Mantel") den Auftakt, gefolgt von "Suor Angelica" ("Schwester Angelica"), der tragischen Geschichten einer wohlhabenden, jungen Adeligen, die nach der Geburt ihres unehelichen Kindes in ein Kloster verbannt wird, und "Gianni Schicchi", eine schwarze Erbschleicher-Komödie, wo der Titelgeber in der Hölle landet, steht am Ende. In Salzburg wird der Weg vom Dunkel, also von der Hölle, ins Licht beschritten. Mehr noch: Verbunden sind diese drei Stücke wie mit einem leuchtenden goldenen Faden, den Auftritten von Asmik Grigorian, die alle drei Sopran-Partien übernimmt.

© MONIKA RITTERSHAUS, Salzburger Festspiele

Man befindet sich im Sterbezimmer eines wohlhabenden Florentiners. Der Mann ist gestorben, seine Erben bangen der Testamentseröffnung entgegen, erhoffen sich Wohlstand. Doch dann die bittere Erkenntnis. Der Onkel hat alles der Kirche hinterlassen. Einer aber weiß Rat, er holt Gianni Schicchi zu Hilfe. Der ist ein von den eingesessenen Florentiner Bürgern missachteter Zugereister, ein listiger Bauer und der Vater von Lauretta, die Rinuccio heiraten will. Der schafft flugs Abhilfe. Der tote Onkel wird versteckt, Schicchi schreibt das Testament neu, bereichert sich selbst und ebnet so den Weg für die Hochzeit seiner Tochter mit Rinuccio. Loy stellt das Geschehen in ein karg eingerichtetes Zimmer, in dessen Zentrum das Sterbebett prangt. Die Familie erweist dem Verblichenen die letzte Ehre. Großartig ist das Totenmahl choreographiert, wenn alle raffgierig ihre Spaghetti auf den Gabeln drehen. Jede Figur ist präzise geführt. Wie ein Lichtstrahl dann der Auftritt von Lauretta. Grigorian ist die naiv Jugendliche. Ihr „O mio babbino caro“ trägt sie mit einer Unschuld, innig, herzerwärmend vor. Misha Kiria ist ein ausdrucksstarker Schicci, der seine Figur mit einem wohldosierten Quantum an Humor verkörpert. Etwas blass daneben Alexey Neklyudov als Rinuccio. Seine Arie, eine Hymne auf Florenz, ein Bravourstück für Tenöre, trägt er solide vor, doch es mangelt ihm an strahlender Durchschlagskraft. Der Rest des Ensembles ist famos aufeinander abgestimmt.

Aus der Hölle der Habgierigen geht’s im zweiten Teil, "Il Tabarro" gleichsam ins Fegefeuer. Asmik Grigorian nimmt da den Faden als Giorgetta auf. Sie hat sich von einer hoffnungsvollen jungen Frau in eine Ehefrau verwandelt, der die dunklen Seiten des Lebens nicht mehr fremd sind. Schauplatz der Handlung ist ein kleiner Frachthafen an der Seine. Giorgetta sehnt sich nach ihrer Jugend in Paris, ist eine gütige Chefin und Ehefrau des Kapitäns. Ihr Kind ist gestorben, sie erhofft nichts mehr. Dann kommt Luigi, bei dem sie etwas Ablenkung findet. Michele, Giorgettas Ehemann tötet ihn aus Eifersucht. Loys Regie besticht durch brillante Personenführung, grandios stellt er da zwei Frauenfiguren einander vor einem gigantischen Frachtkahn gegenüber. Die Giorgetta, die Verzweifelte, und Frugola, die betagte Zufriedene (exzellent stimmlich und darstellerisch Enkelejda Shkosa). Roman Burdenko beeindruckt als Michele, Tenor Joshua Guerrero ergänzt als Liebhaber Luigi ordentlich. Auch hier agiert das restliche Ensemble glänzend homogen. Grigorian führt weiter in überirdische Sphären, musikalisch und darstellerisch. Sie ist zu dieser Schwester Angelica geworden, eine Lichtgestalt innerhalb der beklemmenden Klostermauern, sie tröstet und heilt mit ihren Kräutern die Mitschwestern. Ihre Tante hat sie nach der Geburt ihres Kindes ins Kloster verbannt. Was mit dem Kind geschehen ist, erfährt sie erst, als diese Tante sie wegen der Regelung des Vermögens aufsucht. Karita Mattila zeigt diese Figur wie harte Politikerin. So könnte man sich eine Republikanerin im amerikanischen Kongress vorstellen, die Abtreibungsverbot und Waffen für alle durchsetzt. Unerbittlich, eiskalt, ein veritables Monster. Angelica erhofft sich Erlösung und die Vereinigung mit ihrem Kind im Jenseits. Grigorian diesen Abgang mit Hingabe und Präzision dar, zeigt die Zerrissenheit der Gläubigen und einer Frau, die vom Leben nichts mehr erhofft. Jede Geste, jede Mimik stimmt mit der Partitur überein. Stimmlich und darstellerisch lässt diese Sängerin keinen Wunsch offen. Das lässt sich auch von Franz Welser-Mösts Dirigat und den brillant musizierenden Wiener Philharmonikern berichten. Jede Nuance dieser diffizilen Partitur wird ausgeleuchtet, die Sängerin wird gleichsam auf diesen Klangteppich getragen.

13.August, live auf Arte Concert um 18.30 Uhr, um 22 Uhr live-zeitverstezt auf ORF 2

Leos Janaceksna "Káťa Kabanová"

Leos Janaceks "Káťa Kabanová" fügt sich thematisch an. Die Tragödie einer Außenseiterin, die an ihrer eigenen Schwäche und jener ihres Ehemanns scheitert und in den Tod flieht, zeigt Regisseur Barrie Kosky in der Felsenreitschule als beklemmende Geschichte einer konsequenten Ablehnung. Die geht von der Dorfgesellschaft aus. Fast über die gesamte breite Bühne stehen Figuren Schulter an Schulter mit dem Rücken zum Geschehen und zum Publikum. Dass die meisten von ihnen Puppen sind, wird erst im Laufe der Vorstellung klar. Auch die Figuren der Handlung treten daraus hervor, respektive verschwinden darin auf der sonst düsteren, leeren Bühne von Rufus Didwiszus, wenn ihre Szene zu Ende ist.

Nur Kata ist fast ständig zu sehen, läuft die Bühne entlang, hin und zurück, wie ein Panther, der aus der Enge seines Käfigs entkommen will. Sie will sich der Tyrannei ihrer Schwiegermutter unterwerfen, will ihrem Mann Tichon eine gute Frau sein, doch sie prallt an allen Menschen ab, buhlt um Zuneigung, gesteht sogar ihren Fehltritt mit Boris. Dann bleibt ihr nur noch der Tod in der Wolga.

Corinne Winter hatte bereits am Theater an der Wien an Piotr Beczałas Seite als Stanisław Moniuszkos Halka ihre Qualitäten als Singschauspielerin demonstriert. Als Kata aber spielt sie sich nur darstellerisch in die Titelpartie, denn ihr klarer Sopran fügt sich ins Ensemble, und das ist ausgezeichnet. Allen voran Evelyn Herlitzius als tyrannische Kabanicha, die sich alle unterwirft. Eine großartige Singschauspielerin mit Power. Das hebt Kosky hervor, wenn er ihr Duett mit Dikoj (sehr gut Jens Larsen) als Szene aus einem Film von Valie Export zeigt, in dem die Künstlerin ihren Kollegen Peter Weibel wie einen Hund an der Leine führt.

Jede einzelne Rolle ist famos besetzt: Jarmila Balážov (Varvara), Jaroslav Březina (Tichon), David Butt Philip (Boris) sollte man sich merken. Jakub Hrůša setzt am Pult der Wiener Philharmoniker auf eine ungewohnt trockene Lesart und ließ bei der Premiere die großen Emotionen vermissen, was sich jedoch noch ändern kann.

ORF2, 15. August um 23.05 Uhr, 3Sat, 20. August um 20.15 Uhr

Mozarts "Zauberflöte"

Lydia Steier bearbeitete ihre umstrittene Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte". Ob die Produktion dadurch besser geworden ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Auffallendster Unterschied: Sarastros Reich ist nicht mehr in einem Zirkus angesiedelt, sondern auf einer Art Endlostreppe, nach dem Muster von Escher. Sarastro ist der Vorsitzende eines Männerclubs, möglicherweise eine Anspielung auf die Deutung der "Zauberflöte" als Freimaurer-Oper. Die Rahmen aus der ersten Fassung ist geblieben. Ein Großvater (Roland Koch) erzählt seinen drei Enkeln die Geschichte. Die Familie lebt in einem altbürgerlichen Haus, das auch Schauplatz eines Horror-Films sein könnte. Diese Buben verwandeln sich in die drei Knaben, die Mutter wird zur Königin der Nacht, der Vater zu Sarastro. Soll alles sein. Aber dennoch gibt es einige Einwände: Die Drehbühne, die sich genau dann quietschend in Bewegung setzt, wenn man es am wenigsten braucht, nämlich zu Beginn von Paminas Arie, in der sie überlegt, sich das Leben zu nehmen. Dann das Gerede des Großvater, das nicht nur einmal die Musik stört.

Die Flut an Bildern: die schön anzusehenden, überdimensionalen Teddy-Bären und der Affe ausgenommen, regt vieles eher zum Wegsehen an. Etwa eine Torte, aus der die betagte Papagena (in dieser Szene von einem beleibten Darsteller verkörpert) entsteigt oder die Kriegsvideos während der Feuer-Wasserprobe. Warum aber lässt die Dirigentin das zu? Joanna Mallwitz setzt am Pult der Wiener Philharmoniker auf eine eigenwillige Tempoführung, was bei der Premiere schon beim berühmten Auftakt irritierte und das möglicherweise auch die Sänger, Mauro Peter wirkte bei der Premiere als Tamino stimmlich orientierungslos, was sich aber noch bessern kann. Tareq Nazmi würde eine markante, schwerere Stimme als Sarastro nicht schaden. Brenda Rae mag in der stummen Rolle der überforderten Mutter in der Rahmenhandlung überzeugen, keineswegs aber als Königin der Nacht. Peter Tansits muss sich als weißer, auch regiebedingt stimmlich entstellter Diener Monastos plagen.Regina Mühlemann als Pamina und Michael Nagl als Papageno ragen heraus. Diese beiden Stimmen lohnen gehört zu werden.

Ab 11. August Servus TV, Mediathek