So wird Oper sinnlich

Jan Lauwers setzte „L’Incoronazione di Poppea“ bei den Salzburger Festspielen als gigantisches (Tanz-)Spektakel in Szene.

von Salzburger Festspiele - So wird Oper sinnlich © Bild: Salzburger Festspiele/Maarten Vanden Abeele

Riskante Konstellationen können in der Oper Erstaunliches, Außergewöhnliches generieren wie Jan Lauwers mit Claudio Monteverdis „Krönung der Poppea“ zeigt. In der Direktion Matthias Hartmanns am Burgtheater hatte sich der holländische Regisseur als interessanter Theatermacher dem Wiener Publikum vorgestellt. Bei den Salzburger Festspielen wagte er sich erstmals ins Genre Oper. Das Unternehmen gelang. Mit seiner Tanztruppe „The Need Company“ und den Formationen Bodhi Project & Sead (Salzburg Experimental Academy of Dance) stellte er den Hof des despotischen, römischen Kaisers Nero nach, der seine Gattin Ottavia verbannt, um sie durch seine Geliebte Poppea zu ersetzen.

© Salzburger Festspiele/Maarten Vanden Abeele

Ständig rotieren Tänzer um die eigenen Achsen und stellen Paare, die umeinander buhlen, in oft lasziven Verrenkungen dar. Es wird geliebt und gemordet – und das ohne Unterlass. Ruhe gibt es keine auf der Bühne, aus der die Musiker von William Christies Ensembles Les Arts Florissants ragen und sich mit ihrem leisen, zarten Spiel auf alten Instrumenten dennoch durchsetzen.

Auch wenn es zuweilen schwerfällt, den sich ständig bewegenden Darstellern ohne Schwindelgefühle zuzusehen, kann man sich dem Geschehen nicht entziehen. Tableaus vivants, lebende Bilder schaffen Atmosphäre, verkörpern eindrucksvoll, worum es geht: um Lust und Ausschweifung. Einen Kontrapunkt setzt Lauwers mit der Selbstmordszene Senecas (ausgezeichnet Renato Dolcini), den er dezent von Scheinwerfern aus dem Hintergrund beleuchten lässt. Das ist von großer Poesie.

© Salzburger Festspiele/Marco Borrelli

In der Titelrolle überzeugt Sonya Yoncheva darstellerisch und stimmlich als sinnliche Poppea. Kate Lindsey zeigt den Nero als Despoten in goldenem Anzug und Stirnband, der sich aus der Flower-Power-Bewegung verirrt haben könnte. Mit ihrem trockenen Mezzosopran singt sie die Partie des Kaisers ganz ohne Vibrato und scheut vor Dissonanzen nicht zurück. In die Hosenrolle aber fügt sie sich nicht überzeugend, daher funktioniert das Zusammenspiel mit Yoncheva nur bedingt. Man wahrt Distanz, auch stimmlich beim Schlussduett. Stéphanie d’Oustrac (Ottavia), Ana Quintans (Tugend/Drusilla), Carlo Vistoli (Ottone) gefallen sehr.

Der Beifall war stärker als die Buhrufe. Zurecht, denn die Verschmelzung von Gesang und Tanz machte tiefes Erleben großer Sinnlichkeit möglich.