Populismus in der Antike

Ulrich Rasche inszenierte "Die Perser" von Aischylos als gigantisches Chorstück bei den Salzburger Festspielen.

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Salzburger Festspiele - Populismus in der Antike

Auf der Bühne des Salzburger Landestheaters schreibt man das Jahr 480 vor Christus: es ist Krieg. Der Perserkönig Xerxes ist in Griechenland eingefallen, er will die Niederlage seines Volks, seines Vater Dareios rächen, die ihm bei der Schlacht von Marathon widerfahren ist. Die Königsmutter Atossa ahnt Schreckliches. Das Szenario ist beklemmend, die antike Vergangenheit scheint bei Regisseur Ulrich Rasche von der Gegenwart gar nicht so weit entfernt. Der deutsche Regisseur, dessen Inszenierung von Schillers "Die Räuber" mit dem Nestroy-Preis ausgezeichnet wurde, soll die Direktion von Martin Kusej im Herbst 2019 eröffnen, wie News im Juni (Nr. 22/2018) berichtete.

Mit Aischyhlos’ "Persern" lässt er Kampf und Krieg als über die Zeitalter gültige Übel präsent werden. Die ständige Wiederkehr des ewig Gleichen, des ewig Schrecklichen stellt Rasche mit zwei gigantischen Drehbühnen dar. Eine ragt in den Zuschauerraum, die andere rotiert erhöht im Hintergrund des dunklen Bühnenraums, neigt sich in Steillage und senkt sich. Trommelrhythmus gibt den Takt an. Drei Darstellerinnen schreiten gleichmäßig zu den Schlägen. Das Geschehen entwickelt seine Kraft schon in den ersten Momenten.

Auf die Einleitung des Chors (ausgezeichnet Katja Bürke und Valery Tscheplanowa), erhebt Xerxes’ Mutter Atossa ihre Stimme. Trotz des engen Korsetts, das ihr das rhythmische Gleichmaß auferlegt, erzählt Patrycia Ziolkowska packend, eindringlich vom Albtraum dieser Königsmutter.

Wie ein Schatten wird das Konterfei des geschlagenen Perserkönigs vor die darüber rotierende Drehbühne projiziert. Xerxes’ Krieger marschieren auf. Die Darsteller sind angeseilt, um auf der Scheibe, die sich in steile Schräglagen neigt, nicht abzustürzen.

Wie der deutsche Regisseur diese Chöre organisiert und Atmosphäre erzeugt, ist überwältigend. Man wähnt sich in einer Schlacht. Das Prinzip erscheint nicht neu, erinnert stark an die großen Inszenierungen des legendären Einar Schleef, der mit Elfriede Jelineks "Sportstück" vor zwanzig Jahren an der „Burg“ überwältigte. Rasche beherrscht die Kunst, Chöre zu organisieren meisterhaft.

Keine Minute des etwas mehr als vier Stunden währenden Abends scheint zu lang. Nach der Pause wandelt sich Valery Tscheplanowa kongenial zum Geist des Dareios. Das sanfte Scheinwerferlicht, das die sonst dunkle Bühne erleuchtet, sorgt für Brechung. Rasche legt Xerxes’ (sehr gut Johannes Nussbaum) Verteidigungsrede nach der verlorenen Schlacht und dem Verlust der tapfersten Krieger, wie die Rede eines Politikers unserer Tage an, ohne den Rhythmus des Stücks zu brechen. So kann man antike Tragödie – mit höchster Präzision – in die Gegenwart holen.