"Es ist keine Sucht"

Sexualmedizinerin Elia Bragagna spricht mit NEWS über die Lust auf Sadomaso-Praktiken

von Sadomaso - "Es ist keine Sucht" © Bild: Corbis

NEWS: Wie groß schätzen Sie aus Ihrer Erfahrung die SM-Szene in Österreich?
Elia Bragagna: Ganz genau kann man das nicht sagen. Aber es gibt Expertenmeinungen, die von fünf bis zwanzig Prozent der Bevölkerung ausgehen. Das reicht natürlich von simplen Spielchen bis hin zu echter SM-Erotik.

NEWS: Und wie viele Leute haben SM-Fantasien?
Bragagna: Natürlich viel mehr. Wahrscheinlich jeder Zweite.

NEWS: Kann die SM-Neigung pathologisch werden?
Bragagna: Kaum. Eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigt, dass die große Mehrheit jener, die SM praktizieren, ganz normale Leute sind. So wie Sie und ich auch.

NEWS: Ähm, ich eher weniger …
Bragagna: Der einzige Unterschied zu sogenannten „Normalos“ ist vielleicht, das SMPraktikanten ein höheres Erregungsniveau brauchen, um sexuell stimuliert zu werden.

NEWS: Gilt das auch für Männer, die zu Dominas gehen?
Bragagna: Das sind Menschen, die vielleicht ein wenig Bindungsprobleme haben. Und solche, die sich nicht trauen, das Thema ins Privatleben einzubringen. Die suchen ihre Befriedigung dann bei einer „anonymen“ Dame.

NEWS: Kann SM eigentlich zur Sucht werden?
Bragagna: SM ist keine Sucht, sondern eine Präferenz. Nach dem Motto: Ich brauche das, damit ich den Kick bekomme. Sexuelle Vorlieben bedeuten noch lange nicht, dass man ständig die Dosis steigern muss. Ich kenne ein SM-Pärchen, das seit 40 Jahren zufrieden und glücklich lebt.

NEWS: Gibt es soziale oder berufliche Gruppen, die für SM besonders anfällig sind?
Bragagna: Es zeigt sich in den Studien, dass Menschen, die in ihrem Beruf hohe Verantwortung tragen und Macht ausüben, eher zu SM neigen. Die Unterwerfung scheint für sie eine Gegenenergie zur täglichen Last der Verantwortung zu sein.

NEWS: In welchem Alter beginnt der Hang zu SM-Praktiken?
Bragagna: Ich glaube, dass die Präferenz zu SM-Praktiken angelegt ist. Da ist es oft eine Frage von Schlüsselerlebnissen, ob und wie man diese Form der Sexualpraktik auslebt oder nicht.

NEWS: Passiert aber eher selten in den Jugendjahren.
Bragagna: Das möchte ich so nicht sagen. Das zeigt auch der spielerische Umgang mit dem Thema bei den Girlies, die einander zum Geburtstag Handschellen mit Plüsch schenken.

NEWS: Das Rollenspiel boomt?
Bragagna: Warum nicht. Sexuelle Fadesse kann in einer Beziehung früh genug eintreten.

Alles über die heimische SM-Szene lesen Sie im großen NEWS-Report (Heft Nr. 40 / 2011)!

Kommentare

Safe Sane Consensual - sicher, gesund, mit Verstand Ich spreche hier Grundsätze des BDSM an, würden sich viel mehr Menschen danach halten, so wäre die Häufigkeit sexueller Straftaten auf ein Minimum reduziert. Da man sich diesem Thema aber viel zu wenig widmete und die Schuld für sexuelle Straftaten auch voreilig in die Welt der BDSMler abtat ist jahrzehntelang Nichts gegen soche Straftäter, die viel zu oft der Kategorie "Stinos ("normale/gesunde Sexualität)" zuzuordnen waren, unternommen worden.

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