Rüstungsindustrie: Eine Headhunterin gibt Einblicke

"Manchmal suchen wir auch echte Freaks"

Eva Brückner ist Headhunterin für die Rüstungsindustrie. Früher war das schwierig: Wer will schon bei einem Panzerbauer arbeiten, wenn er auch einen Job bei BMW haben kann? Und heute? Einblicke in eine Szene, die lange verschlossen war.

von Ein Gewehr in Form eines Neonzeichens. © Bild: iStockphoto.com/Valerii Minhirov

Ein grauer Februartag, draußen fällt leiser Nieselregen auf die Theresienwiese, die mit einer Wiese ja eigentlich nicht so viel zu tun hat. Wenn hier das alljährliche Oktoberfest steigt, dann wehen die Gerüche von Bratäpfeln und Grillwürsten bis hoch in ihr Büro, sagt Eva Brückner. Von hier aus sucht die 45-Jährige für die Personalberatung Heinrich & Coll. nach neuen Talenten. Nicht für irgendeine Industrie: Ihre Kunden bauen Panzer, Kriegsschiffe, Sensoren für Waffensysteme. Und sie sind selbstbewusster geworden, seit wieder Krieg ist in Europa.

Frau Brückner, reden wir über Geld. Wird man in der Rüstungsindustrie eigentlich reich?
Nun ja, die zahlt wie jede andere Industrie, bei der viele Unternehmen im Metall- und Elektrotarif sind. Und oft wird dort nicht einmal so gut verdient wie in anderen Industriebranchen.

Das ist jetzt eher überraschend. Müssen die denn nicht noch etwas drauflegen, damit sie ihre Leute bekommen? Wir reden ja über eine Branche, die nicht den allerbesten Ruf hat ...
Nein, die locken nicht so sehr mit Geld.

Sondern?
Viele Ingenieure gehen zu solchen Unternehmen, weil sie sich von den Technologien dort angezogen fühlen. Lange Entwicklungsphasen, viel Zeit also. Für echte Technikfreaks ist das erstrebenswert. Dazu kommt, dass die gesamte Branche gerade auch noch ziemlich vom Krieg gepusht wird. Die Firma, für die man arbeiten kann, gewinnt gerade an Bedeutung.

Haben Sie heute mehr Jobs im Angebot als vor dem russischen Überfall auf die Ukraine?
Ja, das kann man so sagen. Und noch mehr hat sich verändert: Früher hatte man einfach vermieden, mit Kandidaten zu sprechen, die keinen echten Bezug zur Branche hatten. Der "Lockvogel", wenn Sie so wollen, war damals in erster Linie die neueste Technik ...

Eva Brückner ist Headhunterin für die Rüstungsindustrie
© Heinrich & Coll EVA BRÜCKNER sucht als Headhunterin Personal für die Rüstungsindustrie

Viele Kandidaten haben also nicht unbedingt Hurra gerufen, wenn Sie von Ihnen kontaktiert wurden ...
Vor dem Februar 2022 gab es sehr viele, die sagten: Ein Job in der Rüstungsindustrie kommt für mich absolut nicht in Frage. Es gab sogar Zeiten, da sagte ein gutes Drittel: So etwas mache ich nicht. Heute treffe ich kaum noch jemanden, der so etwas sagt. Zumindest hören sich die Leute erst einmal an, um was es genau geht.

War das ein allmählicher Wandel?
Haben Sie denn einen allmählichen Wandel erlebt? Der Krieg ging ja schlagartig los, und damit kam auch der Wandel von heute auf morgen. Aber mit dem Krieg hat sich auch das Image der Branche sehr verändert, und die nutzt das natürlich jetzt ganz gut für sich. Und so geht es vielen: Gerade für Menschen wie mich, die den Kalten Krieg noch nicht bewusst erlebt haben und sich immer supersicher gefühlt haben, ist dieser Krieg eine sehr einschneidende Sache.

Ist die Rüstungsindustrie also raus aus der Schmuddelecke?
Die Unternehmen arbeiten zumindest sehr daran, ihr Image zu drehen.

Spüren Sie dieses neue Selbstbewusstsein der Unternehmen?
Man spürt, dass sich die Branche nicht mehr verstecken will, so wie sie es jahrelang gemacht hat. Früher wollten die meisten unsichtbar sein, das ist definitiv vorbei. Die Rüstungsindustrie will jetzt gesehen und gehört werden. Einige müssen jetzt aber aufpassen, dass die Sache nicht kippt, dass die Sache nicht überstrapaziert wird. Zurückhaltung ist für die Branche nach wie vor gut.

Warum das?
Weil es um diskrete Aufträge geht und eine Reihe von Geheimhaltungsklauseln, die für die Mitarbeiter gelten. Es ist eine Branche für zurückhaltende Menschen.

Wie suchen und finden Sie da das geeignete Personal?
Wir bekommen einen Auftrag vom Kunden und haben eine Beschreibung dessen, was wir suchen sollen. Und wir haben Listen von Zielfirmen, bei denen wir vermuten, dass dort die passenden Leute arbeiten. Wir kontaktieren die dann am Arbeitsplatz.

Sie werben die direkt am Arbeitsplatz ab?
Ja, das ist klassisches Abwerben. Headhunting, wie man früher sagte. Bei Anlagenbauern, Maschinenbauern, aber vor allem auch in der Rüstungsindustrie selbst. Alle sind interessant, die im Projektgeschäft arbeiten. Wichtig ist hier, dass die Menschen Erfahrung haben mit unterschiedlichen Besonderheiten der Branche wie beispielsweise öffentlichen Auftraggebern, denn das ist ja noch mal eine ganz andere Sache.

Und woher wissen Sie, wer passt?
Wir sortieren vorher schon mal diejenigen aus, von denen wir annehmen, dass sie ein Problem mit der Branche haben.

»Wer bei Greenpeace arbeitet, kommt nicht in die Rüstungsindustrie«

Woran erkannt man das?
Sie können nicht in die Menschen reinschauen. Aber Sie können davon ausgehen: Wer bei Greenpeace arbeitet, kommt nicht in die Rüstungsindustrie. Und dann gibt es diejenigen, die auf der Kippe stehen. Die haben Erfahrungen, gerade im Anlagenbau, sind aber unentschieden, und denen muss man klarmachen, wie so ein Unternehmen tickt und was man dort erwarten kann.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel, wenn es um einen Job bei einem Sensorikunternehmen geht. Dann sagen Sie dem Bewerber, dass er dort keine Angriffswaffen baut.

Weil dort beispielsweise elektronische Systeme für Freund-Feind-Erkennung entwickelt werden.
Und Dinge wie Luftraumüberwachung. Aber es geht dort ja nicht um Waffen, mit denen man direkt jemanden töten kann.

Sie sagen den Kandidaten dann, dass es in dem Job nicht um Gewehre, Kampfpanzer und Granaten geht?
Ich unterscheide, und das mache ich den Kandidaten klar. Keine Kleinwaffen, keine Munition, stattdessen Sicherheit und Verteidigung. Aber klar, eine Radarerkennung kann natürlich dafür genutzt werden, den Feind zu erkennen - und ihn danach zu töten. Aber seit dem Krieg kann ich zumindest wieder erklären, was Verteidigung ist und warum Abschreckung wichtig ist.

Wie viele Bewerber schauen Sie sich an für eine Stelle?
Pro Stelle haben wir Kontakt zu 200 bis 300 Personen. Zurzeit betreue ich zehn Stellen, insgesamt geht es also um 2.000 bis 3.000 Personen.

Das klingt nach langen und schwierigen Auswahlverfahren.
Erst mal kommen ja eh nicht alle Bewerber infrage. Es gibt eine offizielle Staatenliste der Bundesregierung, da fallen bestimmte Herkunftsländer schon mal aus. Wir können niemanden aus Russland, aus China, Nordkorea oder dem Iran vermitteln. Nicht, weil wir allen Chinesen per se etwas Böses unterstellen würden. Die Idee dahinter ist eher: Der chinesische Staat könnte seinen Bürger zwingen, Geheimnisse preiszugeben. Was auch nicht geht: Ein deutscher Staatsbürger chinesischer Herkunft, dessen Eltern noch in China leben. Da ist das Erpressungs- und Druckpotenzial gegenüber der Familie zu hoch.

Bei allen anderen reicht ein polizeiliches Führungszeugnis?
Nicht unbedingt. In vielen Fällen führen die Unternehmen nach der Einstellung noch eine Sicherheitsüberprüfung durch. Da wird noch einmal genau nachgeschaut, vor allem bei den Experten, die in der Entwicklung arbeiten. So etwas finden Sie in anderen Branchen nicht in dieser Form.

Literaturtipps:

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Was verdient man denn als Personalberater, wenn man dann eine Führungskraft erfolgreich in die Industrie vermittelt hat?
30 Prozent vom Jahresgehalt des Kandidaten, die werden dann noch mal in drei Teile gesplittet. Der erste Teil bei Auftrag, der zweite bei Präsentationen der Kandidaten, der letzte Teil bei Vertragsunterschrift.

Und was verdienen die Bewerber, die Sie vermitteln?
Das geht von über 100.000 bis circa 300.000 Euro. Da hat man dann aber schon Verantwortung für 200 und mehr Mitarbeiter.

Wie viele der Leute, die Sie vermitteln, sind eigentlich Frauen?
So gut wie keine, wenn wir eine klassische Suche durchführen. In der Rüstungsindustrie gibt es immer noch sehr viele alte Herren-Netzwerke, die kennen sich oft schon aus der Bundeswehr oder auch aus früheren Jobs. Die Industrie hat es lange komplett verpasst, Frauen zu holen, und so kommen die Frauen auch gar nicht erst. Meistens läuft es auf ein null zu null hinaus: null Bewerbungen, null Vermittlung. Allerdings arbeiten wir mit einigen Unternehmen in Sonderprojekten daran, genau das zu ändern. Da sprechen wir dann mit vielen Frauen und haben natürlich auch schon einige an diese Kunden vermittelt.

Gibt es eine Stelle, auf die man sich aktuell gerade bei Ihnen bewerben sollte?
Ich suche im Moment einen Abteilungsleiter für künstliche Intelligenz.

Was sollte die oder der mitbringen?
Promotion, fünf bis zehn Jahre Berufserfahrung.

Sollte nicht so schwer sein, die finden Sie überall, oder?
Fast. Bei Airbus, Siemens, BMW, es gibt viele Unternehmen, wo solche KI-Experten arbeiten.

Wie machen Sie jemandem den Job schmackhaft, der bei BMW arbeitet?
Es ist eine Führungsposition, das ist attraktiv für Leute, die noch keine haben. Und dann müssen Sie bedenken: Die KI-Leute interessieren sich für alles rund um Big Data, neuronale Netze und solche Dinge. Für andere Jobs suchen wir auch manchmal echte Freaks, auch aus der Spieleindustrie.

Gaming ist aber etwas ganz anderes als Rüstung.
Ja, aber da arbeiten geniale Köpfe, super Leute, die oft aber auch sehr individualistisch unterwegs sind. Die in das Korsett der Rüstungsindustrie zu kriegen, ist nicht das Leichteste.

Warum sind ausgerechnet Spieleentwickler für einen Panzerbauer wichtig?
Spieleentwickler entwickeln oft komplette Simulationslandschaften. Das ist nicht so weit weg von den elektronischen Simulatoren in der Rüstungsbranche. Da steht irgendwo ein Haus in der Landschaft, und puff, dann ist es plötzlich weg. Nur eben: Bei den einen ist es nur ein Spiel.

»Bei sicherheitsrelevanten Projekten können sie nicht aus der eigenen Küche arbeiten«

Aber passen die Gamer denn zur Kultur der Rüstungsbranche?
Das ist gerade das Problem. Rüstungsunternehmen sind oft sehr traditionell. Die Leute aus der Spieleentwicklerszene arbeiten anders: Meistens im Homeoffice ohne Dokumentationen, ohne klare Prozesse. Das funktioniert in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie nicht, undenkbar. Das fängt schon mit dem Homeoffice an. Bei sicherheitsrelevanten Projekten können sie nicht so gut aus der eigenen Küche und über irgendeinen privaten Router arbeiten, zu gefährlich.

Und wenn Sie denen jetzt sagen, dass sie öfter mal ins Büro kommen sollten?
Dann lachen die Sie aus.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 10/2023 erschienen.