Das Kreuz mit dem Kreuz

Immer mehr Menschen leiden unter chronischen Rückenschmerzen. Diese betreffen auch immer mehr Jüngere. Was man wirklich dagegen unternehmen kann und welche Übungen helfen.

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Rücken-Tipps - Das Kreuz mit dem Kreuz

Etwa 1,8 Millionen Österreicher leiden unter chronischen Rückenbeschwerden. Das ergab die Gesundheitsbefragung der Statistik Austria schon vor einigen Jahren. Und die Zahl steigt. Männer (23 Prozent) und Frauen (26 Prozent) sind zunächst fast gleich oft davon betroffen, bei Menschen ab 75 Jahren klagten jede zweite Frau und jeder dritte Mann über Rückenschmerzen.

Einer der Gründe dafür ist, dass die Menschen immer älter werden und andere Ansprüche an ihre Körper hätten als früher, erklärt der Wiener Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Leiter des Wirbelsäulenzentrums Wien- Speising, Michael Ogon: "Heute gehen Menschen im fortgeschrittenen Alter ins Fitnessstudio und Joggen. Rückenschmerzen sind dabei hinderlich."

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"Richtig" sitzen

Welche Art von Beschwerden auftritt, hängt vom Alter ab: Treten Rückenprobleme bei Menschen ab 60 Jahren auf, handelt es sich meistens um spinale Stenosen, sagt Facharzt Ogon. "Das sind Verkalkungen der kleinen Wirbelgelenke, die den Wirbelkanal verengen und dadurch Schmerzen verursachen." Bei jüngeren Menschen sind es meist Bandscheibenprobleme. Lebensstil und genetische Veranlagung entscheiden darüber, wer Rückenprobleme bekommt. Ständiges Sitzen, ob zu Hause, auf dem Weg in die Arbeit oder im Büro, und mangelnde Bewegung sind ebenfalls Gründe für die Zunahme von Beschwerden - vor allem bei jungen Menschen. Eine "richtige" Sitzhaltung gebe es aber nicht, erklärt Ogon: "Früher glaubte man, dass man immer gerade sitzen muss, um Rückenschmerzen zu vermeiden. Das Schlechteste ist aber, immer in einer Position zu verharren."

Richtig sitzen, stehen, bücken, heben - Tipps für eine gesunde Haltung

Wer also viel sitzt, sollte versuchen, die Position öfter zu verändern und abwechselnd mit rundem, dann wieder mit geradem Rücken zu sitzen, und dazwischen mehrmals aufstehen. Leichte kreisende Bewegungen mit Kopf und Schultern sowie Kniebeugen zählen ebenfalls zu den Bewegungen, die jeder mehrmals täglich während längeren Sitzeinheiten machen sollte, um den Bewegungsapparat zu entlasten und dabei die Muskulatur zu kräftigen. "Kniebeugen stärken sowohl die Gesäß-als auch die Beinmuskulatur", weiß Christoph Thalhamer, Physiotherapeut aus Wien, "diese Muskulatur bildet die Basis für eine stabile Wirbelsäule."

80 Prozent der Rückenschmerzen bessern sich nach wenigen Tagen und sind nach spätestens sechs Wochen gänzlich verschwunden, sagt Chirurg Michael Ogon. Wenn die Schmerzen in Arme oder Beine ausstrahlen, sollte aber umgehend ein Arzt aufgesucht werden. Denn in diesen Fällen wird oftmals ein Nerv gedrückt.

Ein Gefühl, das die 25-jährige Bloggerin und Studentin Carina Dieringer kennt: Vor vier Jahren traten plötzliche Schmerzen und ein Kribbeln samt Taubheitsgefühl im linken Bein auf. Es dauerte lange, bis sie die Diagnose Bandscheibenvorfall empfing. Denn Schmerzen im Rücken hatte sie nie. Sie ging zu einem Allgemeinmediziner, der eine Entzündung im Knie diagnostizierte. Über Wochen hinweg bekam sie Spritzen, doch ihr Zustand besserte sich nicht.

Bandscheibenvorfall mit 21

Sie suchte mehrere Ärzte auf, jeder stellte unterschiedliche Diagnosen. Erst nach Monaten konnte ein Bandscheibenvorfall festgestellt werden. Ein Arzt verordnete Physiotherapie, doch die Besserung blieb aus. Die Schmerzen schränkten die Lebensqualität der damals 21-Jährigen stark ein. Einfache Tätigkeiten wie Schuhebinden wurden zur Herausforderung für die Studentin. "Ich konnte mich nur mehr auf diesen Schmerz konzentrieren. Ich habe ihn bei jedem Schritt gespürt und auch im Liegen." Man verabreichte ihr Infusionen und Infiltrationen, letztendlich aber wurde sie doch operiert.

Intensive Trainingsphasen im Fitnessstudio und eine gewisse Veranlagung dafür hätten ihr Rückenleiden begünstigt, vermutet Dieringer. "Ich hatte immer schon ein Hohlkreuz, und in meiner Familie sind Bandscheibenvorfälle aufgetreten. Aber dass ich in diesem Alter selbst einen erleiden würde, das war unvorstellbar."

Auch wenn sie in dieser Zeit auf die Unterstützung ihrer Familie und Freunde zählen konnte, fühlte sie sich mit ihrem Leiden oft allein: "Es ging nur mehr um den Schmerz, der mein Leben ein Jahr lang bestimmt hat. Manchmal bin ich mir vorgekommen wie eine alte Frau."

Keine Frage des Alters

Bandscheibenvorfälle bei jungen Menschen sind keine Seltenheit, weiß Michael Ogon. Im Gegenteil: Sie treten vor allem bei jüngeren Menschen ab 20 Jahren auf. Wird beim Bandscheibenvorfall auf einen Nerv gedrückt und treten Lähmungserscheinungen wie im Fall Dieringers auf, so gibt es Ogon zufolge zwei Möglichkeiten der Therapie: "Die konservative wie Infiltrationen mit Cortison und Schmerzmitteln oder eine Operation, wenn das nicht hilft."

Ein Bandscheibenvorfall ist für die Betroffenen mit großen Schmerzen und Einschränkung der Lebensqualität verbunden. Eine Garantie dafür, dass nie Probleme mit den Bandscheiben auftreten, gebe es nicht, so der Facharzt. "Es wird vermutet, dass Bandscheibenvorfälle auch teilweise genetisch bestimmt sind."

Auch absolute Prävention ist unmöglich, meint auch Thalhamer. "Aber man kann die Wahrscheinlichkeit, an einem Rückenleiden zu erkranken, senken." Bei Erkrankungen ohne gefährliche Pathologie sei es ratsam, sich einer Trainingstherapie zu unterziehen: Regelmäßig Sport zu betreiben, bei dem die Rumpfmuskulatur gekräftigt wird, kann vorbeugend wirken.

Thalhamer empfiehlt Betroffenen, auf Rücken spezialisierte Physiotherapeuten zu suchen und mit ihnen ein geeignetes Programm, bestehend aus einzelnen Rückenübungen, zu erarbeiten. "Schon mit einigen wenigen Übungen, die man ganz einfach täglich zu Hause machen kann, stärkt man die Rückenmuskulatur."

Im Alltag sollte darauf geachtet werden, welche Bewegungen man wie ausführt. In der Früh Sit-ups zu machen oder Schnee zu schaufeln, ist nicht sinnvoll. "Das sind sehr belastende Bewegungen und Drehungen der Wirbelsäule", sagt Thalhamer.

Außerdem ist richtiges Heben schwerer Lasten wichtig: aus der Hocke, mit aufrechtem Rücken, die Last nahe am Körper, das Gewicht auf beide Hände und Arme verteilt. Als Devise gilt: nichts heben, was man auch schieben kann.

Dieringer kann heute wieder uneingeschränkt gehen und sitzen. Empfindlich ist sie trotzdem: "Schwer tragen und heben kann ich nicht mehr. Das bereue ich sofort." Auch intensive Trainingseinheiten im Fitnessstudio sind tabu. "Stattdessen gehe ich jetzt schwimmen oder laufen." Ihre Genesung ist gut verlaufen, sie hätte sich aber mehr Aufmerksamkeit seitens der Ärzte gewünscht: "Mir wäre vieles erspart geblieben, wenn ich die Diagnose früher bekommen hätte. Die Schmerzen machen einen fertig", so die 25-Jährige.

Michael Ogon weiß, wie schwer es Betroffene oft haben: Nach der Behandlung eines Bandscheibenvorfalls sollen die Patienten deshalb so schnell wie möglich wieder ins Alltagsleben einsteigen. Und aktiv den Rücken stärken, damit die Schmerzen im allerbesten Fall nicht mehr wiederkommen.

1,8 Millionen Österreicher leiden unter chronischen Rückenbeschwerden, ergab eine Befragung der Statistik Austria bereits vor einigen Jahren

Tipp


Der Service "Spine Line" des Orthopädischen Spitals Speising bietet Betroffenen fachärztliche Hilfe am Telefon. Beratung von Montag bis Freitag, 9 bis 10 Uhr. Telefon: 01/801 82 34 56

1. Majrasana

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Vom Vierfüßlerstand aus die Handgelenke unter die Schultern und die Knie unter die Hüften bringen. Die Zeigefinger zeigen nach vorne. Die Hände fest in den Boden drücken, um in den Schultern nicht einzusinken. Oberarme nach außen drehen, Unterarme nach innen ziehen, einatmen und zur Decke schauen. Dabei den Bauch nach unten drücken und die Schultern zurückziehen.

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Ausatmen, Kinn zur Brust bringen und zum Bauchnabel schauen. Dabei darauf achten, dass der Rücken rund wird. "Diese Übung hält die Wirbelsäule und den Nacken beweglich und die Verdauung wird positiv beeinflusst", weiß Yoga-Expertin Sabine Utz vom Wiener Yogaloft.

2. Apanasana Movement

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Auf den Rücken legen, einatmen, den Oberkörper weg vom Boden heben, ein Knie mit beiden Händen zur Stirn führen. Der untere Rücken muss dabei flach am Boden aufliegen, der Bauch ist eingezogen.

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Ausatmen, Kopf, Oberkörper und Arme wieder am Boden ablegen. Bein strecken, die Ferse fest wegschieben und Bein in der Luft halten. Diese Übung abwechselnd zehnmal wiederholen: Sie dehnt den unteren Rücken und kräftigt die Bauchmuskulatur.

3. Merudandasana

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Auf den Rücken legen und das rechte Knie zur Brust ziehen.

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Mit der linken Hand das rechte Knie von außen nach links ziehen. Den Arm nach rechts strecken und zur rechten Hand schauen. Diese Position für sechs bis acht Atemzüge halten, Position auflösen und die Seite wechseln. "Diese Drehhaltung löst Verspannungen entlang der Wirbelsäule und eventuelle Blockaden zwischen den Wirbelkörpern", so Utz. Wichtig sei, dass diese Bewegungen ohne Gewalt ausgeführt werden.

4. Bhujangasana Movement

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

In der Bauchlage das Kinn auf den Boden und die Hände unter die Schultern legen. Die Beine schließen, anspannen und Zehen strecken. Einatmen, aufrichten und an die Decke schauen.

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Der Oberkörper darf dabei nur bis zum Bauchnabel aufgerichtet sein. Die Beine hüftbreit öffnen, fest am Boden verankern, angespannt halten. Ausatmen, den Oberkörper langsam absenken und Beine schließen. Diese Bewegung bis zu zehnmal wiederholen, um Rückenschmerzen vorzubeugen.

5. Ardha Makarasana

Yoka-Expertin Sabine Utz
© Lukas Ilger

Bauchlage, Ellenbogen aufstellen, mit den Händen ein V formen und das Kinn hineinlegen. Ellenbogen dabei in optimalem Abstand vom Oberkörper platzieren. Beine hüftbreit öffnen, Rückbeuge gleichmäßig auf die Wirbelsäule verteilen, Nacken lang halten und zehn Atemzüge nehmen. "So wird die Wirbelsäule angeregt, ihre natürliche Form wieder einzunehmen. Die Spinalnerven werden so von Druck entlastet", so Utz.