Hier wird der Prinz von
Hollywood gemacht

Anhand der Erzählungen von Harry und Meghan lassen sich unterschiedliche Bereiche ablesen, aus denen Sympathien abgeholt werden konnten: bei Frauen mit depressiven Erfahrungen, bei allen, die je mit ihrer Familie haderten, bei allen, die Rassismus erlebt haben. Das Ziel: Ein neues Image. Eine Basis für die Zukunft. Ob das Paar etwas gewinnen konnte?

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Royale-Analyse - Hier wird der Prinz von
Hollywood gemacht
Roman Braun, Doktor der Psychologie, NLP-Trainer und Weltmeister-Coach, analysiert für News das Interview

News hat das Interview mit dem Geschäftsführer von Trinergy International, Roman Braun, analysiert. Der Doktor der Psychologie, NLP-Mastertrainer und zertifizierte Lebens-und Sozialberater erkennt eine überraschende, grundlegende Botschaft in der Dramaturgie: "Hier wird ein amerikanischer Prinz gemacht." Allein der Ablauf des Gesprächs, dessen erste Hälfte Meghan allein bestritt, zeige dies, so Braun. "Harry kommt später dazu. Das hat symbolischen Charakter und bildet die Ankunft des Prinzen in den USA nach. Er wird damit medial eingebürgert."

Das Ziel der Botschaften

Es geht darum, Zuzügler Prinz Harry solide im amerikanischen Bewusstsein zu verankern und ihm gleichzeitig eine neue Identität zu verschaffen, sagt Braun. Er vergleicht den Vorgang mit klassischem Markenaufbau: "Hier passiert ein Branding. Harry wird als amerikanischer Prinz neu geboren. Das ergibt einen USP, ein Alleinstellungsmerkmal, von unschätzbar hohem Marktwert. Gelingt das, kann man alles verkaufen, auch ohne royales Monogramm."

Prinz Harry über seinen Vater Charles:

1. "Er nahm meine Anrufe nicht mehr an"

Das Interview. Harry erzählt von Gesprächen mit der Queen und Prinz Charles betreffend den Rücktritt von royalen Aufgaben. Dann brach Prinz Charles, so Harry, den Kontakt ab. "Er nahm meine Anrufe nicht mehr an und sagte: ,Bring das alles zu Papier.' Das war der Punkt, an dem ich die Dinge selbst in die Hand nahm. Das musste ich für meine Familie tun." Vom Vater habe er sich im Stich gelassen gefühlt, so Harry.

© Samir Hussein/WireImage/Getty Images

Die Familie habe ihn "von allen finanziellen Zahlungen abgeschnitten", stellt er klar: "Ich habe noch, was meine Mutter mir hinterlassen hat, sonst könnten wir dies alles nicht tun." Gleichzeitig äußert Harry viel Empathie mit Prinz Charles: Er beschreibt den Vater als "gefangen im System" und betont, dass auch Charles durch ähnliche schwere Zeiten ging und auch er "wisse, wie sich dieser Schmerz anfühlt".

Brauns Analyse. In dieser Facette des Dramadreiecks werden alle Zuseher mobilisiert, die Probleme mit den Eltern hatten, vielleicht auch den Kontakt abgebrochen haben. Ebenso wird hier Volksnähe geschaffen: Dass der Vater den Geldhahn zudreht und nicht mehr mit einem spricht, könnte auch der Kumpel beim Bier erzählen. Diese Schranke zu durchbrechen, ist Teil der Amerikanisierung, denn in den USA ist es wichtig, auch als Millionär jedem auf Augenhöhe zu begegnen.

Die empathischen Äußerungen über den Vater verhindern, dass Harry selbst in die Täter-Ecke rutscht. Er sagt verständnisvolle Sätze, die jeder Vater von seinem Sohn hören möchte, und besetzt so zur Opfer-Ecke auch die Retter-Ecke. So entgeht er -obwohl er den Vater beschuldigt -der Gefahr, ins Täter-Eck gestellt zu werden. Das ist gut gemacht, und ich halte es nicht für Zufall.

Meghan über ihre Beziehung zur Queen:

2. "Sie hat ihre Decke mit mir geteilt"

Das Interview. Meghan spricht bei Vorwürfen stets von "der Institution", die etwa psychologische Hilfe verweigert habe. Über die Queen äußert sie sich nur positiv: "Die Queen war immer wundervoll zu mir!" Sie beschreibt, wie beide gemeinsam zu einem Termin fuhren und die Queen in mütterlicher Manier die Decke auf ihren Knien mit Meghan teilte, um sie vor Kälte zu schützen.

© Jeff J Mitchell/Getty Images Stets fröhlich zeigte sich die Queen in Begleitung von Meghan früher

Brauns Analyse. Die Queen anzugreifen, würde den beiden niemand verzeihen, das wissen sie. Bei den anderen Familienmitgliedern ist die Beißhemmung schon deshalb geringer, weil auch sie im Lauf der Jahre wiederholt öffentlich kritisiert wurden. Nur die Queen steht schon lange außer Kritik und über allem. Es wirkt so, dass sich beide wiederholt um den Eindruck bemühen, ein gutes Verhältnis zur Queen zu haben. Die Geschichte mit der Decke wird sehr detailreich und bildhaft erzählt, so dass sie im Gedächtnis bleibt. Hier passiert eine psychologische Verzerrung, auch "Exception Bias" genannt, eine Ausnahmesituation wird zur allgemeinen erhoben. Es gab bestimmt viele Treffen, aber Meghan schildert ausführlich nur dieses. Damit denkt man nun stets an diese freundliche Begebenheit.

Prinz Harry Über Bruder William

3. "Wir gingen zusammen durch die Hölle"

Das Interview. Nur positive Worte findet Harry für seinen Bruder, Prinz William. "Ich liebe William von ganzem Herzen. Er ist mein Bruder. Wir sind zusammen durch die Hölle gegangen. Aber nun gehen wir verschiedene Wege", beschreibt Harry das Verhältnis.

Brauns Analyse. Es wirkt, als wolle er hier keine Gräben aufreißen. Stattdessen betont er die Gemeinsamkeit mit dem Mann, der einmal König wird. Diese Verbindung ist ihm wichtig. Ich erwarte mir auch, dass Harry den geplanten öffentlichen Auftritt mit William am 60. Geburtstag von Diana (Anm.: 1. Juli 2021) wahrnehmen wird. Es wäre eine gute Gelegenheit, seine neue Rolle als US-Prinz zu festigen, indem er sich klar vom Bruder abhebt: durch die Kleidung, durch eine emotionales Auftreten, vielleicht gibt er sich auch menschlicher, gefühlsbetonter als der Bruder. Das hätte große Wirkung.

Meghan über den Streit mit Kate:

4. "Es war genau umgekehrt"

Das Interview. Meghan stellt klar, dass in den Tagen vor ihrer Hochzeit mit Harry nicht sie Kate zum Weinen gebracht hatte - wie damals alle Zeitungen berichteten -, sondern umgekehrt. "Sie war nicht einverstanden mit einem Detail der Kleider der Blumenmädchen, und das hat meine Gefühle verletzt und mich zum Weinen gebracht. () Sie hat sich entschuldigt, und ich habe ihr vergeben", so Meghan. Die Ungerechtigkeit war ein Wendepunkt, sagt Meghan.

© Samir Hussein/WireImage/Getty Images Freundliche Miene beim Kirchgang: Kate und Meghan

Brauns Analyse. Bei diesem Thema gab es wenig zu gewinnen für Meghan. Motion is created by emotion, heißt es. Das bedeutet, dass man die Menschen bewegen kann, indem man Emotionen erzeugt. Hier hat Meghan nichts zu erzählen, das Gefühle erzeugen kann. Aus dieser Geschichte ergibt sich kein Dramadreieck. Kate hat sich entschuldigt. Ende. Meghan kann nur Fakten schildern, und das Thema bewegt beim Zuseher nichts. Deshalb sind das leere Meter für sie.

Meghan über Titelstreit und Rassimus

5. "Sie fragten, wie dunkel er wird"

Das Interview. Meghan erzählt, dass ihrem Sohn der Titel "Prinz" verweigert wurde. "Sie wollten nicht, dass er ein Prinz oder eine Prinzessin wird, und sie sagten, er bekommt auch keinen Personenschutz." Sie berichtet außerdem, dass ein Familienmitglied gefragt habe, wie dunkel die Hautfarbe des Kindes wohl sein könnte. Harry bestätigt dies, will jedoch geheimhalten, um wen es sich handelt. Die Queen und Prinz Philipp seien es jedenfalls nicht gewesen, so Harry. Das Thema wird lange besprochen und steht als schockierender Rassismus-Vorwurf im Raum.

© Pool/Samir Hussein/Getty Images Mama Meghan mit Sohn Archie. Über seine Hautfarbe gab es rassistische Spekulationen

Brauns Analyse. Beim Gespräch über Archies Titel signalisiert Meghans Körpersprache klar: "Lass mich in Ruhe mit dem Thema". Sie schließt lange beide Augen und gestikuliert mit der linken Hand, während sie sagt, dass es nur um die Sicherheit geht. Es ist ihr offenbar unangenehm, zuzugeben, dass ihr der Titel nicht egal ist.

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Dabei ist es genau das, was Menschen in der Evolution ausmacht: Wir wollen, dass unsere Kinder besser werden als wir. Im Gegensatz zu anderen Primaten, die zufrieden sind, wenn Kinder das Gleiche können wie die Eltern. Dadurch, dass sie danach Rassismus zum Thema machen, holen sie Unterstützung aus dem Bereich der "Black Lives Matter"-Bewegung. Dieses Thema erzeugt in den USA große Emotionen.

Meghan berichtet von ihren Suizidgedanken:

6. "Ich wollte nicht mehr leben"

Das Interview. Meghan schildert eindringlich, wie öffentliche Anfeindungen und fehlende Unterstützung sie zu Suizidgedanken trieben: "Ich wollte nicht mehr leben. Das war ein klarer, Angst machender und andauernder Gedanke. ( )

Ich sagte, dass ich Hilfe brauche und bekam als Antwort, das sei nicht gut für die Institution." Harry habe sie im Arm gehalten, schildern beide und beschreiben, wie sie unter dem unglaublichen Druck von Meghans Suizidgedanken am gleichen Abend einen Termin in der Royal Albert Hall wahrnehmen mussten.

© Paul Grover - WPA Pool/Getty Images Meghan im Jänner 2019 in der Royal Albert Hall, Stunden nach dem Suizid-Geständnis

Brauns Analyse. Die Schilderung von Suizidgedanken und verweigerter Hilfestellung erinnert unweigerlich an das Leiden von Prinzessin Diana. Harry erwähnt sie auch, sagt, er wolle nicht, dass sich die Geschichte wiederhole. Dadurch holt Meghan das Echo dieser schlimmen Vergangenheit ab, und es schwingt mit. In der Psychologie gibt es dafür den Begriff "Doppelbelichtung". Die Erzählung ist zwar emotional intensiv, erhält aber, gemessen daran, dass gesundheitlich alles gut ausgegangen ist, sehr viel Raum. Es werden viele Details erwähnt und dadurch beide stark als Opfer ausgeleuchtet.

Das Ziel der Harry-Meghan-Show

Es geht darum, Zuzügler Prinz Harry solide im amerikanischen Bewusstsein zu verankern und ihm gleichzeitig eine neue Identität zu verschaffen, sagt Braun. Er vergleicht den Vorgang mit klassischem Markenaufbau: "Hier passiert ein Branding. Harry wird als amerikanischer Prinz neu geboren. Das ergibt einen USP, ein Alleinstellungsmerkmal, von unschätzbar hohem Marktwert. Gelingt das, kann man alles verkaufen, auch ohne royales Monogramm."

Harrys Solo-Auftritt bei Late-Night-Talker James Corden eine Woche vor dem Oprah-Interview erhärtet Brauns These. Corden feierte Harrys Ankunft in den USA. Er kutschierte ihn im britischen Doppeldeckerbus durch Los Angeles. Zerrte ihn ins Haus aus der Serie "Der Prinz von Bel Air". Und schwitzte sich mit ihm durch einen Militär-Boot-Camp-Parcours.

Neues Image

"Es geht um die Dissoziierung vom britischen Königshaus und Harrys Adoption als neuer US-Bürger", erklärt Braun die Schaffung des neuen Images. In Gummistiefeln im Hühnerstall und als ungebetener Gast im fremden Filmserien-Haus war Harry so weit weg von einer Wahrnehmung als britischer Royal wie noch nie.

»Dieser Auftritt bei Oprah war eine perfekte Grundlage«

"Was auch immer die beiden wirtschaftlich noch vorhaben - dieser Auftritt bei Oprah war eine perfekte Grundlage", sagt Braun. Die Szenen im Hühnerstall beschreibt er dabei als besonders wichtig, da sie als Zwischenschnitte in Harrys Erzählung seinen überaus kontrollierten Auftritt auflockerten. Braun: "Sonst wäre er zu steif und unnahbar rübergekommen. Diese Szenen waren kein Zufall, sie wurden gegen seine verkrampfte, defensive Körperhaltung eingesetzt."

Ob das Paar etwas gewinnen konnte? Im Moment hat nur Oprah Winfrey gewonnen: sieben Millionen US-Dollar, die CBS an Winfreys Firma für die Ausstrahlungsrechte zahlte.