Rot-Pink präsentiert erste Eckpunkte

Die erste sozial-liberale Landeskoalition in Wien ist fertig verhandelt. SPÖ-Chef Bürgermeister Michael Ludwig und NEOS-Obmann Christoph Wiederkehr haben am Montag erste inhaltliche Einblicke in ihr Programm gegeben. Vorgenommen hat sich Rot-Pink u.a. ein Klimaschutzgesetz mit dem Ziel der CO2-Neutralität bis 2040, mehr Schulpsychologen und die Prüfmöglichkeit der Parteifinanzen durch den Stadtrechnungshof. Die Gremien müssen dem Pakt noch zustimmen.

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Ludwig sprach von einem "gemeinsamen Zukunfts- und Fortschrittsprogramm", Wiederkehr von einem "großen Wurf". Wer welche Ressorts besetzen wird, wurde bei der Pressekonferenz im Rathaus, bei der keine Journalistenfragen zugelassen waren, noch nicht verraten. Nur soviel: Wiederkehr wird einen der beiden Vizebürgermeisterposten bekommen. Dem Vernehmen nach soll er zudem Bildungsstadtrat werden.

Erste inhaltliche Eckpunkte

Die beiden Parteivorsitzenden konzentrierten sich bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt seit Beginn der Verhandlungen auf erste inhaltliche Eckpunkte. Im Bildungssektor soll der Ausbau der Ganztagsschulen und Bildungscampus-Standorte vorangetrieben werden. Die Zahl der Schulpsychologen wird erhöht, an jeder Wiener Pflichtschule wird außerdem eine zusätzliche Verwaltungskraft für Unterstützung sorgen. Wiederkehr sprach von einem "Wiener Bildungsversprechen". Im Kindergartenbereich streben die Koalitionspartner ein besseres Betreuungsverhältnis und die Erhöhung von 300 auf künftig 500 Sprachförderkräfte an.

Ein großer Fokus soll auch auf den Kampf gegen den Klimawandel gelegt werden. Mit einem Klimaschutzgesetz will Rot-Pink einen verbindlichen Pfad zur CO2-Neutralität bis 2040 festlegen. Wiederkehr stellte außerdem eine Vervierfachung des Radwegebudgets, neue Straßenbahnverbindungen in den Außenbezirken und mehr Begrünung in Aussicht. "Wir wollen Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander ausspielen, sondern allen Wienerinnen und Wienern Mobilität ermöglichen", versicherte der Bürgermeister wohl mit Reminiszenzen an die Grünen. Laut Unterlagen sollen außerdem die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich sowie der Anteil der Pkw-Pendler bis 2030 um die Hälfte reduziert werden.

Mehr Transparenz

Erste Eckpfeiler wurden auch in Sachen Transparenz genannt. So soll der Stadtrechnungshof künftig die Parteifinanzen prüfen dürfen. Laut Wiederkehr wird außerdem eine "Antikorruptionsstelle" samt Whistleblower-Plattform geschaffen. Und eine Idee für einen Sonderbeauftragten gibt es auch schon - nämlich für Informationsfreiheit. Geeinigt haben sich SPÖ und NEOS auf eine Reduktion der Wahlkampfobergrenze (zuletzt 7 Mio. Euro pro Partei, Anm.) um "zumindest um 1 Mio." zu reduzieren. Bei Verstößen sind Sanktionen angedacht.

Beide Parteichefs betonten darüber hinaus, dass es gerade wegen der Coronakrise wichtig sei, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. So sollen Klein- und Mittelbetriebe unterstützt und die "Joboffensive 50plus" weiter ausgebaut werden. Auch das Gesundheitssystem werde weiter gestärkt - etwa in Form von zusätzlichen Primärversorgungszentren. In Sachen Wohnbau sollen 1.500 neue Gemeindewohnungen in den nächsten Jahren dazukommen. "Wir werden uns außerdem die Vergabekriterien näher anschauen", meinte Ludwig.

Ludwig lobt neues Programm

Ludwig lobte das "fortschrittliche moderne Programm" für eine weltoffene Metropole, in der der soziale Zusammenhalt im Mittelpunkt stehe. "Sozial, mutig, menschlich, nachhaltig, modern", seien die Leitplanken. Er freue sich über die erste sozial-liberale Koalition Österreichs: "Ich bin sicher, das wird Nachahmer finden." Man habe die Verhandlungen auf Augenhöhe geführt und so wolle man auch die Regierungsarbeit handhaben, meinte der Bürgermeister: "Wir werden uns nicht wechselseitig blockieren."

Wiederkehr betonte, dass es der Rathausregierung nicht nur um die Krisenbewältigung gehe, sondern auch um "Visionen für die Zeit danach". Man baue auf Errungenschaften der Stadt auf und führe sie ambitioniert in die Zukunft.

Gremien müssen noch zustimmen

Ausständig war am Montag noch die Zustimmung der Parteigremien zum Pakt. Die SPÖ trommelt das Präsidium, den Erweiterten Vorstand und den Wiener Ausschuss bereits am heutigen Nachmittag zusammen. Danach, um 19.00 Uhr, wird Ludwig eine weitere Pressekonferenz geben und dem Vernehmen nach auch schon das Personalpaket präsentieren. Die NEOS haben für morgen, Dienstag, ihre Mitgliederversammlung anberaumt. Am Dienstagabend werden Ludwig und Wiederkehr der Öffentlichkeit dann weitere Details zum Koalitionspakt präsentieren und Medienvertretern auch für Fragen zur Verfügung stehen, wurde angekündigt.

Die neue Regierung wird am 24. November angelobt. An diesem Tag findet die konstituierende Sitzung des Gemeinderats statt.

FPÖ: "NEOS sind die Grünen 2.0"

Die rot-pinke Koalition in Wien erhält von ÖVP und FPÖ nicht unbedingt Vorschusslorbeeren. FPÖ-Chef Dominik Nepp sieht die SPÖ-NEOS-Regierung gar als Fortsetzung von Rot-Grün. "Die NEOS sind die Grünen 2.0. Doch dieses Update ist maximal eine Verschlimmbesserung", kommentierte er die ersten inhaltlichen Punkte des Pakts. Der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch meinte, die SPÖ habe sich "für den bequemsten Weg mit schwächstem Partner entschieden".

"Wer darauf hoffte, dass durch das Ausscheiden der Grünen aus der Wiener Landesregierung ein Kurswechsel hin zu einer pragmatischen und lösungsorientierten Stadtpolitik stattfindet, ist nun bitter enttäuscht", kritisierte Nepp "leere Phasen" und "fehlenden Mut". Autofahrer würden auch in Zukunft schikaniert und "der Österreicher wird auch unter Rot-Pink als Bürger zweiter Klasse behandelt", analysierte der Chef der Rathaus-Blauen, der der künftigen Stadtregierung einen "Österreicher-Pakt" nahelegte.

"Der Koalitionspartner wechselt, die Mutlosigkeit in der Stadtregierung bleibt", lautete Wölbitschs Urteil. Auch er meinte, dass es de facto weitergehe wie bisher - "ohne Reformen, ohne Mut und ohne Anspruch. Rot-Pink ist offensichtlich nicht mehr als Rot-Grün mit neuem Anstrich", befand der ressortlose ÖVP-Stadtrat. Eine pinke Handschrift sei nicht erkennbar, die NEOS hätten sich über den Tisch ziehen lassen.

Die ÖVP kann sich vorstellen, die Ankündigungen im Bildungs- und Umweltbereich bei näherer Kenntnis von Details zu unterstützen. Die Türkisen vermissen allerdings Dinge wie Tourismuszonen, eine Gebührenbremse oder die Abschaffung der U-Bahn-Steuer. Und es sei verabsäumt worden, im Integrationsbereich "gerade angesichts des abscheulichen Terrorakts im Herzen unserer Stadt" eine Kehrtwende einzuläuten.