Roswitha Wieland:
Die mit dem Petzner tanzt

"Dancing Stars"-Profi Roswitha Wieland ist die wandelnde Antithese zum Kasernendrill im Wiener Staatsopernballett: Obwohl auch sie die Härten des Geschäfts am eigenen Leib verspürte, versucht sie einem programmierten Nicht-Tänzer wie Stefan Petzner Lust auf Bewegung zu machen - ein Versuch, der sie psychologisch an ihre Grenzen führt

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Dancing Stars - Roswitha Wieland:
Die mit dem Petzner tanzt © Bild: Ricardo Herrgott/News

Roswitha Wielands virtueller Postkasten quillt derzeit über, und die 35-jährige Wienerin, von allen nur Rosi genannt, tut sich schwer, das Konvolut an gut und nicht ganz so gut gemeinten Ratschlägen aus dem Kopf zu kriegen. "Betrachten Sie das Ganze als Projekt, als Sache, und nicht zu persönlich", therapiert da etwa eine Psychologin unaufgefordert ins Netz. "Kannst du beim Petzner nicht einfach eine Blessur herbeiführen?", will wiederum ein trittfester Pragmatiker aus dem TV-Publikum wissen. Doch Wieland teilt nicht aus, weder körperlich noch verbal - Wieland fühlt mit und baut auf. Zum insgesamt siebenten Mal ist sie als Profitänzerin bei der ORF-Show "Dancing Stars" engagiert, und immer ist sie es, der man die Problem-Tanzbären zuteilt. Einen Otto Retzer, der weniger Talent als Haare besitzt, führte sie immerhin auf den fünften Platz; mit Springer Thomas Morgenstern hopste sie sensationell auf Platz zwei; sogar mit Gerald Pichowetz (Platz neun) wiegte sie sich annähernd synchron im Kaisermühlen-Blues.

Die Kofferträger-Trägerin

"Manchmal bin ich mehr Mentalcoach als Trainerin", sagt Wieland. Doch so schlimm wie heuer war es noch nie: Diesmal muss sie Stefan Petzner, Jörg Haiders Kofferträger a. D., übers Parkett hieven. Und das funktioniert, wenn es denn funktioniert, in etwa so: Die Rosi umtänzelt, umwirbelt, umschwirrt den linkischen Riesen mit unerschütterlichem Lächeln, und der Stefan petznert unfassbar ungelenk und unglaublich verbissen vor sich hin. Die Jury - allen voran Ballettballerina Karina Sarkissova - kondoliert Rosi und demoliert Stefan in Wochenintervallen. Doch das Publikum votet das ungleiche Paar immer weiter und weiter. Der Ordnung halber sei erwähnt: An die 300 Anrufe kommen stets von Rosis Vater, weitere 300 von Papa Petzner.

© ORF/Hans Leitner Rosi umtänzelt, umwirbelt, umschwirrt den linkischen Riesen - und Stefan petznert

Zehn Stunden am Stück trainiere er und das täglich, beteuert Petzner. Das ist natürlich hoffnungslos übertrieben, denn zehn Stunden, das ist jenes Tagespensum, das Wieland selbst stemmen musste - damals, als sie, wie sie selbst sagt, "durch die harte Schule" tanzen lernte und es so immerhin zur österreichischen Staatsmeisterin in den lateinamerikanischen Tänzen der Amateure und Vizestaatsmeisterin der Profis brachte. Und sich dabei etwas zu eigen machte, woran Petzner periodisch scheitert: nämlich die eigenen Gefühle in Geschmeidigkeit zu übersetzen.

»Alles, was ich will, ist, diesen verdammten Druck aus Stefans Kopf zu bekommen«

Für Wieland ist Tanzen wie "trancehaftes Schweben", eine Abfolge von Automatismen. Doch für Petzner, glaubt sie, ist Tanzen "ein Kampf":"Alles, was ich wirklich möchte, ist, diesen verdammten Druck aus seinem Kopf zu bekommen", sagt sie.

Der Ballroom, das ist für den einstigen Spin Doctor in etwa dasselbe wie früher der War Room. So wie er, nur mit dem Jörg, gegen den Rest der Welt kämpfte, so versucht er es heute nur mit der Rosi. Mit dem einzigen Unterschied, dass er diesen Rest der Welt früher "Altparteien" nannte und heute "Jury". Doch genau das versucht die Rosi dem Stefan auszureden - und da sie draußen im Echt-Leben soeben ihre Dance Academy gründete, in der sie oft und gerne mit Kindern arbeitet, fehlt es ihr nicht am didaktischen Rüstzeug: "Ich arbeite mit ihm an einem kindlich-unbeschwerteren Zugang, das Tanzen sollte in erster Linie Spaß machen. Es sollte dabei nicht um Leben und Tod gehen."

Tödlicher Ernst des Tanzens

Wohin es führen kann, wenn der Spaß in einer Unterhaltungsshow plötzlich zu bleiernem Ernst gefriert, hat sie selbst bereits miterlebt - vor zehn Jahren, als sie als Profitänzerin in der türkischen Version von "Dancing Stars" mitwirkte: Eine der prominenten Teilnehmerinnen gelangte nach ihrem Ausscheiden sturzbetrunken und mit einem Messer in der Hand in die Wohngemeinschaft der Tänzer. Die Frau konnte noch mit vereinten Kräften hinauskomplimentiert werden, doch drei Tage später nahm sie sich aus Verzweiflung über ihre Abwahl das Leben.

Diese Erfahrung hat Roswitha Wieland geprägt. Und auch die Erlebnisse ihrer eigenen Tanzkarriere, denen sie sich, wie sie beteuert, stets freiwillig aussetzte. Fünf Uhr bis halb acht Uhr morgens Training, dann Schule und Hausaufgaben, dann wieder Training, so muss man sich Wielands Teenagerzeit vorstellen. Doch obwohl die Eltern es selbst zu Staatsmeisterehren gebracht hatten, bestanden sie darauf, dass die Tochter "was Anständiges" lernt. Und so absolvierte sie nach der Vorzugsmatura ihr Wirtschaftsstudium in Mindestzeit. "Damit ich mich endlich wieder auf das konzentrieren konnte, was mir wirklich wichtig war, nämlich das Tanzen", sagt sie.

© ORF/Hans Leitner

Die ehemalige Ballettelevin hat bereits mit elf Jahren mit dem Turniersport begonnen und sich - da im Land der großen Söhne die meisten eher wie Stefan Petzner schunkeln - auf der Suche nach geeigneten Tanzpartnern auf sehr weite Reisen begeben: Ein Jahr etwa verbrachte sie im finnischen Oulu, das zwar am Bottnischen Meerbusen liegt, aber laut Wieland sonst ein "eher freudloses Kaff" ist.

Verlust der Lust

Dann zog es sie nach New York, wo sie eine Tanzschule auf der Fifth Avenue managte. Doch während sie in Erwartung ihres langfristigen Arbeitsvisums zwei Monate in Österreich ausharrte, verlor der amerikanische Partner die Lust - und Wieland musste am halbhohen Absatz kehrtmachen. Zuvor hatte sie sechs Jahre einen ukrainischen Mittänzer, der eigens nach Österreich übersiedelte und für den Wielands Mutter bürgen musste. Er war, als er kam, gerade einmal 19 und hatte daheim dennoch bereits eine eifersüchtige Ehefrau. Deshalb übersiedelte Wieland fürs Sommertraining nach Odessa: mehrere Wochen Schinderei in einer alten Kaserne, auf durchgelatschten Tanzböden, zwischen Soldaten in der Grundausbildung.

All das erzählt Roswitha Wieland ihrem "Star" Stefan Petzner, wenn der die Kraft der Bewegung wieder einmal mit einem einsamen Kampf verwechselt. "Ohne Spaß kein Finale, ohne Finale kein Spaß."

Der Artikel ist in der Printausgabe News 16/2019 erschienen.