Rendi-Wagners Zitterwahl

Mit der Kärntner Landtagswahl könnten weit größere Konsequenzen einhergehen als mit der niederösterreichischen. Sie ist vor allem auch für die Zukunft der SPÖ relevant.

von Politische Analyse - Rendi-Wagners Zitterwahl © Bild: Privat

Analyse

Was soll bei der niederösterreichischen Landtagswahl am 29. Jänner schon herauskommen? Natürlich: Überraschungen gibt es immer. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die ÖVP von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner klar vorne bleibt. 2018, beim letzten Urnengang, erreichte sie mit 49,6 Prozent einen mehr als doppelt so großen Stimmenanteil wie die nächstfolgende Partei, die SPÖ (23,9). Umfragen sehen sie nun unter 40 Prozent. Sie sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Und selbst wenn sie zutreffend wären, würde die blau-gelbe "Niederösterreichpartei" Mikl-Leitners nicht nur im Land bestimmend bleiben, sondern weiterhin auch die bedeutendste Landesorganisation der ÖVP sein. Daneben werden etwa Freiheitliche aufgrund eines Proporzprinzips im St. Pöltner Regierungsviertel wohl weiterhin mitreden dürfen, aus diesem aber kaum eine blaue Hochburg machen können. Das ist ihnen selbst in ihren besten Zeiten nicht annähernd gelungen.

In Kärnten, wo Anfang März gewählt wird, ist einiges anders. Unterm Strich könnte diese Landtagswahl bundesweit ungleich größere Wellen schlagen als die niederösterreichische. Bei der Bundespräsidenten-Wahl hat sich gerade wieder gezeigt, dass hier für Kandidaten rechts der Mitte sehr viel zu holen ist: Erreichten Walter Rosenkranz (FPÖ), Tassilo Wallentin und Gerald Grosz vom Boden-bis zum Neusiedlersee insgesamt 31,4 Prozent, so schafften sie in Kärnten um fast ein Drittel mehr (41,5 Prozent).

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ist gewarnt. Wie Mikl-Leitner wird ihm das Amt und seiner Partei Platz eins kaum zu nehmen sein. Die 47,9 Prozent vom Urnengang 2018 zu halten, wird jedoch schwer. Zumal eine Asyldebatte aufgekommen ist, wie sie sich insbesondere Freiheitliche nur wünschen können.

Auf Kaiser kommt es an

Für die gesamte SPÖ und vor allem Pamela Rendi-Wagner an der Bundesparteispitze wird das Abschneiden der Genossen im Süden geradezu zukunftsentscheidend: Können sich diese mit Kaiser behaupten, ist alles gut. Verlieren sie aber nur wenige Prozentpunkte, ist der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil künftig der einzige Sozialdemokrat, der auf Länderebene an die 50 Prozent hält. Es würde ihn stärken, er könnte sich erst recht als Spitzenkandidat für Nationalratswahlen empfehlen und behaupten, dass nur er wisse, wie es geht. Ihn zu widerlegen, wäre unmöglich: Niemand aus der Partei hat ein entsprechendes Wahlergebnis vorzuweisen.

Peter Kaiser weiß, was auf dem Spiel steht. Inhaltlich hat er den Umständen längst Rechnung getragen und etwa schon im Herbst wieder begonnen, Asyl zu thematisieren, ein Sozialjahr für Antragsteller zu fordern und für den Falle des Falles auch konsequente Abschiebungen. Rendi- Wagner und andere in der Partei, die Doskozil ablehnen, können nur hoffen, dass es reicht.

ZAHL

Teure Ländermacht

Der Bund hebt Steuern nicht nur für sich selbst, sondern auch für Länder und Gemeinden ein. Er ist verpflichtet, ihnen einen fixen Anteil zu überweisen. Bisher ist Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) davon ausgegangen, dass die Summe, die an die Länder geht, von 18,66 Milliarden Euro heuer auf 22,76 Milliarden Euro in vier Jahren steigen wird. Doch das reicht ihnen nicht. Sie wollen mehr und begründen das mit einer "starken Kostendynamik" bei Kinderbetreuung und Pflege. Für die Steuerzahler könnte das teuer werden: Zum Auftakt der Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich, in dem die Aufteilung geregelt wird, dürfen die Länder davon ausgehen, sich durchzusetzen.

Bund hat selbst zu wenig

Schon jetzt werden sie nicht einmal damit konfrontiert, dass der Bund seit der Coronakrise ein Hilfspaket nach dem anderen schnürt und so vorerst verhindert, dass zehntausende Menschen verarmen. Damit hat er auch den Ländern einiges erspart. Abgesehen davon ist der Bund selbst mit der wohl stärksten Kostendynamik überhaupt konfrontiert: Die Ausgaben für Pensionen werden bis 2026 um rund 50 Prozent auf knapp 33 Milliarden Euro explodieren. Sprich: Überweist er den Ländern künftig auch noch einen größeren Teil der Steuereinnahmen, läuft es auf höhere Schulden und früher oder später auch schmerzliche Sparpakete hinaus.

Diese Entwicklung ist doppelt vorgezeichnet: Insbesondere mit Blick auf die kommende Landtagswahl in Niederösterreich kann sich Brunner schwer Wünschen seiner Parteikollegin, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, widersetzen. Sie ist die mächtigste Frau der ÖVP. Außerdem: Für die Volkspartei ist offen, ob sie den Finanzminister auch nach der nächsten Nationalratswahl noch stellen wird. Daher ist es nahelegend für sie, jetzt im Rahmen eines länger geltenden Finanzausgleichs möglichst viel für die sechs Länder herauszuholen, die sie führt.

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BERICHT

Van der Bellen steht an

Am 20. Oktober ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen der Geduldsfaden gerissen: Nachdem die Aussagen von Thomas Schmid, des Ex-Vertrauten von Sebastian Kurz (ÖVP), vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bekannt geworden waren, forderte er eine "Generalsanierung" der Demokratie. Nachsatz: "Und selbstverständlich ist es meine Pflicht, sicherzustellen, dass das auch passiert."

Der Bundespräsident erklärte Korruptionsbekämpfung zur Chefsache. Allein: Er kann der Regierung, die liefern müsste, nichts anschaffen. Schlimmer für ihn: Sie zeigt keine Bereitschaft, ernst zu machen. Wenn sie etwas angeht, dann halbherzig. Zu den jüngsten Plänen zu Inseraten stellt der Salzburger Kommunikationswissenschafter Josef Trappel etwa fest, dass es nicht reiche, die Transparenz zu erhöhen. Nötig wäre es, freihändige Vergaben zu begrenzen. Sonst werde das Korruptionsrisiko nicht verkleinert.

Autorität steht auf dem Spiel

Gar als Akt der Provokation empfinden muss der Bundespräsident, dass Nehammer mit Gerald Fleischmann einen langjährigen Mitstreiter von Kurz zum Kommunikationschef der ÖVP gemacht hat, der von der WKStA ebenfalls belastet wird. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber: Es ist kein Signal für einen sauberen Neubeginn.

Das Problem von Van der Bellen ist, dass ihm niemand zutraut, zum Äußersten zu schreiten und die Regierung zu entlassen. Das vermittelt Teilen von ihr, dass sie ihn ignorieren und wie einen "Grüßaugust" behandeln kann. Die Folge: Seine Autorität steht auf dem Spiel.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at