Die Zukunft des Reisens

Tourismusforscher Jürgen Schmude darüber, wie sich Urlaub ändern wird und was Italien diesen Sommer richtig gemacht hat.

von Tourismus - Die Zukunft des Reisens © Bild: iStockphoto.com

Es war ein Sommer wie keiner davor: Reisewarnungen, Coronamaßnahmen und die Aufforderung zahlreicher Regierungen, im eigenen Land zu urlauben. Ein Aufruf, dem viele Menschen folgten. Die Buchungen in Österreich sanken zwischen Mai und August um ein Drittel. Jene ausländischer Touristen verringerten sich in diesem Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr sogar um 43 Prozent. Auch die Zahl der Flugpassagiere auf Österreichs Flughäfen nahm im Juli und August um rund 80 Prozent ab -und bescherte den Flughäfen und Airlines den schwächsten Sommer seit 30 Jahren.

"Die Aufforderungen, im eigenen Land zu bleiben, haben sich natürlich negativ auf Österreich ausgewirkt", erklärt Jürgen Schmude, Professor für Wirtschaftsgeografie und Tourismusforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Denn es blieben viele Gäste unter anderem aus Deutschland aus.

Vorzeigeland ltalien

Schmude ist aber ohnehin der Meinung, alle hätten besser dem Beispiel Italiens folgen sollen: "Das Land wurde von der ersten Welle schwer gebeutelt. Der Großteil der Italiener verzichtete daher heuer ganz darauf, zu verreisen, und verbrachte den Urlaub zu Hause. Das hat nun zur Folge, dass die Fallzahlen in Italien überschaubar sind. Meine persönliche Meinung ist: Hätte die Politik nicht zum Urlaub im eigenen Land aufgefordert, dann wären die Folgen nun nicht so krass."

© Shutterstock.com Vor der Coronakrise strömten Touristenmassen nach Venedig. Doch seit der Pandemie bleiben die Gäste in den Städten aus

Zwar sei der Tourismus nicht alleine für die neuerliche Zunahme an Infektionen verantwortlich, aber Mobilität ist ein wesentlicher Faktor für die Verbreitung des Virus, analysiert Schmude.

Eines steht für den Tourismusforscher jedenfalls fest: "Es wird sich mittelfristig einiges ändern. Der Post-Corona-Tourismus wird nicht derselbe sein wie jener, den wir bisher gekannt haben." Je länger die Krise dauert, umso nachhaltiger und gravierender die Veränderung. Am stärksten betroffen sein werden Geschäftsreisen, Kreuzfahrten und Städtereisen. Die Firmen erkennen, dass viele Reisen kostengünstig durch Onlinemeetings ersetzt werden können. Städtereisen wiederum nehmen ab, da "Menschenansammlungen von den Verbrauchern möglichst vermieden werden". Städte gelten für viele Reisende als Risikogebiete.

»Der Post-Corona-Tourismus wird nicht derselbe sein, wie jener, den wir gekannt haben«

Auch Kreuzfahrten stehe nach Jahren des Booms eine Neuausrichtung bevor. "Es gibt einen harten Kern von Kreuzfahrern, die immer und immer wieder auf ein Schiff gehen werden. Allerdings ist es für Reedereien schwierig, Neukunden zu gewinnen", so Schmude. Der Trend gehe daher wieder weg vom "Gigantismus der letzten Jahre", in denen immer noch größere Schiffe gebaut wurden. Die Zukunft gehört kleineren Booten mit wenigen Passagieren.

Kurz- und Mittelstrecke

Bis die Menschen wieder Fernreisen unternehmen wollen, wird es laut Schmude noch sehr lange dauern. "Wir haben jetzt die Erfahrung gemacht, dass es im Krisenfall schwierig werden kann, wieder zurückzukommen." Die Urlaube werden sich daher hauptsächlich in Ländern abspielen, die auf der Kurz-und Mittelstrecke liegen. Regionen müssten sich daher neu organisieren und einen neuen Markt erschließen. So wird der innereuropäische Tourismus wichtiger beziehungsweise in Asien der innerasiatische.

© Getty Images Es werde noch lange dauern, bis die Nachfrage nach Fernreisen wieder steigen wird, ist Tourismusforscher Schmude überzeugt

Dass Menschen künftig ganz von Reisen absehen wollen, ist für Schmude nicht vorstellbar: "Das, was früher das Auto war, ist heute das Reisen. Es gehört dazu, wir sparen darauf hin und wollen nicht darauf verzichten." Derzeit eine Reise zu unternehmen, ist für den Forscher nicht egoistisch, vorausgesetzt, man passt sein Verhalten an, achtet also auf Händehygiene und Abstand und trägt einen Mund-Nasen-Schutz.

Doch ergeben sich durch diese Krise auch Chancen für den Tourismus?"Auf jeden Fall", ist Schmude optimistisch. Schließlich sei vor allem der Massentourismus schon vor Corona heftig diskutiert worden. Es gab etwa Flugscham und Klimabewegungen. "Alles, was jetzt in Richtung Nachhaltigkeit geht, könnte davon profitieren." Durch die Krise sei den Menschen außerdem klar geworden, was Reisefreiheit bedeutet. "Vor Corona flogen viele von uns, ohne groß darüber nachzudenken, für wenig Geld ein Wochenende nach Barcelona." Das werde sich ändern. Einerseits weil Reisen mittelfristig teurer wird. Anderseits ist Schmude überzeugt, dass das Bewusstsein fürs Reisen in der Bevölkerung wieder steigt.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News 40/2020.