Iran: Eine Reise
wie aus "1001 Nacht"

Auf einer Reise durch den Iran zeigt sich das sonst so verschlossene Land offen wie nie. Paläste und Pilgerstätten begeistern ebenso wie Orte antiker Hochkultur, fantastisches Essen und neugierige Bewohner.

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Persiens Perlen - Iran: Eine Reise
wie aus "1001 Nacht"

Vergiss einfach alles, was du glaubst, über den Iran zu wissen. Der Rat kam von einer Exil-Iranerin in Wien. Auf der Stadtautobahn von Teheran findet er erstmals Anwendung: Stau trotz acht Spuren. Immer näher rücken die über 5.000 Meter hohen Gipfel des schneebedeckten Elburs-Gebirges. Und immer weiter nach hinten die Kopftücher der Frauen in den Autos rechts und links von uns. Der Norden der Zwölf-Millionen-Metropole ist kühl, reich und locker. Und doch ist es der Ort, der alles veränderte. Vor dem einstigen Sommerpalast des Schahs stehen nur noch überlebensgroße Reiterstiefel aus Stein, vor denen Familien nun für Fotos posieren. Seine eigenen beim Betreten einer Moschee auszuziehen, verweigerte Reza Pahlavi einst. Zuvor wollte der Schah schon das Kopftuch abschaffen, was empörte Frauen in Massen auf die Straßen trieb. "Ihr gehorcht mir nicht, also gehorche ich euch auch nicht", sagte der Herrscher und schritt in Stiefeln ins Gotteshaus.

Einmal Schah schauen

Das und die Prunksucht der Pahlavis besiegelten deren Schicksal. 1979 kamen Khomeini, die Islamische Revolution, der Gottesstaat. Seither stehen die Paläste der Dynastie dem Volk offen. Wer mag, kann dort beurteilen, wie königlich sich Farah Diba, die Klatsch-Ikone der 70er-Jahre, wirklich bettete. Und das dann dem Glitzerfaktor des Golestanpalasts gegenüberstellen, der im Jahrhundert zuvor Heimat der Herrscher über den Pfauenthron war.

Teheran funkelt und glänzt, staut und stößt ab, pulsiert und begeistert zugleich. Der Basar ist der größte der Welt, ein zehn Kilometer langes Geflecht aus Gassen und Gängen mit 30.000 Händlern und drei Millionen Besuchern am Tag. Zwischen den Hochhäusern der Stadt tauchen immer wieder die türkisen Kuppeln der Moscheen auf, meist mit zwei Minaretten, die sich wie Hände flehend gegen den Himmel recken. Die Gläubigen darunter führen Fremde gern hinein in die heiligen Stätten des Schiitentums. Auch um bald zu betonen, dass man nicht den Fehler begehen möge, Iraner mit Arabern gleichzusetzen. Denn von diesen trenne sie nicht nur die Ausformung des Islam, sondern auch Sprache, Bräuche und Kultur. Überhaupt ist Iranern ihr Bild in der Welt wichtig. Sie ahnen, dass die Bushs und Trumps dieses Planeten wenig Gutes für die Wahrnehmung des Landes getan haben. Und so setzt ein ganzes Volk alles daran, zumindest Besucher auf die Achse des Guten zu führen und empfängt sie besonders zuvorkommend, gastfreundlich und herzlich. Sie sollen die Wirklichkeit hinter dem strengen Schein sehen. Denn, wer auf Trump wartet, wird den Iran nie zu Gesicht bekommen.

Isfahan, die Hälfte der Welt

Was unweigerlich zum Vergleich mit persischen Gärten führt. Diese liegen auch verborgen hinter hohen Mauern. Wer sie überwindet, dem öffnet sich ein Reigen aus duftendem Jasmin, im Spalier stehenden, Schatten spendenden Bäumen und kühlem Wasser, das raffiniert jede Ecke erreicht. "Dessen Plätschern ist für uns wie der Klang des Paradieses", sagen die Iraner, deren Land zur Hälfte aus Wüste besteht.

Wer Teheran verlässt, sieht diese bald und ist doch überrascht, wie viel Grün dazwischen bleibt. In eine Oase eingebettet, gleitet die Stadt Kaschan vorbei. Deren Abertausende Rosen duften nicht nur herrlich, sondern bilden auch die Grundlage für begehrtes Wasser.

© Christoph Lehermayr Die Relikte des antiken Persepolis bilden eine gigantische Anlage. Das Tor aller Länder (Bild) ließ Perserkönig Darius der Große als Zeichen seiner Toleranz errichten

Die Straßen sind gut, das Benzin ist mit 20 Cent pro Liter billig und der Verkehr hinter der Hauptstadt weniger dicht, sodass bald Persiens Perle erreicht ist: Isfahan. Was nach "Tausendundeine Nacht" klingt, setzt Träume vom Orient frei, welche die Realität einlöst. Die Hälfte der Welt, das sei die Stadt, hieß es unter Schah Abbas I., der sie Ende des 16. Jahrhunderts zur Hauptstadt machte. Und sich selbst einen Platz schaffen ließ, der einem Gemälde gleicht. Einen halben Kilometer lang, von doppelstöckigen Arkaden eingefasst, ist alles da, was staunen lässt. Ein kaiserlicher Palast, ein prächtiger Basar mit Teehäusern, Karawansereien und Geschäften sowie zwei Moscheen, deren Architekten um die Gunst des Herrschers ritterten.

Abbas, das Schlitzohr, ließ die eine für die Damen direkt gegenüber seines Palasts errichten, sodass sein Blick zugleich auf seine Gespielinnen und das Heiligtum fiel. "Abbild der Welt", hieß der Platz ganz ­unbescheiden und nicht ganz zu Unrecht.

© Shutterstock Aus der Dynastie der Safawiden im 17. Jahrhundert sind in Isfahan prächtige zweistöckige Brücken erhalten geblieben

In Zarathustras Feuer

Wirklich heiß wird es in Yazd, der nächsten Station. Nicht nur, da die Stadt in der Wüste liegt, sondern auch weil sie das Zentrum der Zoroastrier ist. In den ewigen Flammen ihrer bis heute bestehenden Feuertempel sehen sie ein Symbol der Reinheit als Zeichen Gottes. Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten, lautete der Grundsatz des Zarathustra, dem spätestens Friedrich Nietzsche Weltgeltung verschaffte. Der Schutz vor der Hitze bleibt auch sonst im mehrere Tausend Jahre alten Yazd Thema. Wie an etlichen anderen Stationen der Reise heißt es auch hier: Achtung, Weltkulturerbe. Verwinkelte Gässchen führen vorbei an den aus sonnengetrockneten Lehmziegeln erbauten Häusern. Dazwischen schimmern Kuppeln, Minarette und Windtürme durch. Deren Schlitze fangen jede noch so kleine Brise ein und leiten sie als kühlende Luft direkt in die Wohnstuben und Zisternen. Eine antike Klimaanlage.

Über hohe Berge geht es weiter in den Süden. Die Landschaft wechselt, wirkt einmal grün und kräftig wie im schottischen Hochland und dann wieder staubig und trocken wie in Nevada. Bis sie erreicht ist, die Stadt der Nachtigallen, des (nun verbotenen) Weins und der Gärten: Schiras.

© Christoph Lehermayr Auf den Basaren der Hauptstadt zeigt sich, dass viele Frauen die strengen Verhüllungsvorschriften locker interpretieren

Die Wunder von Schiras

Diese verlangt nach langem Atem. Denn schon in aller Herrgottsfrühe gilt es, die Nasir-ol-Molk-Moschee aufzusuchen. Nur dann nämlich fallen die Sonnenstrahlen so, dass die Mosaike im Inneren ein Farbenspiel der Sonderklasse zeigen. Was einst eine List war, um mehr Menschen zum Morgengebet zu bringen, erfreut heute alle. Weit weltlicher wird es abends, wenn sich die Jungen und Verliebten im duftenden Garten rund um das Mausoleum des persischen Weltdichters Hafis treffen. Nicht etwa, um zu trauern, sondern um dem Leben so zu frönen, wie er es schon pries. Ausgelassen, fast zügellos, jedenfalls fern der Sittenwächter.

Je länger der Aufenthalt dauert, desto klarer wird, dass der Iran weit mehr ist, als Schlagzeilen erahnen können. Hinter der Fassade des Gottesstaates verbirgt sich ein agiles, junges, sich öffnendes Volk, das sich über Besucher freut. Und sie daran erinnert, dass sie inmitten einer Jahrtausende alten Hochkultur gelandet sind. Was spätestens im antiken Persepolis jedem dämmerte. Darius der Große und Xerxes errichteten dort die Hauptstadt ihres Riesenreiches. Die Pforte hinein nannten sie das Tor aller Länder. Statuen zeigen einen Stier mit menschlichem Gesicht und Flügeln als Symbole für Macht, Weisheit und das Herrschen über das Himmelsreich. Dahinter öffnet sich ein gewaltiger Komplex, der etwa Athens Akropolis in den Schatten stellt und die 39 Jahre der Islamischen ­Republik geradezu winzig wirken lassen.

"Und?", fragt die Exil-Iranerin nach der Rückkehr in Österreich, "was denkst du nun über unser Land?"

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 21/2018