Was hinter den Reden von
Strache, Kurz und VdB steckt

Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos stürzte Österreich in eine Regierungskrise. Gebannt saß man vor den TV-Bildschirmen, um den Reden von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu lauschen. Aber was genau lässt sich aus der Polit-Show herauslesen? News.at hat bei einem renommierten Rhetorik-Coach nachgefragt.

von
Rhetorik-Analyse - Was hinter den Reden von
Strache, Kurz und VdB steckt

Wer im österreichischen Polit-Drama welche Rolle einnimmt, welche kommunikativen Tricks zum Einsatz kommen und welche Gesten das Gesagte unterstreichen, weiß Rhetorik-Coach Dr. Roman Braun. Für News.at hat er die Reden von Strache, Kurz und Van der Bellen analysiert. "Ich habe genauso fasziniert zugesehen wie der Rest Österreichs", sagt er. Doch durch seine Tätigkeiten als Mentaltrainer und Rhetorik-Coach der Österreichischen Olympiasportler, sind ihm Details aufgefallen, die meist unbeachtet bleiben.

Rückhalt für HC Strache

Ein interessantes Detail bei Straches Rede sei, dass er nicht alleine erschienen ist. "Das war ihm besonders wichtig", so Braun. Im Hintergrund des Redners waren Beate Hartinger-Klein und Karin Kneissl zu sehen. "Die beiden haben ganz streng nach vorne in die Kamera geschaut", betont er. Auch Nobert Hofer war im Hintergrund zu sehen. Diese Personen seien bewusst dort platziert worden, um Strache sprichwörtlich "den Rücken zu stärken". Er wurde von den Akteuren im Hintergrund allerdings nicht angesehen, sondern der Blick der "Statisten" war stets nach vorne gerichtet, was die Position des Vortragenden zusätzlich stärke.

In der Kommunikation wir oft von Framing gesprochen. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet „einen Rahmen setzen“. Laut Braun habe Strache in seiner Rede damit genau bezweckt, sich als Opfer darzustellen. Sein Fehlverhalten im Video hat er in einen subjektiven Deutungsrahmen gepackt. Was heißt das nun konkret?

Fokus auf Bürgernähe

Nicht die Inhalte des Ibiza-Videos, sondern der Akt des geheimen Filmens und der Zeitpunkt, wann das Video veröffentlicht wurde, standen im Vordergrund. Strache habe sich viel Mühe gegeben, am Anfang seiner Rede ein Frame zu setzen und mehrfach "die kriminelle Einflussnahme auf die EU-Wahl" zu betonen.

Zudem sei ihm die Bürgernähe sehr wichtig gewesen. Bewusst hätte er die Worte "b'soffene Gschicht", "ich habe mich wie ein Teenager verhalten" und "Machogehabe" gewählt. "Das war wirklich gut gemacht. Mit allen drei Worten kann wohl jeder Österreicher etwas verbinden. Sein Fehlverhalten hat er als 'Kavaliersdelikt' verkauft", sagt der Experte Roman Braun.

Der Philippa-Effekt

Viele Bürger haben sich auch gefragt, warum in der Strache-Rede die persönliche Entschuldigung bei Ehefrau Philippa einen so großen Stellenwert einnahm. Das Zeigen des "privaten Strache" mache es ihm wesentlich leichter in die Opferrolle zu kommen. Denn der Zuseher würde dann sofort denken "der ist auch ein Mensch", "der hat Frau und Kinder", so Braun.

»Sie ist die ideale Person um ihn zu retten«

Auch die Interviews die Philippa Strache in den vergangenen zwei Wochen gegeben hat, würden eine entscheidende Rolle für Strache spielen. "Sie ist die ideale Person um ihn zu retten. Kein anderer Politiker kann das tun, was seine Frau gerade macht". Auch sie sei perfekt auf ihre Auftritte vorbereitet worden sein.

Was hätte Strache besser machen können?

So gut seine Wortwahl und Vorbereitung auf seine wohl schwerste Rede war, so mangelhaft war seine Körpersprache. "Er hat nahezu 50 Prozent seiner Rede auf seine Unterlagen geblickt und den direkten Augenkontakt vermieden. Das ist nicht gut", weiß Braun. Seine rasche und hektische Kopfbewegungen hätten zudem Flucht-Tendenzen gezeigt.

Besser hatte er seine Mimik im Griff. Stets hochgezogenen Augenbrauen würden unbewusst Mitleid und Mitgefühl erzeugen. "Das ist der sogenannte „Goofy-Effekt“, weiß der Experte. Sein Fazit fällt positiv aus: "Wenn noch ein wenig Zeit verstreicht, dann könnte Strache sei EU-Mandat durchaus annehmen. Dank seiner starken Rhetorik hat er augenscheinlich Reue gezeigt. In den Augen vieler Österreicher hat er genug gelitten. Den Rachegelüsten des Volkes ist genüge getan."

Die Wahlkampfrede des Sebastian Kurz

Keine Frage, das rhetorische Handwerk beherrsche Sebastian Kurz fast perfekt. "Einzig Jörg Haider war ähnlich gut", kommentiert Roman Braun. Während seiner Rede hatte er viel Blickkontakt und stand sehr balanciert am Pult. Seine langsamen und verlässlichen Kopfbewegungen strahlen Sicherheit aus. Symmetrische Handbewegungen würden das Bild noch unterstreichen. "Mit dieser Körpersprache wirkte die Rede stark und überzeugend", sagt Roman Braun.

»Einzig Jörg Haider war ähnlich gut«

Aufholbedarf gebe es lediglich vom Inhalt her. "Es war keine Krisen-, sondern bereits eine Wahlkampfrede". So wurden am Anfang die Erfolge aufgezählt und am Ende der Ausblick gegeben, was alles noch kommen wird und welche Schritte er jetzt setzen würde. "Das war nicht optimal. Staatsmännischer wäre gewesen, auf die Krise und die aktuellen Geschehnisse einzugehen", sagt Braun.

Ein kluger Schachzug war es hingegen das Wort „Neuwahl“ aus der Rede zu verbannen. Sebastian Kurz sprach immer von „vorgezogenen Wahlen“. Bundespräsident Van der Bellen hätte diesen Ausdruck dann umgehend übernommen. "Das hat einen ganz anderen Effekt, eine ganz andere Wirkung. So unter dem Motto 'Die Wahlen wären sowieso gekommen, dann machen wir es halt jetzt', resümiert der Rhetorik-Coach.

Im Video: Kurz in der Körpersprache-Analyse

© Video: News.at

Der Trick des Bundespräsidenten

Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen sah man eine neue Seite, die er früher nicht so häufig nach außen kehrte. Galt er im Wahlkampf stets als "Professor" zeigt er sich in der Krisensituation extrem menschennah.

"Er wurde genau für so eine Situation gemacht. Er hat eine tiefe Stimme, spricht langsam und ist sehr konstruktiv", fasst Braun zusammen. Van der Bellen würde "fachliches Geschwafel" vermeiden und als Mentor auftreten, der Sicherheit und Ruhe ausstrahlt. Genau diese Stabilität gefällt sei der perfekte Gegenpol zur vorherrschenden Hektik und Aufregung.

»Verstehen Sie mich? Können Sie mich gut hören?«

Um das während seiner Auftritte gut hinzubekommen, würde er auch kommunikative Kniffe anwenden. Einen davon beschreibt der Führungskräfte-Coach Braun so: "Als Van der Bellen in der Hofburg seine Rede begann, richtete er seine Aufmerksamkeit zuallererst an die Menschen im Raum. 'Verstehen Sie mich ?' Können Sie mich gut hören?' Genau diese Sätze beruhigen und vermitteln auch den Zusehern vor dem Bildschirm automatisch Sicherheit."

Nicht minder wichtig sei der Blickkontakt. Er spiele eine entscheidende Rolle, um Menschen zu überzeugen. Der Blick des Bundespräsidenten war weniger als 25 Prozent seiner Redezeit auf die Unterlagen gerichtet. Bei der Rede zum Misstrauensantrag habe er komplett frei gesprochen. "Er bereitet sich gut vor, eine gute Leistung", meint Roman Braun.

Warum setzen alle auf die Opferrolle?

Egal in welcher Form die Redner überzeugen, ein Detail fällt im Moment sehr stark auf. Politiker jeder Fraktion fallen plötzlich in die Opferrolle. "Es ist das typische 'Drama-Karussell' aus Täter, Opfer und Retter, die unsere soziale Struktur in der Gesellschaft zusammenfügt", erklärt Braun. Die Opferrolle sei eine starke Einladung an Teile der Bevölkerung, damit sie einspringen und zum Retter werden - mit ihrer Wählerstimme.

Wen man unterstützt und wie man die Lage persönlich einschätzt, hänge freilich immer vom individuellen Standpunkt ab. So sei für die einen Kurz das Opfer, weil er des Amtes enthoben wurde. Für die anderen ist Strache das Opfer, weil er heimlich gefilmt wurde.

Wie können die Österreicher neutral bewerten?

Wichtig sei es eine Distanz zu wahren und sich bewusst zu machen, welche Vorbereitungen hinten solchen Auftritten stecken. "Wir haben einen Drama-Hunger, doch gerade auf diese Energie soll man sich nicht fixieren", sagt der Experte.

»Merke die Absicht und schütze Deine Stimme«

Als Tipp gibt er den Wählern folgendes mit auf den Weg: "Merke die Absicht und schütze Deine Stimme". Doch abschließend merkt er schmunzelnd an, dass viele Österreicher es eher nach dem Konrad Adenauer-ZItat halten, der einmal sagte: "Meine Meinung steht fest, verwirren sie mich nicht durch Tatsachen.

Zur Person

© Foto Weinwurm

Roman Braun (58) studierte Psychologie, Philosophie und Pädagogik an der Universität Wien. Er ist Mentalcoach von Weltcupsiegern, Spitzenpolitikern und Weltmeistern, sowie offizieller Rhetorik-Coach der Österreichischen Olympiasportler. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer seines Unternehmens "Trinergy International" ist er auch Autor.