Koalition: Kurz "foult" Grüne

ÖVP-Chef streut Gerüchte über Grüne - Kogler sagt "völliger Unsinn" und will "cool" weiterverhandeln

Die Koalitionsverhandlungen haben am Sonntag etwas Dynamik gewonnen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz drängte öffentlich auf einen raschen Abschluss und irritierte damit so manche Grüne. Während Generalsekretär Thimo Fiesel via Twitter von einem "Foul" sprach, plädierte Grünen-Chef Werner Kogler für "cooles" Weiterverhandeln ohne Zeitdruck und pochte auf Grüne Kernpunkte: "Sonst sind wir halt nicht dabei."

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Kurz hatte zuvor in mehreren Zeitungs-Interviews für einen raschen Abschluss der Koalitionsverhandlungen nach Jahreswechsel plädiert: "Mein Ziel ist, dass wir bis Anfang oder Mitte Jänner eine stabile, handlungsfähige Regierung haben", sagte er gegenüber "Österreich" bzw. "oe24.tv". "Im Jänner gibt es eine Regierung", verkündete er im "Kurier" und: "Ich will Anfang Jänner fertig sein" ließ er auch der "Kronen Zeitung" wissen.

Grüne wollen Licht im Stadion abdrehen

Für Aufregung in sozialen Medien sorgte vor allem die via "Kurier" gestreute Message, die Verhandlungen würden sich schwierig gestalten - und hier insbesondere der Bericht, die Grünen hätten gefordert, dass in Fußballstadien nach 20 oder 21 Uhr das Licht abgedreht werden müsse, damit die Scheinwerfer die Insekten nicht irritieren.

»Keep cool. Es kommt früher oder später noch genug Hitze in die Küche.«

Kogler: "Das ist völliger Unsinn"

Während Grünen-Generalsekretär Fiesel nach den Interviews via Kurznachrichtendienst Twitter von einem "Foul" sprach, das er allerdings "sportlich" nehme, plädierte Grünen-Chef Werner Kogler im APA-Interview für ruhiges Weiterverhandeln: "Keep cool. Es kommt früher oder später noch genug Hitze in die Küche." Die Insekten-Geschichte wies er belustigt zurück: "Das ist ja ein völliger Unsinn." Die Forderung könne schon alleine deshalb nicht von den Grünen kommen, da ja bekannt sei, dass gerade er es pflege, "um diese Uhrzeit selbst im Stadion zu sitzen". "Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir die Grünen Verhandler das Licht abdrehen sollen. Jedenfalls noch nicht."

"Einige Themen noch nicht besprochen"

Zu den von Kurz in den Interviews aufgestellten inhaltlichen Forderungen verwies Kogler auf die laufenden Verhandlungen. Einige der Kapitel, etwa das Europa-Thema, seien ja noch überhaupt nicht besprochen worden, betonte er. Kurz hatte in den Interviews u.a. erklärt, für ihn unumgänglich sei ein Nulldefizit, neue Vermögenssteuern dürfe es nicht geben und er wolle auch weiterhin eine "konsequente Linie im Kampf gegen die illegale Migration". Auch wolle er von türkis-blauen Prestigeprojekten wie den Kürzungen bei der Sozialhilfe (Mindestsicherung neu) nicht abweichen.

Jänner realistisch, "kann aber auch länger dauern"

Kogler erklärte dazu am Sonntagnachmittag, zwar sei der Zeitplan, im Jänner abzuschließen, durchaus realistisch, "es kann aber auch länger dauern". Irritiert sei er über die Interviews von Kurz nicht gewesen, betonte er.

"Qualität vor Geschwindigkeit"

Allerdings warnte der Grünen-Chef davor, sich einem zu großen Zeitdruck auszusetzen: Bei den Verhandlungen müssten die Grundsätze "so schnell wie möglich, aber schon so lange wie notwendig" und "Qualität vor Geschwindigkeit" gelten. "Besser zwei bis drei Wochen länger verhandelt und dann zwei bis drei Jahren länger regiert", so Kogler.

»Besser zwei bis drei Wochen länger verhandelt und dann zwei bis drei Jahren länger regiert«

Zum aktuellen Stand der Verhandlungen sagte Kogler, dass er in der Runde am Samstag mit Kurz in die "genaueren Verhandlungen über den Text eines möglichen Regierungsübereinkommens erst richtig eingestiegen" sei. Zwar werde schon länger an dem Text gearbeitet, aber nicht primär von den beiden Parteichefs.

Zurückdrängen der Kinderarmut "persönliches Anliegen"

Zum Thema Sozialhilfe merkte Kogler an, es sei ihm vor allem die Frage des Zurückdrängens der Kinderarmut "ein persönliches Anliegen". Zur Steuerreform sagte er, er sei "sehr dafür" alle arbeitenden Menschen - Arbeiter, Angestellte und Selbstständige - zu entlasten. "Das kostet dann natürlich auch etwas. Wir müssen schauen, wie wir das gegenfinanzieren." Alle internationalen Studien würden darauf hinweisen, dass Österreich bei den Öko-Steuern hinterherhinke, aber auch bei den vermögensbezogenen Steuern. "Irgendwo wird da etwas passieren müssen." Es gehe darum, "ökologisch nachhaltig, ökonomisch vernünftig und sozial gerecht" vorzugehen - bei den Steuern, beim Budget, den Investitionen und beim Wirtschaften insgesamt.

»Sonst sind wir halt nicht dabei. Eine Reise rückwärts geht sich mit den Grünen nicht aus.«

"Ich glaube, da geht die Reise hin. Sonst sind wir halt nicht dabei. Eine Reise rückwärts geht sich mit den Grünen nicht aus." Gerade Investitionen in den Klimaschutz seien ja auch essenziell für die Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze. Er glaube, dass man mit der ÖVP hier Übereinstimmung erzielen könnte, so Kogler.

Spott in sozialen Medien

Dezenten Spott hatte der Grüne Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch auf Twitter für die ÖVP übrig: "Man kann natürlich kurz den Chef raushängen lassen in #regierungsverhandlungen, mit Insekten und so (wenn man's für die Eigenen braucht)". Am Ende zähle aber immer, was an "Substanz" rauskomme: "Wir verhandeln in der fachlichen und zeitlichen Struktur wie wir uns das vorstellen. Läuft gut!", schrieb er.

Petrovic: Zweifel an Kompromissbereitschaft der ÖVP

Auch die frühere Grünen-Chefin Madeleine Petrovic hat danach Zweifel an der Kompromissbereitschaft der ÖVP geäußert. "Je mehr die ÖVP in manchen Bereichen nicht bereit ist, einzulenken, desto mehr Proteste werden sie auf der Straße haben. Und notfalls gehöre ich dort dazu. Und da werden viele der Altvorderen dazugehören", sagte Petrovic im APA-Interview.

"Es wird Kritik geben, was immer herauskommt", sagte Petrovic mit Blick auf die großen inhaltlichen Differenzen zwischen den Parteien. Zwar sei es so, dass die Grünen "auch nach einem schönen Wahlerfolg nicht 100 Prozent der Politik bestimmen werden". Trotzdem würde sie vor einer Politik "warnen", in der man der ÖVP etwa freie Hand in der Migrationspolitik gebe, wenn die Grünen im Gegenzug ihre Umweltpolitik umsetzen dürfen, so Petrovic.

"ÖVP wäre gut beraten, auf Grüne zu hören"

"Die ÖVP wäre sehr gut beraten, in sehr vielen Punkten auf die Grünen zu hören. Was ich mittlerweile so wahrnehme, habe ich meine Zweifel, ob diese Bereitschaft besteht", so die frühere Parteichefin, die zugleich einräumte, mangels Einbindung den Verlauf der Koalitionsgespräche schwer beurteilen zu können. Bei den schwarz-grünen Koalitionsgesprächen im Jahr 2003 war Petrovic als Vize-Parteichefin mit am Tisch gesessen.

Zu Kurz: "Da hat sich sehr viel aufgestaut in mir"

Persönlich täte sie sich schwer, mit jemandem wie ÖVP-Chef Sebastian Kurz zu reden, sagte Petrovic. "Da hat sich sehr viel aufgestaut in mir. Wer sich so leicht mit einer FPÖ und deren Kurs getan hat: Ich weiß nicht, wie ich da täte."

Auf die Frage, ob sie eine Demolierung der Grünen in der Koalition mit der ÖVP befürchte, verwies Petrovic auf die jüngste Vergangenheit der Partei: "Die Grünen haben eine Durststrecke hinter sich, aber sie haben sie überlebt." Die Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins führte in diesem Zusammenhang Aktivisten wie den - bei der vergangenen Nationalratswahl für die Liste JETZT angetretenen - Tierschützer Martin Balluch an, deren Rückgrat man nicht brechen könne. "Es sind diese Leute, wo ich sage: Die waren immer da und die werden hoffentlich bleiben."

"Die Grünen haben Grundprinzipien"

Mit Blick darauf, dass die meisten Grün-Abgeordneten "ganz, ganz neu" seien, pochte Petrovic auf die "Grundprinzipien" der Partei. "Die Dinge funktionieren dann gut, wenn auch die eigenen Leute die jeweilige Führungsriege immer wieder an die Prinzipien erinnern. Die Grünen haben Grundprinzipien, und die sind eben ökologisch, solidarisch, feministisch, gewaltfrei, basisdemokratisch", betonte sie.

Kritische Stimmen bei den Grünen

Auch der langjährige grüne Landtagsabgeordnete, Martin Margulies, äußerte sich via Twitter kritisch zur ÖVP. Er denke, Kurz wolle eine türkis-blaue Weiterführung. "Glaube eigentlich nicht, dass er mit GrüneAustria will. Und ganz ehrlich unter diesen Bedingungen will ich auch nicht.