Regierungspartei FPÖ:
Pleiten, Pech und Pannen

Wie die FPÖ von Fehlern ablenken will - und wie sie dabei stolpert

Die FPÖ weiß, wie man als Oppositionspartei an die Medien geht: laut und schrill. An ihre Rolle als Regierungspartei hat sie sich noch nicht gewöhnt. Darum reagiert sie auf Flops mit Ablenkungsmanövern, die dann neue Probleme bringen. Und die ÖVP? Die schweigt dazu

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Politik - Regierungspartei FPÖ:
Pleiten, Pech und Pannen

Message Control lautet das Zauberwort der türkisblauen Koalition, wenn es um den Umgang mit Medien geht. Da wird zentral kontrolliert und gesteuert, welcher Minister was wann erzählen darf, welche Themen forciert und welche, wenn irgendwie möglich, auch wieder aus den Schlagzeilen verdrängt werden sollen. Wird ein Thema unangenehm, dann bringt man raffiniert ein anderes auf das Tapet, auf das Journalisten und Stammtisch aufspringen sollen. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. Und man schafft sich mit einem solchen Ablenkungsmanöver ein neues Problem.

Aktuelles Beispiel: Als Vizekanzler Heinz-Christian Strache zuletzt wegen zweifelhafter außenpolitischer Aussagen zum Kosovo unter Druck kam, brachte er just am Faschingsdienstag eine andere Geschichte auf. Kurz nach Mitternacht gefiel ihm offenbar auf Facebook ein Bild mit diffamierenden -und für einen Vizekanzler unangemessenen -Zeilen über den ORF und "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf. Rasch war es geteilt -und Strache fand sich in einer Debatte über die drohende Einschränkung der Pressefreiheit und die gefährdete Unabhängigkeit des ORF wieder. Da half auch der Zusatz "Satire" nichts.

»Geplant war das zu dem Zeitpunkt eher nicht«

"Geplant war das zu dem Zeitpunkt eher nicht", meint Kommunikationsberater Heimo Lepuschitz, der als Pressesprecher in der ersten schwarz-blauen Regierung Erfahrungen gesammelt hat. "Hier wurde in einer verständlichen Emotion überdreht. Der ORF war ohnedies gerade in der Defensive." Schließlich hatte er mit einem Beitrag über den Tiroler Landtagswahlkampf den Eindruck erweckt, der FPÖ-Spitzenkandidat würde zu antisemitischen Aussagen nicken.

Doch immerhin: Für seine Rede beim politischen Aschermittwoch hatte Strache mit dem ORF ein Thema, das bei seiner Anhängerschaft ankommt. Gegen die Regierungsarbeit wettern, fixes Thema bei früheren Reden, kann er ja gerade nicht.

Ein Königreich für ein Pferd

Mehr Geschick beim Ablenken zeigt da bisweilen Innenminister Herbert Kickl. Schon mehrfach zog er mit dem Thema Polizeipferde die Aufmerksamkeit von anderen Problemen auf sich. Als die FPÖ bei der Frage unter Druck kam, ob Langzeitarbeitslosen via Mindestsicherung künftig die Eigentumswohnung oder das Auto weggenommen werden könnte, platzierte das Innenministerium Anfang Jänner Kickls Wunsch nach einer berittenen Polizei. Lepuschitz: "Für das Wohl des Staates ist dieses Thema bedeutungslos, aber es ist ein Bauchthema für Medien und Stammtisch und wurde extrem professionell kommuniziert." Rund um die ORF-und Kosovo-Turbulenzen seines Parteichefs schwang sich Kickl später in München sogar persönlich aufs Pferd.

Auf dem Höhepunkt der Liederbuch-Affäre rund um den freiheitlichen Spitzenkandidaten für die niederösterreichische Landtagswahl, Udo Landbauer, zauberten die FPÖ-Kommunikatoren hingegen eine wilde Geschichte aus der Schublade. Das Büro des Vizekanzlers sei verwanzt gewesen, ließ man an Medien durchsickern. Stefan Sengl, Kommunikationsberater und einst Wahlkampfmanager für Heinz Fischer und die SPÖ, hält es für ein "dummes Manöver, ohne nähere Informationen zu haben, eine externe Bedrohung zu inszenieren". Lepuschitz hingegen meint: "Die Wanze gab es ja. Diese Geschichte hätte wohl jeder bei einer solchen Gelegenheit gespielt. Und teilweise hat sie ja auch gewirkt. Allerdings hat die FPÖ nicht damit gerechnet, dass sich die Medien über das Abhören eines Regierungsmitgliedes lustig machen würden." Übrigens hat einst auch Jörg Haider versucht, Abhör-Schlagzeilen zu produzieren, als er 1998 im Fall Rosenstingl in Bedrängnis kam.

Ebenfalls von Landbauer ablenken wollte man mit einer Pressekonferenz zum Thema Hochhaus am Wiener Heumarkt, das nicht wirklich in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Sengl: "Der klassische Versuch, ein neues Thema vorzuschieben."

» Entweder ist die Kommission lächerlich, weil sie nur mit Parteigetreuen besetzt ist oder sie macht mit ernsthafter Forschung eine massive interne Diskussion auf. Das wird der FPÖ noch lange Schmerzen bereiten.«

Hingegen sieht er wegen eines anderen Befreiungsschlages in dieser Causa neue Probleme auf die FPÖ zukommen: der Historikerkommission, welche die Verbindungen zwischen FPÖ und deutschnationalen Burschenschaften aufarbeiten soll. Sengl: "Das ist grundsätzlich eine gute Sache, aber die FPÖ hat sich nicht überlegt, wie sie das machen soll." Entweder die Kommission sei lächerlich, weil nur mit Parteigetreuen besetzt, oder "sie macht mit ernsthafter Forschung eine massive interne Diskussion auf. Das wird der FPÖ noch lange Schmerzen bereiten."

"Unerfahren im Krisenmanagement"

"Ein solches Ablenkungsmanöver aus der Hüfte zu schießen, zeigt, wie unerfahren die FPÖ im Krisenmanagement ist", sagt Sengl. Zwar hat das Team rund um Heinz-Christian Strache jahrelange politische Erfahrung, allerdings als Oppositionspartei: "Sie kennen nur die Krisenkommunikation ihrer Einzelfälle", spielt Sengl auf wiederkehrende Probleme mit deutschnationalem oder antisemitischem Gedankengut an. "Die FPÖ geht in ihrer Kommunikation immer schnell in die Opferrolle und in die Offensive", so, wie sie es die letzten Jahre praktiziert hat. Die Freiheitlichen seien gerade in einem schwierigen Lernprozess, meint auch Lepuschitz. "In manchen Ministerien funktionieren die Teams hervorragend, andere haben den Übergang noch nicht ganz geschafft."

Kurz mal wegducken

In der ÖVP hält man sich angesichts der blauen Turbulenzen meist nobel zurück. Nur wenn es gar nicht anders geht, lässt sich Kanzler Sebastian Kurz ein dürres Statement entlocken. Ansonsten versucht man den Fahrplan einzuhalten, wochenweise bestimmte Themen zu "spielen". Aktuell ist man in der "Sicherheitswoche". Und obwohl jedes Regierungsmitglied zwei Pressesprecher und dazu Social-Media-Beauftragte hat, haben die Minister wenig zu melden. Klassische Pressekonferenzen gab es in den Wochen seit der Angelobung fast keine. Manche Ministerinnen und Minister sind noch gar nicht vor die Medien getreten. "Die schwarzen Minister gibt es de facto nicht", beobachtet Heimo Lepuschitz. "Die sind auf angeordneter Tauchstation und werden nur ab und zu rausgeholt." Dazu kommt: "Die ÖVP macht das ziemlich gescheit. Sobald bei ihnen ein Thema zu kippen droht, hört man nichts mehr davon, die drehen das überall ab." Zusatz: "Und bei der ÖVP funktioniert das auch. Die FPÖ würde nicht so schnell aus dem Würgegriff gelassen."

»Die schwarzen Minister gibt es de facto nicht. Die sind auf angeordneter Tauchstation und werden nur ab und zu rausgeholt.«

Stefan Sengl sieht allerdings auch Nachteile in dieser rigiden Themenkontrolle, denn eigentlich hat die Regierung dadurch noch recht wenige Reformvorschläge vorgelegt oder Gesetzesvorhaben ins Parlament gebracht. "Man kann nicht auf Dauer den Stillstand der Vorgänger-Regierung kritisieren und selbst nach dem Motto ,Nur keine Wellen' agieren. Irgendwann kommt dann die Frage:,Was machen die eigentlich?'" Totale Nachrichtenkontrolle könne in totalem Stillstand enden, meint Sengl. Wenn alle Aktionen über die Presseleute des Bundeskanzlers akkordiert werden müssen, werde "das Werkl schwerfällig. Und wenn es keinen sichtbaren Output und keine kommunizierbaren Aktivitäten gibt, werden andere Dinge größer wahrgenommen."

Ankündigungsstrudel

Und dann komme man eben sehr schnell wieder in die Situation, Ablenkungsmanöver produzieren zu müssen.

Wer aber aus der Not heraus ständig neue Themen produziert, "der kommt schnell in einen Ankündigungsstrudel hinein. Man muss ja die Themen auch umsetzen und nachhaltig verkaufen", erinnert sich Lepuschitz an das "Speed kills" der ersten schwarz-blauen Koalition. Sein Rat an blaue Minister: "Bis nach den Landtagswahlen muss man sich professionalisiert haben und dann in Ruhe weiterarbeiten."

Bis dahin muss die FPÖ aber wieder einmal ablenken. Von einem neuen Burschenschafter-Liederbuch. Und von der Tatsache, dass man immer die Stärkung der direkten Demokratie versprochen hat, sich aber angesichts von Hunderttausenden Unterstützungserklärungen für das Nichtraucher-Volksbegehren nicht mehr daran halten mag. Misstrauische Zeitgenossen fragen sich längst, ob nicht all das ein großes Ablenkungsmanöver von wahren Politbomben in der Zeit nach den Landtagswahlen ist. Stefan Sengl relativiert: "Meistens ist etwas, das dumm aussieht, auch einfach nur dumm."

Dieser Artikel erschien im News-Magazin 8/2018.