"Österreich hat ein
Format: DIN A4"

Die ÖVP-FPÖ-Koalition ist am Donnerstag im Schloss Seggau zu ihrer ersten Regierungsklausur zusammengekommen. Was am zweiten Tag präsentiert wurde.

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Regierungsklausur - "Österreich hat ein
Format: DIN A4"

Die ÖVP-FPÖ-Koalition hat sich am Donnerstag auf Schloss Seggau zu ihrer ersten Regierungsklausur eingefunden, um erste Vorhaben aus dem Regierungsprogramm umzusetzen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) erklärten am ersten Tag, man wolle ein "rot-weiß-roter-Schnellzug sein". Beschlüsse rasch umsetzen.

Sechs von 2.000 Maßnahmen

Die neue ÖVP-FPÖ-Regierung hat ihre erste Regierungsklausur am Freitag mit einer Ministerratssitzung abgeschlossen. Dabei wurden die ersten sechs von 2.000 Maßnahmen im Regierungsprogramm beschlossen, berichteten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Tagungsort auf Schloss Seggau.

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Einer dieser Beschlüsse: Die Kürzung bzw. Anpassung für Familienbeihilfen für ausländische Arbeitskräfte.

Laut Kurz und Strache könnten damit rund 114 Millionen Euro eingespart werden. Wie genau diese Einsparungen genutzt werden sollen, bleibt noch ungewiss. Bundeskanzler Sebastian Kurz', sehr allgemeiner, Vorschlag: Man würde das Geld für die Entlastung kleinerer Einkommen nutzen.

Weitere Maßnahmen im Überblick:

  • "Einsparungen im System"
  • Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags für niedrige Einkommen
  • Eine Deregulierungsoffensive
  • Maßnahmen zum Klimaschutz
  • Erhalt des Militärgymnasiums Wiener Neustadt
  • Anpassung der Familienbeihilfe für ausländische Arbeitskräfte.

Am Freitag treten Kanzler Sebastian Kurz und sein Vize Strache erneut vor die Kameras. Zum Abschluss Regierungsklausur in der Steiermark traten Kurz und Strache nochmals vor die Kameras.

Auch am zweiten Tag der Regierungsklausur lobten die Parteien die Zusammenarbeit. Man meine es ernst, wenn es um Umsetzung gehe, betonten Kanzler Kurz und Vize Strache. "Diese Regierung ist erst zweieinhalb Wochen im Amt und schon wurden erste Teile aus dem Regierungsprogramm beschlossen", so Kurz.

Präsentiert haben beide am Freitag die sechs wesentlichen Punkte (siehe oben), die während der Klausur beschlossen wurden. Neben den Kürzungen bzw. Anpassungen der Familienbeihilfen, betonte man den Abbau von Bürokratie. Österreich habe ein Format und das sei "DIN A4", so Sebastian Kurz. Man plane, den gesamten Rechtsbestand auf Bundesebene zu üperprüfen und entsprechend zu "entrümmeln". Zudem würde man genau hinschauen, in welchen Bereichen eine "Übererfüllung“ von EU-Recht herrscht. Sollte es notwendig sein, solle diese Übererfüllungen zurückgefahren werden. Im zweiten Schritt würde man dies bei den Ländern und Gemeinden angehen.

"Wir wollen nicht den nächsten Konvent, das nächste Diskussionsformat schaffen, bei dem lange geredet wird. Wir wählen bewusst den direkten Weg", so Kurz. Der für Justiz und Staatsreform zuständige Minister und frühere Rechnungshofpräsident Josef Moser (ÖVP) soll diese Aufgabe übernehmen.

Doppelbudget für 2018 und 2019

Auch auf die Eckpunkte des Doppelbudgets für 2018 und 2019 und damit einhergehende Einsparungen von 2,5 Mrd. Euro hat man sich in Seggauberg geeinigt.

1,4 Mrd. davon kommen aus der Verwaltung und den Ministerien, 1,1 Mrd. würden durch das Auslaufen des Beschäftigungsbonus und der Job-Aktion 20.000 erzielt, rechnete Strache vor. "Wir wollen den Staat schlanker machen, damit nach ersten Schritten der Entlastung auch eine nachhaltige große Steuerentlastung möglich werden kann."

Kritik an der Regierung

Während der Pressekonferenz betonte Kanzler Kurz, dass ihm bewusst sei, dass nicht jeder mit dem Regierungsprogramm einverstanden sei. Diese Kritiker verwies er jedoch darauf, dass ÖVP und FPÖ bei den Nationalratwahlen gemeinsam die Mehrheit der Wählerstimmen erreicht hätten.

Fragen zur EU

Am 12. Jänner trifft Sebastian Kurz auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. "Ich freue mich auf dieses Treffen", so Kurz am Freitag. Er schätze den Willen Macrons, die EU zu verändern. Kurz plädiert für eine EU, die bei "großen Themen" wie der Außen- und Sicherheitspolitik verstärkt miteinander arbeitet. Bei anderen Themen möchte der Bundeskanzler die Subsidarität fördern. "Die EU kann sich zurücknehmen, wenn es um Themen geht, die Staaten und Regionen besser entscheiden können."

Arbeitslosengeld

Angesprochen auf das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenversicherung, stellt Kurz klar: "Es gilt immer das, was im Regierungsprogramm steht und was wir gemeinsam verhandelt haben".

»Notstandshilfe wird es so nicht mehr geben«

Es werde ein "Arbeitslosengeld Neu" geben, das gerechter werde: Wer lange einbezahlt hat, soll länger profitieren, wer nur kurz eingezahlt hat, soll das Arbeitslosengeld auch nur kurz bekommen. Bestehe kein Anspruch, gebe es ja noch die Mindestsicherung. Die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die für niedrige Einkommen bis zu 1.948 Euro soll ab Juli eine Steuerentlastung von insgesamt 140 Mio. Euro bringen.

Eine Notstandshilfe wie es sie jetzt gibt, wird es in dieser Form nicht mehr geben, so Kurz.

Abbau von Selbstbehalten im Gesundheitswesen

»Habe sie nicht zur Brust genommen«

Die neue Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) denkt über einen Abbau von Selbstbehalten im Gesundheitswesen nach.Sie kündigte an, dass es "Überlegungen" in diese Richtung gebe. Da dieser Vorschlag nicht im Regierungsprogramm steht, wurde Kurz die Frage gestellt, ob die Ministerin da im Alleingang gehandelt wurde und er sich Frau Hartinger-Klein "zur Brust genommen" habe. Sebastian Kurz verneinte. Es gäbe kein "böses Blut" und ein solches Vorgehen könne er "so nicht bestätigen".

Strache erklärte, dass die Gesundheitsministerin damit wohl eher eine Harmonisierung der Beiträge und Leistungen im Zuge der geplanten Sozialversicherungsreform gemeint habe. Der FPÖ-Chef lobte den "guten menschlichen Umgang" unter den neuen Regierungsmitgliedern. Bei einem gemeinsamen Abendessen sei man sich weiter näher gekommen. "Wir gehen's an. Wir steigern das Bruttosozialprodukt, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Das habe ich gestern schon gesagt. Ich hab mich nur bei der Band geirrt", so Strache.

Strache fühlt sich missinterpretiert

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache findet, dass seine Überlegung, Asylwerber in Wien künftig in Kasernen unterzubringen, aus dem Zusammenhang gerissen bzw. überinterpretiert worden ist. Es werde hier "aus einer Maus ein Elefant produziert", meinte Strache am Freitag nach der Regierungsklausur auf Schloss Seggau. "Das ist kein Thema."

Es sei in dem Fernseh-Interview um die Frage gegangen, was man mit den angedachten Zentren zur Unterbringung von Asylwerbern meine. Gemeint sei, dass der Innenminister dafür Sorge tragen wolle, dass künftig bei der Unterbringung von Asylwerbern die "staatliche Verantwortung" wieder gelebt werde und das nicht an private Vereine und NGOs ausgelagert werde, erklärte Strache. Es dürfe hier kein "Geschäftszweig" entstehen.

»Aus einer Maus ein Elefant produziert«

Seine Aussagen zu den Kasernen seien im Zusammenhang mit eventuell leer stehenden Objekten gefallen, wollte Strache klarstellen. "Aber es ist kein Thema, weil wir sie nicht benötigen", man habe zur Zeit keinen Bedarf an Objekten. Er sei "fast schon belustigt, was da hineininterpretiert wird", findet Strache, dass hier "aus einer Maus ein Elefant produziert wird".

Finanzminister will 2,5 Milliarden Euro einsparen

Die neue ÖVP-FPÖ-Regierung hat sich bei ihrer Regierungsklausur auf Schloss Seggau auf Einsparungen im Budget geeinigt und am Freitag einen entsprechenden Beschluss im Ministerrat gefasst. Für 2018 und 2019 ist demnach ein strukturelle Defizit von 0,5 Prozent vorgesehen. Um diese EU-Vorgabe zu erreichen, sollen insgesamt 2,5 Milliarden Euro eingespart werden.

»Das ist ein erfreulicher Tag für den neuen Finanzminister«

Die Eckpunkte für das Doppelbudget 2018/2019, das im März vorgelegt werden soll, wurden bereits rund um die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ festgelegt. Nun habe man sich drei Monate vor Präsentation des Budgets grundsätzlich darauf verständigt, in welchen Bereichen Einsparungen erfolgen sollen, sagte Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) bei der Regierungsklausur in der Steiermark. "Das ist ein erfreulicher Tag für den neuen Finanzminister. Wir haben eine sehr konkrete Einigung mit allen Regierungsmitgliedern."

"Sparen im System" lautet dabei das Motto der türkis-schwarz-blauen Regierung. Gespart soll etwa in der Verwaltung und in den ausgegliederten Einheiten werden. Bei den Verwaltungskosten ist laut Löger bis zu einer Milliarde Euro zu holen. Die Bundesförderungen in den Ministerien sollen um 190 Millionen Euro zurückgefahren werden. Mehrfachförderungen sollen abgestellt und die Treffsicherheit erhöht werden. Sparen will die neue Regierung auch bei den Personalkosten des Bundes.

Details zum Budget im März

Bei den ausgegliederten Einheiten - mittlerweile gibt es im Bund knapp 90 ausgegliederte Behörden - will man Einsparungen von bis zu 140 Millionen Euro erzielen. Dies könne gelingen, wenn zwei Prozent der Mehrausgaben mittel- und langfristig gekürzt werden, hieß es aus der Regierung. Bei den Mietkosten des Bundes wird mit einem Einsparungspotenzial von 50 Millionen Euro gerechnet. Weitere Einsparungen ergeben sich demnach durch das Aus für den Beschäftigungsbonus und die Aktion 20.000.

Die konkreten Details der Budgeterstellung sollen mit den verschiedenen Ministerien bis März erarbeitet werden, erklärte Finanzminister Löger. In Seggauberg hat man sich vorerst auf die "budgetpolitische Zielsetzungen bei der Erstellung" geeinigt.

Verteidigungsminister präsentiert "Leuchtturmprojekte"

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) berichtete am Freitag bei der Regierungsklausur von "Leuchtturmprojekten" aus seinem Ressort für das Jahr 2018. Im gesamten Bundesgebiet würden demnach "Sicherheitsinseln" festgelegt. Das sind Kasernenstandorte mit einer eigenständigen Energie- und Wasserversorgung sowie Vorrat an notwendigen Versorgungsgütern für einen längeren Zeitraum, um im Krisenfall die Blaulichtorganisationen und die Zivilbevölkerung rasch unterstützen zu können.

Daneben bewarb der Minister das geplante Cyber Defence-Zentrum, wo die nationalen Cyber-Kompetenzen an einem geeigneten Standort zusammengefasst werden sollen. Was den Erhalt des Militärgymnasiums in Wiener Neustadt angeht, der heute im Ministerrat beschlossen wurde, konnte Kunasek noch keine Details nennen. Wichtig sei es, den Schulbetrieb nun sicherzustellen, den konkreten Schultyp und Standort werde man danach beraten.

Klima- und Energiestrategie

Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bekräftigte, dass man rasch eine integrierte Klima- und Energiestrategie auf den Weg bringen wolle, der entsprechende Ministerrats-Vortrag beinhalte bereits Eckpfeiler. Die konkrete Strategie soll bis März vorgelegt und im Juni oder Juli beschlossen werden - dies sei ambitioniert, aber machbar.

Daneben beschloss die Regierung am Freitag die Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland. Die Maßnahme ist EU-rechtlich umstritten und stieß auch in den besonders betroffenen Staaten wie Ungarn bisher auf Kritik. Bei Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sind wegen der österreichischen Ankündigungen aber noch keine Protest-Anrufe oder -Schreiben eingetrudelt, wie sie auf eine entsprechende Frage mitteilte.

Die erste Klausur von ÖVP und FPÖ sei von einer "angenehmen Atmosphäre" geprägt, meinte Kneissl. Das Zusammentreffen diente ja nicht nur dazu, Arbeitseifer zu demonstrieren, sondern auch dem Kennenlernen der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung. Am Donnerstag stellten alle Ressortchefs ihre Ministerien und Schwerpunkte vor, bevor es zu einem gemeinsamen Abendessen ging, zu dem auch Journalisten geladen waren, um die gemeinsame Harmonie zur Schau zur stellen. Spätnachts wurde denn auch in koalitionärer Eintracht ein Ständchen für den ebenfalls anwesenden Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) angestimmt, der am Freitag 62 Jahre alt wurde. Freitagfrüh stand auch ein gemeinsames "Familienfoto" der neuen Bundesregierung am Programm.