Liebe Frau Schaumayer, seit 1981 die Pflicht zur Pockenimpfung aufgehoben wurde, besteht in Österreich grundsätzlich keine allgemeine Impfpflicht mehr. Es gibt jedoch einen Impfplan für empfohlene Impfungen, der derzeit 14 Impfungen vorsieht. Kinder bis 15 Jahre werden gegen bestimmte Krankheiten kostenlos geimpft, damit finanzielle Überlegungen der Eltern keine Rolle spielen müssen. Da es sich um bloße Empfehlungen handelt, hat die Nichtbefolgung für Eltern keine unmittelbaren rechtlichen Folgen. Grundsätzlich zulässig ist es aber, dass privat geführte Einrichtungen (z. B. Kindergärten) Impfungen gegen bestimmte Krankheiten als Aufnahmevoraussetzung verlangen.
Eltern trifft im Rahmen ihrer Obsorgepflicht die Verpflichtung zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit eines Kindes. Die grundsätzliche Ablehnung aller Impfungen steht mit dieser Verpflichtung zur bestmöglichen Gesundheitsvorsorge im Widerspruch. Wenn Eltern darüber hinaus noch grundsätzlich alle sogenannten schulmedizinischen Behandlungen ablehnen und daher im Krankheitsfall nicht für die notwendige Behandlung ihrer Kinder sorgen, so kann dies zu einem teilweisen Obsorgeentzug wegen Kindeswohlgefährdung führen. Für den Teilbereich „Gesundheitsvorsorge“ ist dann nur ein Elternteil, bei Ablehnung durch beide Eltern das Jugendamt alleine zuständig.
So hat der Oberste Gerichtshof bereits einmal eine Übertragung der Obsorge an das Jugendamt zugelassen, weil Eltern notwendige Impfungen für ihr Kind, das bereits im ersten Lebensjahr zweimal aufgrund einer schweren Lungenentzündung auf der Intensivstation versorgt werden musste, ablehnten. Eltern können nach Einholung ärztlichen Rats zwar selbst entscheiden, welche Impfungen ihr Kind bekommen soll. Die Entscheidungsfreiheit endet aber dort, wo das Kindeswohl gefährdet wird, da jedes Kind das Recht auf bestmögliche medizinische Versorgung hat. Wenn das Kindeswohl der Kinder Ihrer Bekannten daher durch die Entscheidung, alle Impfungen gegen den ausdrücklichen Rat des Kinderarztes abzulehnen, ernstlich und konkret gefährdet wird, könnte ihr wegen dieser Entscheidung sogar die Obsorge für ihre Kinder im Bereich Gesundheitsversorgung entzogen werden.
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