Der Tschick-Krieg

Kippt das Rauchverbot? Warum die neue Regierung hier nicht umfallen darf

Ab Mai gilt in allen Lokalen absolutes Rauchverbot. Doch die FPÖ möchte dieses in den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP im letzten Moment kippen. Gesundheitsexperten schlagen Alarm: "Ein völlig unakzeptabler Schritt!"

von
Hört endlich auf! - Der Tschick-Krieg

Raucher ist er nicht. Und darum war es für ihn vollkommen klar, diese Initiative zu unterstützen: "Die Gesundheit ist das Wertvollste -und für jede und jeden wichtig, um das Leben so führen zu können, wie man es will. Die Kampagne 'Don't Smoke' leistet hier einen wesentlichen Beitrag für die Bewusstseinsbildung für einen möglichst gesunden Lebensstil in Österreich. Als Nichtraucher unterstütze ich die Kampagne sehr gerne." Damals war Sebastian Kurz Außenminister und Chef der jungen ÖVP und wollte als solcher Vorbild sein. Darum teilte er das Ziel des am 3. Jänner 2015 an Krebs verstorbenen News-Journalisten Kurt Kuch und des Onkologen Hellmut Samonigg, Österreichs Lokale strikt rauchfrei zu machen, um jugendliche Einsteiger sowie frühere Raucher dadurch leichter vom Glimmstängel abhalten zu können. Das Ergebnis war 2015 ein Parlamentsbeschluss, durch den das Rauchen in Wirtshäusern, Bars oder Restaurants ab Mai 2018 Geschichte sein soll.

Adieu, Raucherzimmer. Auch in kleinen Lokalen, in denen wegen mangelnder Abtrennungsmöglichkeiten jetzt noch geraucht werden darf, muss dann endgültig ausgedämpft werden.

Heute ist Kurz Wahlsieger und wohl der künftige Kanzler. Doch der Weg dahin führt über Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ, auf die er sich frühzeitig als Partner festgelegt hat. Und die Blauen haben in ihrem Programm ihren Wählern etwas ganz anderes versprochen: den Erhalt des blauen Dunstes beim Wirt nämlich. Frühere Investitionen in Raucher-und Nichtraucherbereiche würden sonst nutzlos gemacht, meinen sie, und die "traditionelle österreichische Wirtshauskultur" sei durch ein komplettes Rauchverbot "existenziell gefährdet". Daher solle alles so bleiben, wie es derzeit ist.

Im Video: Was die Österreicher davon halten

© Video: News.at

Fahnenfrage

Heikel wird das, wenn die FPÖ das gelockerte Rauchverbot zur Fahnenfrage macht. Noch Anfang Oktober, im Wahlkampf, machte Wiens blauer Vizebürgermeister Johann Gudenus klar, dass das generelle Rauchverbot ein Knackpunkt für seine Partei ist: "Das Rauchverbot soll fallen." Aus Verhandlerkreisen ist zu hören, dass die ÖVP ursprünglich der FPÖ diesen "Erfolg" hätte gönnen wollen, doch dabei hatte man den Gegenwind nicht mitbedacht. Jedenfalls soll das Rauchen nun nicht mit dem Kapitel Standort/Tourismus verhandelt werden, sondern vom Gesundheitsteam. Und in diesem sitzt mit Alexander Biach, dem Chef des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, jener Mann, der über die Krankenkassen die Folgekosten des Rauchens zu stemmen hat.

Der Preis des Rauchens

Wenn man in den Koalitionsverhandlungen auf Millionen-Suche ist, kann man diese Zahlen nicht unter den Tisch fallen lassen: Das Institut für Höhere Studien errechnete jährliche Kosten von 750 Millionen Euro, die der österreichischen Volkswirtschaft durch Arbeitsausfälle, Krankenbehandlungen, Krankenstände und Invaliditätspensionen infolge des Rauchens entstehen. Und da sind die Einnahmen durch die Tabaksteuer schon gegengerechnet. In einer älteren Studie halten die Forscher zudem fest, dass ein Viertel der Folgekosten auf Passivraucher, die unfreiwillig mitrauchen, entfallen. Rund 14.000 Menschen sterben in Österreich jährlich an den Folgen des Rauchens. Laut einer aktuellen Studie der OECD rauchen in Österreich 24 Prozent der Menschen täglich, während es im internationalen Schnitt 18 Prozent sind. In den OECD-Zahlen zeigt sich der Effekt strenger Nichtrauchergesetze, wie sie europaweit üblich sind. International ist der Raucheranteil seit 2000 um 6,6 Prozentpunkte gesunken. Hierzulande blieb er gleich.

Gastronomen uneinig

"Wir haben unsere eigenen Studien", wehrt der Obmann der Sparte Gastronomie in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, solche Einwände ab. Und diese besagen, „dass man nicht mit dem Rauchen aufhört, nur weil alle Lokale das Rauchen verbieten. Man verbringt ja nicht den ganzen Tag im Gasthaus.“ Die Interessenvertretung rechnet mit einem Wirtshaussterben am Land und mit massiven Einbußen für Diskotheken und Clubs, wenn dort nicht mehr geraucht werden darf. "Hinzu käme eine Welle an Nachbarschaftsbeschwerden, weil die Raucher vor die Tür gehen." In Richtung jener, die es nicht mögen, wenn der Rauch aus dem Raucherzimmer durch offene Türen über ihr Schnitzel zieht, gibt sich der oberste Gastgeber resch: "Wenn es mich stört, dann gehe ich halt nicht mehr in das Lokal oder mache eine Anzeige." Unumstritten ist diese Linie unter den Gastronomen nicht. Wein-&-Co-Chef Heinz Kammerer hält die jetzige Regelung „gesundheitstechnisch für eine atemberaubende Verantwortungslosigkeit“ und „wettbewerbstechnisch für eine Sauerei“.

Völlig gegenteiliger Meinung ist hingegen Jackie Schneider, Wirtin in Wien-Ottakring. Ein Rauchverbot findet sie "beschissen. Ich sage es, wie es ist." Seit 14 Jahren führt sie das Espresso Jackie, ein uriges Beisl, von denen es in Wien nicht mehr viele gibt. Die Augen brennen, die Decke ist vergilbt. Jeden Tag zu Mittag kocht Jackie selbst, jeden Abend sitzen dieselben Gäste rund um die hölzerne Bar. "Ich zahle mein Lokal, ich zahle meine Steuern, keiner fragt, wie. Und jetzt wollen die mir auch noch vorschreiben, was ich zu tun habe." Jackie ist sicher, ein absolutes Rauchverbot würde das Ende für ihr Beisl bedeuten. "Wir kommen hierher, um was zu trinken, um blöd zu reden", sagt Stammgast Friedrich Stoifl , "wenn immer einer aus der Runde rausgehen müsste, um eine zu rauchen, stört das die Gespräche. Lasst uns doch bitte machen, was wir wollen!"

Rauchverbot
© Matt Observe Zum Haaresträuben! Im Espresso Jackie in Ottakring sorgt man sich um das absolute Rauchverbot. Beim Feierabendbier auf die Zigarette zu verzichten, wäre hier undenkbar

Christl Sedlar, Besitzerin des mittlerweile rauchfreien Café Prückel sagt: "Wissen Sie, wir sind in einer Demokratie. Warum kann nicht jeder Gastronom für sich entscheiden, was er möchte? Er kennt seine Gäste, er weiß, ob sie rauchen wollen oder nicht." Die Entscheidung, gänzlich rauchfrei zu werden, traf Sedlar ganz ökonomisch: "Es saßen nicht so viele Gäste drinnen im Raucherbereich, wirklich immer weniger." Das Rauchverbot im ganzen Lokal brachte nur Vorteile: "Wir haben gewonnen, wir haben wirklich gewonnen." Verluste von Stammgästen seien kaum spürbar, die meisten seien nach einer Weile wiedergekommen und gehen zum Rauchen hinaus.

Rauchverbot
© Matt Observe Christl Sedlar, Besitzerin des Wiener Cafés Prückel, bereut die Umstellung zum Nichtraucherlokal nicht.

Gerade davor hat Roberto Pavlovic, Besitzer der Roberto American Bar, Angst: "Ich habe bisher noch keine Anzeige bekommen, aber die Polizei wird bestimmt hier auftauchen, sobald mehr als zehn Leute draußen vor der Tür stehen", sagt er, "wir schenken Alkohol aus, und wenn jemand um zwei Uhr in der Früh nach draußen gehen will, um eine zu rauchen, hat er wahrscheinlich schon ein paar Drinks gehabt und spricht von Haus aus lauter." Deswegen befürchtet er das Vorverlegen der Sperrstunden. "Ich glaube, dass es eine absolute Katastrophe werden wird."

Rauchverbot
© Matt Observe Dass Rauchen noch immer schick sein kann, beweist die Roberto American Bar. Hier geht es um stilvollen Genuss

"Endlich Klarheit"

Werner Schmid ist Besitzer mehrerer Lokale, unter anderem des Café Okei in Gleinstätten in der Südsteiermark. Er will endlich einheitliche Regelungen: "Ich habe von diesen halbschwindligen Lösungen die Nase voll!" Für die Installation rechtskonformer Raucherbereiche habe er insgesamt 120.000 Euro ausgegeben, "so eine Summe muss man in der Gastronomie erst einmal verdienen", sagt er. Das loftartige Café Okei trennt eine riesige Glaswand. An der Bar, die im Nichtraucherbereich liegt, herrscht gähnende Leere, die Raucherzone ist gut gefüllt. "Ein Gutteil meiner Gäste sind Raucher, der Rest sind tolerante Nichtraucher. Ich bin mit jeder Lösung einverstanden -solange sie nur endgültig ist", sagt Schmid.

Rauchverbot
© Heinz Stephan Tesarek Werner Schmid will endlich klare Regeln. Für Trennwände musste er bereits sechsstellige Beträge hinblättern

Bettina und Josef Gross hätten einen Vorschlag, der die ganze Debatte ihrer Meinung nach langfristig beenden könnte. "Es wäre der richtige Weg, die E-Zigaretten zu fördern, weil dann kein Mensch auf der Welt mehr rauchen würde", sagen die Betreiber der Dampfbar in Wien.

Die Tourismusobfrau der Wirtschaftskammer, Petra Nocker-Schwarzenbacher - sie sitzt auch im ÖVP-Verhandlerteam - ortet ein Ost-West-Gefälle. In Westösterreich seien mehr als 50 Prozent der Betriebe für ein Rauchverbot, in Ostösterreich die Mehrheit für die geltende lockerere Regelung. "Die kleinen und mittleren Betriebe, die eine Existenzbedrohung sehen, hoffen jetzt wieder, nachdem die Diskussion wieder angeheizt wurde."

Allerdings berichtet Petra Stolba, die Chefin der Österreich Werbung, es gebe von den Gästen vor allem aus dem angloamerikanischen Raum viele Beschwerden über die Situation in Österreich. "In Briefen von Amerikanern und Australiern wird immer wieder Unverständnis ausgedrückt, dass in Lokalen geraucht werden darf und dass das als sehr störend empfunden wird." Und das sei nicht besonders gut für die Marke und den Tourismusstandort Österreich.

Ärzte alarmiert

"Es gibt kaum Maßnahmen, deren Nutzen wissenschaftlich so klar belegt ist wie der Nichtraucherschutz. Österreich darf in dieser wichtigen Angelegenheit nicht noch weiter zurückfallen", sagt Gerald Gartlehner, Professor für evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems. Bereits unmittelbar nach der Umsetzung würden sich Herzinfarkte reduzieren und Frühgeburten sowie Asthma bei Kindern zurückgehen. Ein Drittel aller Krebserkrankungen ist auf das Rauchen zurückzuführen.

Hellmut Samonigg, der Initiator von "Don't Smoke", sagt: "Das Rauchverbot in Lokalen jetzt wieder aufzuheben, wäre ein extremer Rückschlag und eine massiv vertane Chance, den Anschluss an europäische Standards zu schaffen. Ein völlig unakzeptabler Schritt."

Der Mediziner meint, dass auch die Raucher eigentlich über ein Rauchverbot in Lokalen froh seien. "Die allermeisten Raucher wollen von ihrer Sucht wegkommen." Rudolf Schoberberger, Gesundheitspsychologe an der Meduni Wien, erklärt außerdem: "Wir bieten stationäre Rauchertherapien, die drei Wochen dauern. Gerade diese Raucher haben es besonders schwer, weil eine hohe Abhängigkeit besteht. Für sie ist eine rauchfreie Umwelt besonders wichtig." Das absolute Rauchverbot vergleicht er mit der Gurtenpflicht im Auto: "Das ist auch eine Präventionsmaßnahme, die tatsächlich hilft." Zudem sei nachgewiesen, dass auch im häuslichen Umfeld weniger geraucht werde, wenn es in Lokalen verboten ist. Und: "Die Gastronomie leidet nicht, wenn das Rauchverbot für alle Lokale gleichermaßen gilt."

"Die jetzige Verbotsdiskussion geht nur von jenen aus, die an den Rauchern verdienen", kritisiert Samonigg. Das unterstreicht auch die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle: "Die Gastwirte sind gut organisiert und können gut kommunizieren, das liegt in ihrem Beruf. Die Politik fürchtet sich ein bisschen vor ihnen. Denn wenn sie am Stammtisch Stimmung machen, dann wirkt das." So ist auch der eigenartige Kompromiss zwischen Gesundheits-und Wirtsinteressen zu erklären, der zum jetzt noch geltenden schwachen Nichtrauchergesetz geführt hat. Rauchen nein, aber ein bissel was geht in Österreich halt immer.

Rauchen sei ein emotionales Thema so wie das Autofahren. "Da sieht man sich schnell in seiner Freiheit beschränkt, und es gibt kein Bewusstsein, dass man andere damit schädigt", so Stainer-Hämmerle. Heinz-Christian Strache und die FPÖ würden sich gerne auf solche Themen setzen, "bei denen jeder mitreden kann, ohne Experte zu sein".

Dass die Koalition an diesem Thema scheitern könnte, glaubt Stainer-Hämmerle nicht. "Aber vielleicht fordert die FPÖ ja eine Volksabstimmung."