Rainhard Fendrich:
"Ich sehe mich in der Pflicht"

Rainhard Fendrich steht auf, um ein Zeichen gegen soziale Kälte zu setzen. Gemeinsam mit der Volkshilfe will er Kinderarmut bekämpfen. Von der politischen Kaste ist er enttäuscht

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Klare Haltung - Rainhard Fendrich:
"Ich sehe mich in der Pflicht"

Gebrodelt hat es in dem Austropop-Barden schon länger. Das Titelstück seines letzten Albums, "Schwarzoderweiß", 2016 erschienen, war ein antirassistisches Plädoyer. "Die große Angst, der dumme Hass, kommt daher, weu ma z'wenig waß", sang er darin. Und in dem Lied "Nur miteinander" beschwor er den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und forderte: "Gemeinsam aufsteh'n gegen die Dummheit und Unersättlichkeit." In die Schlagzeilen wiederum geriet er zuletzt vergangenen Herbst, als er beim Geburtstagsfest von Manager Siegfried Wolf, bei dem er eigentlich das Musikprogramm machen wollte, zum Partycrasher mutierte und den ebenfalls anwesenden Damals-noch-nichtganz-Bundeskanzler Sebastian Kurz vor der versammelten Feiergemeinde wissen ließ, dass er dessen Regierungsbildung mit der FPÖ für eine "Frechheit" halte.

Reden allein genügt Rainhard Fendrich nun nicht mehr, er will etwas tun und gegen soziale Kälte und für mehr Menschlichkeit in Österreich aufstehen. Sein Engagement gilt dabei nicht etwa Flüchtlingen. Nein, er hat sich dafür, womöglich auch in weiser Voraussicht etwaiger Shitstorms, lieber eine Bevölkerungsgruppe ausgesucht, auf deren Schutzbedürftigkeit sich Herr und Frau Österreicher eher einigen können: Er will gemeinsam mit der Volkshilfe die Kinderarmut bekämpfen.

Plakat als Triebfeder

Unmittelbarer Auslöser war ein Plakat der karitativen Organisation, auf dem einem Kind den Satz "Wenn ich groß bin, werde ich arm" sagt. Fendrich ließ das Sujet nicht los. Er wandte sich an Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger und bot ihm sich aus seine Mithilfe an. "Das hat mich besonders gefreut", sagt dieser. "Fendrich zeigt eine klare Haltung, und das Thema ist ihm ein echtes Anliegen." Rund 290.000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind aktuell armutsgefährdet. Tendenz steigend.

Im April gibt die Austropop-Legende drei Benefiz-Konzerte in Salzburg (3.4., Congress), Graz (4.4., Orpheum) und Wien (5.4., Museumsquartier). Mit dem Reinerlös hilft die Volkshilfe Menschen in akuten Notsituationen, vor allem alleinerziehenden Müttern und Vätern, kinderreichen Familien sowie kranken und benachteiligten Kindern. Fendrich verzichtet auf jegliche Gage. Und das Ganze soll nur der Anfang einer langfristigen Zusammenarbeit sein.

»In Österreich sollten alle Kinder die gleichen Chancen haben, je nach ihren Fähigkeiten ihr Leben zu gestalten und nicht schon bei Geburt zu den Verlierern gehören«

Das lukrierte Geld sei die eine Sache, mindestens genauso sehr gehe es ihm darum, "den Aufschrei der Ungerechtigkeit hörbarer zu machen", erklärt der 63-Jährige seine Motivation. "In Österreich sollten alle Kinder die gleichen Chancen haben, je nach ihren Fähigkeiten ihr Leben zu gestalten und nicht schon bei Geburt zu den Verlierern gehören. Man hört immer wieder, dass Österreich zu den lebenswertesten Ländern gehört. Leider nicht für alle. Kinderarmut sollte es in einem Land mit so hohem Lebensstandard nicht geben."

Gesellschaftliche Verantwortung hätten zwar in ersten Linie die gewählten Volksvertreter zu empfinden, "dann gäbe es auch weniger Politskandale", kann sich der "Tango Korrupti"-Sänger einen Seitenhieb nicht verkneifen. Wenn die politische Kaste jedoch zu wenig unternehme, so sei jeder Einzelne gefragt: "Als Liederschreiber, der in seinen Texten die Gesellschaft, in der er lebt, reflektiert, kritisiert und manchmal aufregt, sehe ich mich in der Pflicht, nicht nur über Missstände zu singen, sondern im Rahmen meiner Möglichkeiten den Worten Taten folgen zu lassen."

Ein Hintergrund seines Engagements ist die Beobachtung, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zusehends bröckelt. Und dass dies ursächlich mit unserem gewachsenen Wohlstand zu tun hat. Anders formuliert: "Je schlechter es den Menschen geht, desto mehr steigt ihre Bereitschaft, anderen zu helfen, weil man es nur gemeinsam schaffen kann. Geht es der Mehrheit gut, werden die Gartenzäune höher. Österreich hat ein starkes, gesundes Herz. Ich denke nicht, dass unsere Gesellschaft gespalten ist, aber sie ist teilweise irregeführt durch Hetze, Angstmache und Unwahrheiten, die zur Verunsicherung vieler beitragen. So funktioniert Populismus."

Enttäuscht von Bundeskanzler Kurz

Besonders enttäuscht ist Fendrich nach wie vor von Bundeskanzler Kurz. Und zwar deshalb, weil er ihn im Grunde für "einen sehr talentierten und ambitionierten Politiker" hält. "Ich bin der festen Überzeugung, dass er das Beste für Österreich will. Aber seine Wende zur FPÖ hin hat mich wahrlich erschüttert. Während der Sondierungsgespräche hätte es Demonstrationen geben sollen, nicht erst bei der Angelobung, wo es zu spät war. Jetzt muss man genau hinschauen, was passiert."

»Ich bin der festen Überzeugung, dass er das Beste für Österreich will. Aber seine Wende zur FPÖ hin hat mich wahrlich erschüttert«

Die "Liederbuch-Affäre" um die Burschenschaft Germania hat den Verfasser der inoffiziellen Bundeshymne "I am from Austria" naturgemäß ebenfalls nicht kaltgelassen. "Dass hinter den verschlossenen Türen der Burschenschaften der völkische Kobold noch immer sein Unwesen treibt", überraschte ihn nicht. "Wie aber nach Bekanntwerden dieser abscheulichen Textzeilen von den mutmaßlichen Verantwortlichen damit umgegangen wurde, ist der wahre Skandal. Es ist leider genau das eingetreten, was ich durch diese Koalition befürchtet habe, nämlich, dass Österreich weltweit Schaden nimmt und wieder einmal als Naziland dargestellt wird."

Auch an diesem Punkt will der Sänger bei den Jungen ansetzen. Er fordert, dass der Holocaust ab der 9. Schulstufe zum Pflichtthema im Geschichtsunterricht wird: "Wenn man in der Pubertät mit Bedacht an dieses dunkle Kapitel herangeführt wird, die Bilder und Filmdokumente aus den Konzentrationslagern und dem Nürnberger Prozess bewusst sieht, ist schon ein großer Schritt in Richtung Vergangenheitsbewältigung getan, und dem Antisemitismus wird wenig Raum gelassen." Seine eigener Geschichtsunterricht in der 8. Klasse Gymnasium endete übrigens mit der Ermordung von Dollfuß.

Einsamer Kämpfer

Auffällig ist, dass Rainhard Fendrich mit solchen Ideen und Statements momentan recht allein dasteht. An sich sprechen sich Künstler gern für mehr Weltoffenheit und gegen Rechts aus. Anfang der 90er-Jahre gab es das Lichtermeer mit riesigen Kundgebungen in ganz Österreich, 2000 die Donnerstags-Demos gegen die erste schwarz-blaue Bundesregierung. Musiker und andere Kulturschaffende standen an vorderster Front.

»Ich kann mir vorstellen, dass manche Künstler angesichts der Aggression, die vor allem im Internet herrscht, ihre politische Meinung nicht mehr so frei äußern wollen«

Heute ist die Situation eine andere. Kollege Peter Cornelius entwickelte sich zum Wutbürger, andere deklarieren sich nicht mehr. "Ich kann mir vorstellen, dass manche Künstler angesichts der Aggression, die vor allem im Internet herrscht, ihre politische Meinung nicht mehr so frei äußern wollen", vermutet Fendrich.

Er selbst will nicht schweigen und arbeitet schon wieder an der Fertigstellung eines neuen Albums. "Am Anfang meiner Karriere hat man mir oft vorgeworfen, dass ich in meinen Texten nicht die Probleme der Zeit aufs Korn nehme", rekapituliert er. "Heute wird ein kritischer Text manchmal sogar als unangenehm empfunden, so als würde man die Popmusik gerne ausschließlich in der Bespaßungsecke abstellen."

So ändern sich die Zeiten. Eines ist Fendrich geblieben: "Meinen Humor habe ich trotz allem nicht verloren. Zorn ist keine gute Muse, denn er macht blind."

Dieser Artikel ist im News Nr. 6/2018 erschienen.