Quotenstars vor der Geisterstunde

Die Late Night Shows von Jan Böhmermann und Peter Klien haben viel mehr Publikum, als die veröffentlichten Quoten andeuten. Auch ohne TVtheken, Social Media und Wiederholungen sind die wahren Werte 30 Prozent höher.

von Medien & Menschen - Quotenstars vor der Geisterstunde © Bild: Gleissfoto

Böhmermann ist Bildungsprogramm. Denn sein "ZDF Magazin Royale" erreicht viele Seher, die keine deklarierten politischen Nachrichtensendungen schauen. Dass der deutsche Brachialsatiriker diese Verantwortung als Aufklärer zwar auf gesicherter Faktenlage, aber durchwegs parteiisch wahrnimmt, ist zugleich Hauptangriffspunkt aller Kritiker und Erfolgsgeheimnis der Show am späten Freitagabend. Denn wie er zuletzt Sebastian Kurz' neuen Arbeitgeber Peter Thiel zerlegt und die Instagram-Betulichkeit "Ich bin Sophie Scholl" verrissen hat, bot enorm viel Information und war ganz großes Kino.

Das schlägt sich auch in Publikumszahlen nieder. Doch hier gibt es einen anhaltenden Widerspruch zwischen den am Samstagmorgen verfügbaren Reichweiten und Marktanteilen und jenen Quoten, die Wikipedia aufbewahrt. Letztere sind deutlich höher. Böhmermann bildet auch in der Frage nach diesem Warum: Erst eine Woche nach den tagesaktuell verbreiteten Daten sind statistisch endgültig gewichtete Werte verfügbar. In sie fließt das Publikum ein, das via Festplattenrecorder zeitversetzt schaut. Nicht enthalten bleiben hingegen die TVthek-Seher. Auch ohne sie stieg die Reichweite des "ZDF-Magazins" zu Thiel nach der Gewichtung noch um eine halbe Million auf 2,4 Millionen allein in Deutschland an, wo es bei den unter 50-Jährigen 27 Prozent Marktanteil erreicht hat. Nicht nur, weil Böhmermanns Redaktion ihm immer wieder austro-affine Themen aufbereitet, liegt die Latte für Peter Klien und sein "Gute Nacht Österreich" (GNOe) also enorm hoch. Doch auch für diese ORF-Produktion gilt, dass die tags darauf kursierenden Daten nicht annähernd den wahren Zahlen entsprechen. Abgesehen vom gehypten Neustart wurden für die fünf Folgen danach 243.000 bis 287.000 Zuschauer angegeben. Doch die endgültigen Werte lagen im Schnitt um 30 Prozent darüber. Klien hat bei den unter 50-Jährigen bisher 23 Prozent Marktanteil - exakt wie Böhmermann. Wenn kein Skirennen war, erzielte die Late Night Show für ORF 1 jeweils die beste Quote des Tages.

Da "ZDF Magazin Royale" und "Gute Nacht Österreich" am Freitag ab 23 Uhr parallel laufen, sind sie auch ein Indiz dafür, wie sich junges Publikum immer noch für lineares Fernsehen gewinnen lässt -das gute alte termingebundene Patschenkino. Denn der Großteil der Seher schaut Böhmermann, Klien oder etwas anderes immer noch live statt zeitversetzt. Beim 41-jährigen ZDF-Mann kommen abgesehen von den TVthek-Nutzern auch noch jeweils eine Million Follower bzw. Abonnenten auf Facebook, YouTube und bald auch Instagram sowie 2,5 Millionen auf Twitter hinzu. Er dürfte heute der relevanteste politische Influencer im deutschen Sprachraum sein.

Das bedeutet: ORF 1 ist mit Sendungen wie "GNOe" auf dem richtigen Weg. Es ist bereits in der Publikumsdimension von "Willkommen Österreich", das immer am Dienstag gegen die "ZIB 2" antritt. Die danach kurz vor Mitternacht ausgestrahlten Wiederholungen der Klien-Show haben im Schnitt weitere 150.000 Menschen erreicht. Es waren also insgesamt jeweils mehr als eine halbe Million Zuschauer pro Ausgabe. Das ist ein schöner Erfolg, der zeigt, wie ORF 1 auch ohne Sport-Events den positiven Umkehrschub schaffen kann. Die langfristige Erfolgsformel dafür ist allerdings Relevanz. Der zehn Jahre ältere Peter Klien ist zwar ein ganz anderer Typ als Jan Böhmermann, doch auf Dauer muss der investigative Ansatz bei "GNOe" noch deutlich gestärkt werden. Die politische Brisanz dieses Aspekts ist der uneingestandene Grund, warum "Gute Nacht Österreich" schon einmal in Zwangspause geschickt wurde. Schon damals war die offi zielle Ursache -Quotenschwäche -nur vorgeschoben. So lässt sich mit den wirklichen aktuellen Daten nicht mehr argumentieren.