Quallen - Ohne Hirn lebt es sich ganz gut: Nesseltiere sind sehr einfach gebaut

Qualle vernesselt Menschen nicht absichtlich Ursachen für Massenauftreten nicht restlos geklärt

Wenn eine Qualle einen Menschen vernesselt, so tut sie das nicht absichtlich. Die einzelnen Nesselkapseln arbeiten völlig autonom: Ein Berührungsmechanismus verschießt den Inhalt, egal wer oder was ihn auslöst. Autonomie von Kapseln und Tentakeln ist für Nesseltiere, zu denen Quallen zählen, auch nötig, schließlich besitzen sie keinerlei Gehirne als steuernde Schaltzentralen. Doch auch ohne Hirn lebt es sich offenbar ganz gut.

Nesseltiere sind generell sehr einfach gebaut: Eine Hautschicht außen, eine Hautschicht innen und dazwischen - nach Bedarf - jede Menge Gelee als Stützsubstanz. Der Darm ist ein einfacher Sack, eleganter ausgedrückt: "eine blind endende Einstülpung". Spezialzellen in den Hautschichten übernehmen nötige Aufgaben, so gibt es einfache Augen, Muskel- oder Verdauungszellen. Das Nervensystem ist ein gleichförmig über den Körper verteiltes Netz, das bestenfalls an Schirmrändern oder Tentakelansätzen gewisse Konzentrationen aufweisen kann.

Quallen - auch Medusen genannt - sind eigentlich keine Tiergruppe, sondern eine Erscheinungsform vieler Nesseltiere. Zahlreiche Vertreter können sowohl als fest sitzende Polypen als auch als frei schwimmende Quallen vorkommen. Es gibt aber auch Arten, welche die eine oder andere Erscheinungsform im Laufe der Evolution abgelegt haben. So sind etwa vom Süßwasserpolypen Hydra keine Medusen bekannt. Auch viele Korallen, Kolonien von Nesseltierpolypen, verzichten auf Quallengenerationen.

Eine ganz spezielle Lebensform ist die von Schwimmern gefürchtete Portugiesische Galeere. Sie ähnelt einer Qualle, tatsächlich handelt es sich aber um eine Kolonie von Polypen. Dabei gibt es Fresspolypen, die auf die Nahrungsaufnahme spezialisiert sind oder auch Wehrpolypen, welche die Nesselzellen tragen. Anstatt des Quallenschirms sorgt eine luftgefüllte Blase für Auftrieb und Fortbewegung, die Tentakel können viele Meter im Wasser nachgezogen werden.

Bei Arten mit Generationswechsel sind die Polypen meist ortsgebunden. Sie leben auf Steinen, im Sand oder auch auf anderen Tieren oder Pflanzen. Über die Tentakel fangen sie Kleinlebewesen, die dann zur Mundöffnung transportiert und verdaut werden. Um sich fortzupflanzen können sich die Polypen teilen, es entstehen einfach neue Polypen. Unter bestimmten Umständen - die sind von Art zu Art völlig unterschiedlich - schnüren die Polypen Scheibchen von ihrem Körper ab, die sich lösen und zu vorerst kleinen Quallen werden.

Voll ausgewachsen bilden die Quallen dann auch Geschlechtszellen, Eier, die von Spermien befruchtet werden müssen, um reifen zu können. Aus den entstehenden Larven bilden sich dann in der Regel wieder Polypen, die sich einen festen Platz, etwa an einem Riff, suchen müssen, und der Kreis schließt sich.

Ursachen für Massenauftreten nicht restlos geklärt
Über die Umstände, die zur Bildung von Quallengenerationen führen, wird viel diskutiert und auch spekuliert. Tatsache ist, dass das Massenauftreten von Quallen ein natürliches Phänomen vieler Nesseltierarten ist. Quallen bilden als Geschlechtstiere Eier und Spermien, die ins freie Wasser abgegeben werden. Eine Befruchtung ist nur dann gewährleistet, wenn möglichst viele Tiere an einem Ort konzentriert sind. Als schlechte Schwimmer sind Quallen dabei Wind und Strömungen ausgesetzt. Ungewöhnliche Wetterkapriolen können einen Schwarm ebenso zerstreuen, wie irgendwo konzentrieren.

Viele Wissenschafter sind aber davon überzeugt, dass die Küsten- und Meeresverschmutzung zur explosionsartigen Vermehrung beitragen kann. Beispielsweise über Flüsse eingeschwemmte Düngestoffe führen vorerst zu einer Vermehrung mikroskopisch kleiner Algen und Kleintiere. Davon profitieren dann sowohl Polypen wie auch Quallen. Im Schwarzen Meer wurden etwa vor allem in den neunziger Jahren Massenauftreten von Quallen auf die Verschmutzung dieses vergleichbar kleinen Meeres geführt.

Quallenplagen - wie etwa in diesem Jahr im Mittelmeer - wurden und werden aber auch auf direkte Eingriffe des Menschen in die marinen Lebensräume zurück geführt. So brachte die weltweit beklagte Überfischung der Meere auch einen Rückgang der natürlichen Feinde der Quallen, wie etwa den Tunfischen. Quallen stehen auch auf dem Speiseplan von Wasserschildkröten, die vielerorts ebenfalls sehr rar geworden sind.

Nicht zuletzt könnte auch die Erderwärmung zur Vermehrung der Quallen beitragen, so Umweltexperten. So ereignen sich viele Quallenschwärme nur bei hohen Temperaturen. Mehr Wärme, mehr Quallen, lautet die einfache Rechnung. Auch die in Österreich zu beobachtende Süßwasserqualle Craspedacusta sowerbyi liebt es warm. Während die winzigen Polypen ganzjährig am Grund der Gewässer leben, kommt die Quallengeneration nur zum Vorschein, wenn die Wassertemperaturen über einen längeren Zeitraum ungewöhnlich hoch sind.

Im Gegensatz zur harmlosen Süßwasserqualle sind einige Vertreter im Meer auch für Menschen extrem gefährlich. Wirklich tödliche Verletzungen kann etwa die Portugiesische Galeere verursachen, die allerdings im Mittelmeer nicht vorkommt und tropische Meere bevorzugt. Ebenfalls nur Fernreisende können Gefahr laufen, von den ebenfalls tödlich giftigen Seewespen vernesselt zu werden. Diese um Australien und im Pazifik vorkommenden, wenige Zentimeter hohen Quallen gehören zu den gefährlichsten Meerestieren überhaupt. Alljährlich werden Dutzende Todesfälle gemeldet.

Aber auch im Mittelmeer gibt es Quallen, die höchst unangenehme Verletzungen verursachen können. Dazu gehören etwa Leuchtquallen, die heuer besonders im westlichen Mittelmeer Einheimische wie Urlauber zur Verzweiflung bringen. Nach Tausenden gemeldeten Verletzungen mussten etwa in Spanien ganze Strände gesperrt werden. Teilweise wurden bis zu 100 Tiere pro Quadratmeter gezählt.
(apa)