Die Qual mit der Briefwahl

Die Verschwörungstheorien nach der Wahl blühen. Ist eine Wahlmanipulation denkbar?

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Fakten - Die Qual mit der Briefwahl

Als am Montag nach der Stichwahl die Briefwahlstimmen das Ergebnis dann tatsächlich drehten, argwöhnten Tausende, dass die Wahl gefälscht sei. Geschürt wurde das Gerücht freilich auch von der FPÖ, die bereits im Vorfeld vor möglichen Manipulationen warnte. Erst als die Debatte auf seiner Facebook- Seite entgleiste, zog Heinz-Christian Strache am Dienstag die Notbremse und forderte Mäßigung. Aber was ist dran am Argwohn? Ist Wahlbetrug tatsächlich auszuschließen?

Robert Stein kennt den Wahlvorgang genau, er ist Wahlleiter des Innenministeriums. Er sagt: „Bei der Wahl ist alles in geordneten Bahnen verlaufen. Im Internet kursieren nur leider Dolchstoßlegenden.“ Die 766.067 Stimmen der Briefwahl werden bezirksweise ausgezählt. Bei Wahlkarten wird zuerst geprüft, ob sie zulässig sind, dann werden sie durchgemischt und zuletzt gezählt. Deshalb dauert der Vorgang lange. „Entscheidend ist, dass immer Parteienvertreter dabei sind“, sagt Stein. Parteien können Vertreter entsenden – wie viele, hängt vom Abschneiden bei der Nationalratswahl ab. Die FPÖ konnte diesmal also mehr Parteienvertreter schicken als die Grünen.

Wahlbetrug unwahrscheinlich

Kann die Wahl trotzdem manipuliert werden? „Kann ein Schiff sinken? Ja, das ist möglich“, sagt Robert Stein. Aber dass es nicht auffällt, sei höchst unwahrscheinlich. Eher bestehe bei der Briefwahl die Gefahr kleinerer Unregelmäßigkeiten: In patriarchalen Familien kann nicht sichergestellt werden, dass jeder geheim wählt; gelegentlich unterläuft der Post ein Fehler und Wahlzettel gehen verloren; und Wähler können Bevollmächtigte angeben, die Wahlkarten für sie abholen, Manipulation ist hier nicht auszuschließen. In einem relevanten Ausmaß lässt sich das Ergebnis so aber kaum beeinflussen, bräuchte es doch Hunderte Wahlbetrüger, die ihr Vorhaben geheim halten.

Der Verdacht einer Unregelmäßigkeit besteht momentan nur in vier Kärntner Bezirken, das Innenministerium brachte sie am Mittwoch zur Anzeige. Die Briefwahlstimmen wurden dort möglicherweise zu früh ausgewertet. Es sind jedoch in jedem Fall zu wenige Stimmen, um die Wahl zu drehen.

Warum dauert das so lange?

Weshalb dauert die Auszählung der Briefwahlstimmen überhaupt so lange und wieso wählen diese Wähler ganz anders als die übrige Bevölkerung? Briefwahlstimmen werden erst am Montag nach der Wahl gezählt. „Es ist nicht möglich, sicherzustellen, dass die Wahlkommissionen sonntagnachts beschlussfähig sind“, sagt Stein. Die Parteienvertreter, die freiwillig auszählen, kämen dann nicht. „Beamte zu finden wäre machbar, aber demokratiepolitisch ist es ein Problem.“

Die Parteien wollen dennoch darüber diskutieren. Die FPÖ fordert, die Frist für die Briefwahl zu verkürzen. Christoph Hofinger vom Meinungsforschungsinstitut Sora ist auch für eine Änderung. Denn das Ergebnis am Wahl tag hat immer weniger mit dem tatsächlichen Resultat zu tun. Hofinger verdanken die Wähler, dass das Endergebnis dennoch schon am Sonntag absehbar war. Seine Hochrechnung für den ORF, die Van der Bellen vorne sah, war richtig. Dazu musste er erheben, wer die Briefwähler sind. „Sie haben ein höheres Bildungsniveau und können es sich leisten, zu verreisen“, sagt Hofinger. Briefwähler sind überwiegend Städter, manche Gruppen, beispielsweise Studenten, wählen häufig per Brief.

Viele Grünwähler entsprechen dem Profil, also schneiden die Grünen bei den Briefwählern gut ab. Man ging mit der Prognose auf Sendung, jedoch mit der Einschränkung, dass Van der Bellen nur leichte Vorteile habe. „Wir wollten keinesfalls den falschen Präsidenten ausrufen“, sagt Hofinger. Seine Berechnung stimmte, die Manipulationslegenden bleiben. „Verschwörungstheorien sind nicht widerlegbar“, sagt Autor Clemens Setz. „Wer sie einmal glaubt, hält jedes Argument dagegen für einen Teil davon.“ Er selbst sei Hypochonder und kann das Phänomen insofern nachvollziehen, als auch er von anderen in seinen Ängsten bestätigt werden wolle.

Gegen Verschwörungstheorien nach Wahlen gibt es ein einfaches Mittel: Jeder Kandidat hat die Möglichkeit, Unregelmäßigkeiten anzuzeigen. Sind diese so groß, dass sie das Ergebnis drehen würden, kann man die Wahl anfechten. Zaubertinte in den Kugelschreibern ist allerdings eher kein gutes Argument.

Kommentare

andi56 melden

Bei diesen Wahlen ist man sehr schlampig vor gegangen, wenn Stimmzetteln 1x zerrissen werden könnte es auch öfter passiert sein.
eine Synonym für freie Wahlen, wenn du jemanden wählst das dem anderen nicht passt. Richtiger weise müsste sie wiederholt werden und strenger beobachtet - aber bringen würde es nichts.

Henry Knuddi
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bringen würde es nur kosten, die dann das volk bezahlen muss

Nüchtern betrachtet kann man ja nicht behaupten, das alles ordnungsgemäß verlaufen ist. Man könnte behaupten, dass diese Wahl zu 90% Prozent korrekt verlaufen ist. Das kommt wohl eher der Wahrheit ein Stück näher. Daher ist dieses Ergebnis nur zum Teil als "ordnungsgemäß" zu akzeptieren. Da sollte man schon erkennen.

Oberon
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Um bei den vielen Schlampereifehlern der letzten BP-Wahl misstrauisch zu werden, brauche ich keine FPÖ oder sonstigen Einflüsterungen. Ich bilde mir selber meine Meinung.

Bei den im Artikel angeführten postings, Beispiel "Zaubertinte", sollte man auch erfahren dürfen, von WEM sie verfasst sind. Es soll nämlich auch extreme Grüne geben, die sich über ihre Gegner lustig machen.
Das gibt's ....

Oberon
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.... ja auch hier!

Mir ist bisher noch nie der Gedanke gekommen, bei den vorangegangenen Wahlen könnte nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein, aber - schon EIN Fehler ist genau einer zu viel.

Frage: Wie würden umgekehrt die Grünen reagieren, wenn unter den gleichen Voraussetzungen Hofer die BP-Wahl gewonnen hätte?

higgs70
higgs70 melden

Weiß man ja eh, von wem z.B. das Zaubertinten-posting verfasst wurde, nämlich von Tina Puchinger, das ist jene Kaffeesudleserin, auch Mystikerin genannt, die HC Strache berät oder beraten und für schlappe 6000 Euronen (aus Steuergeldern) mit einem Schutzzauber belegt hat. Immer wieder beruhigend zu wissen übrigens, woran sich mögliche zukünftige Entscheidungsträger so orientieren.

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giuseppeverdi melden

Oberon Ihre Frage ist mehr als berechtigt. Da werden von links/linken Postern die - zugegeben überhöhten Gehälter - von FPÖ-Parteiangestellten veröffentlicht und dabei so getan, als gebe es das bei den Linken nicht. Ich erinnere nur an das "Caperl", der - als er als Klubobmann der SPÖ ausgeschieden ist - mit dem NR-Salär von brutto 8.600 Euronen nicht ausgekommen ist und dann zusätzlich mit...

giuseppeverdi melden

...der Leitung eines Parteiinternen Institutes betraut wurde und so wieder auf rund 14.000 Euro im Monat gekommen ist (den genauen Betrag weiß ich nicht daher gilt die Unschuldsvermutung) Diese Posting der links/linken Poster richten sich von selbst und rufen in mir wegen der dort sichtbar gemachten Neidkomplexe nur einen Brechreiz hervor!

giuseppeverdi melden

Nur damit ich es erwähne. Dem Cap sein Gehalt ist natürlich auch aus Steuergeld bezahlt.

Oberon
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@higgs70, so weit reicht mein Misstrauen nicht, dass ich die Theorie einer "unsichtbaren Schrift", von einer Wahrsagerin verkündet, ernst nehme. Als Realist halte ich nichts davon, und auch nichts von Esoterik.
Aber - eine Partei kann sich seine Fans nicht aussuchen. Jeder seltsame Kauz, Spaßvogel oder Troll kann auf jeder Parteiseite seine unausgegorenen Gedanken verkünden.

Oberon
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@giuseppeverdi, der Begriff Freunderlwirtschaft ist unter der Herrschaft der Roten zu einer neuen Hochblüte gekommen. Klar, fischt man bei der gegnerischen Partei gerne "im trüben" und hofft auf reichlichen Fund.
An diesem Verhalten wird sich wohl kaum was ändern.

Henry Knuddi
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demnach werden wir von kaffeesudleserin regiert?

Ich besitze eine sogenannte Bürgerkarte. Die ist - wenn man den Behörden glauben darf - völlig sicher vor Fälschungen und Hackern. Warum darf ich dann unter Verwendung dieser Bürgerkarte nicht im Internet wählen?

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