Terroranschlag in Wien: Wie
erkläre ich es meinem Kind?

"Nicht in Ängste verfallen, sondern innere Ruhe finden - genau das gibt Kindern Sicherheit"

Schüsse mitten in der Wiener Innenstadt. Ein Terrorangriff bei uns, im sicheren Österreich? Was für uns schwer begreiflich ist und Angst macht, können Kinder gar nicht verstehen. Der Leiter des psychologischen Dienstes der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien weiß, wie Eltern in der Akutsituation vorgehen sollen.

von Psychologie - Terroranschlag in Wien: Wie
erkläre ich es meinem Kind? © Bild: istock images

Seit gestern sind die Schreckensmeldungen über Terror so nah wie noch nie. Die Schulpflicht in Wien wurde für heute von Innenminister Nehammer aufgehoben. Das geht auch an Kindern nicht spurlos vorbei. Experten stimmen überein, dass Eltern ihre Kinder nicht vor schlimmen Nachrichten bewahren können – und es auch nicht sollten. Ausnahme: Kinder unter drei Jahren dürfen von dem Geschehnissen ferngehalten werden - in diesem Alter bedarf es noch keiner Konfrontation mit derartigen Nachrichten.

»Eine Tabuisierung des Themas ist ein Kardinalfehler«

Für Kinder aller anderen Alterstufen besteht jedoch Aufklärungsbedarf. "Das Thema muss aufgegriffen werden. Eine Tabuisierung des Themas ist ein Kardinalfehler ", sagt auch Hannes Kolar, Leiter des psycholighschen Dienstes der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien. Bereits Kleinkinder merken deutlich, wenn Eltern von einer Sache betroffen sind. Die kindlichen Emotionen schwingen mit jenen der Eltern mit. Spätestens ab etwa 5 Jahren benötigt es auch eine kindgerechte Erklärung.

Mehr innere Ruhe, weniger Details

Sich Zeit nehmen, um Sicherheit zu vermitteln und die Fragen der Kinder zu beantworten, sei jetzt genau das Richtige, weiß Kolar. Davon, grausame Details zu berichten, Videos zu zeigen oder gemeinsam Nachrichtensendungen zu verfolgen, rät er allerdings ab.

So erklären Sie es kindgerecht

Die richtigen Worte zu finden, fällt vielen Erziehungsberechtigten nicht leicht. Hier eine kurze Anleitung vom Profi:

"Ein Mann hat auf der Straße in Wien andere Menschen verletzt und auch welche getötet. Es ist furchtbar! (Emotionen vor dem Kind zu zeigen ist gut). Und dann geht es in Richtung Sicherheit vermitteln: "In wenigen Minuten war die Polizei dort und hat den Täter gefasst. Wir sind zuhause sicher. Die Polizei kümmert sich darum, dass alle böse Menschen gefasst werden. Du gehst heute nicht in die Schule, weil die Polizei gerade alles untersucht und die Sicherheit überall wieder herstellt."

Was, wenn Kinder Fragen stellen?

Falls Fragen zu den Motiven des Anschlags kommen, können Sie wie folgt antworten: "Es gibt Menschen, die andere Menschen töten um ihnen Angst zu machen. Und ihr Ziel ist es, dass die Menschen ihren Befehlen gehorchen und ihren Regeln folgen. Aber das ist natürlich verboten bei uns. Deshalb geht die Polizei gegen diese Menschen vor."

Mit älteren Kindern ab zwölf Jahren könne man schon differenzierter sprechen. Hier könne man erklären, dass es sich um ein internationales Phänomen handelt. Gemeinsam kann man darüber sprechen, welche Wurzeln Terrorismus hat. Einfach die Motivlage detaillierter erörtern.

Soll ich über Tote sprechen?

In jedem Fall sei es wichtig, Gefühle nicht wegzureden, sondern zuzugeben, dass Angst und Trauer in dieser Situation angebracht seien. Wichtig: Eltern dürfen aussprechen, dass Menschen durch andere Menschen gestorben sind. Übrigens: Kommen keine weitere Fragen von den Kindern, ist das in Ordnung. Aufdrängen solle man ihnen die näheren Ausführungen des Themas nicht.

Ablauf des Gesprächs

  • Grundinformation: Fakten kindgerecht erklären (siehe oben)
  • Sicherheit vermitteln: "Zuhause sind wir sicher"
  • Fragen beantworten:"Hast Du noch Fragen?" Nicht mit Informationen überschütten, keine Videos, keine Details

Tipp an die Eltern: Beruhigen Sie sich! "Bei den Kindern schwingen immer die Emotionen der Eltern mit. Je ruhiger und klarer kommuniziert wird, desto besser für die Kinder", sagt der Experte.

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Wie soll man die nächsten Tage gestalten?

Eltern müssen zu einer Beruhigung beitragen, zu einem innerlichen Gleichgewicht finden. Angebote wie: "Wenn du mehr wissen willst, kannst Du mich jederzeit fragen - wir können gerne darüber sprechen" seien hilfreich. Dem Experten sei natürlich auch bewusst, dass auf Grund von Corona und Lockdown schon zuvor eine sensible Situation in der Gesellschaft herrscht. Die aktuelle Entwicklung sei für labile Eltern eine besonders schwere Situation.

Tipp: Die Kindernachrichtensendung logo! auf ZDF hat ein gutes Erklär-Video für Kinder zum Thema: Was sind Terroristen

Für Eltern ist der Umgang mit der Situation jedenfalls eine Herausforderung. "Bezugspersonen liefern Emotionen mit", sagte Traumapsychologe Cornel Binder-Krieglstein gegenüber der "APA". Der Druck auf die Erziehungsberechtigten ist groß. Authenzität ist von großer Bedeutung: "Eltern müssen nicht in jeder Situation souverän sein", betont Soziologin Ulrike Zartler von der Uni Wien. Sie sollten nicht tun, als wären sie nicht emotional betroffen.

Hier bekommen Sie Hilfe

Wer sich dem Thema nicht gewachsen fühlt, kann professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Klinische Psychologen sind unter folgender Hotline der Stadt Wien erreichbar: 01 4000 8011. Auch bei Rat auf Draht und dem Kriseninterventionszentrum kümmern sich Experten kostenlos und sofort um ihre Anliegen. Österreichweit ist der Notfallpsychologische Dienst Österreich aktiv. Dort ist rund um die Uhr unter der Nummer 0699 188 554 00 jemand erreichbar.

Zudem steht die Corona-Sorgenhotline, die sich nun auch mit dem Thema Terror befasst, bereit. Sie ist täglich von 8.00 bis 20.00 Uhr unter der Nummer (01) 4000 53000 besetzt. Rund um die Uhr kann man auch die psychiatrische Soforthilfe für Wien unter (01) 31 330 kontaktieren.

Wie geht es weiter?

Zum Abschluss noch ein beruhigendes Detail: Kinder beschäftigen solche abstrakten Themen wie "Terror in Wien angekommen" nicht so lange wie Erwachsene. Wenn Eltern es schaffen, ihrem Kind mit ruhiger sachlicher Art zu erklären, was passiert ist, kann man schnell wieder zum Alltag übergehen. Denn: Eltern sind der Fels in der Brandung, an denen sich die Kinder orientieren und gut festhalten können. Sollten Kinder dennoch über eine längere Zeit Ängste zeigen, wie etwa auf dem Schulweg einen Terroranschlag fürchten, sollte professionelle Beratung aufgesucht werden.