Prinz Harry:
Endlich angekommen

Kurz vor der Hochzeit von Prinz Harry beschreibt Biografin Katie Nicholl in ihrem neuen Buch seinen Weg vom Partyprinzen zum Philanthropen und Ehemann. Wie sein Afghanistan-Einsatz ihn für immer veränderte und was Meghan Markle zu Mrs. Right macht, erzählt sie im exklusiven Interview

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Royals - Prinz Harry:
Endlich angekommen

Der junge Prinz war gerade 19 Jahre und feiert im VIP-Club Kensington Roof Gardens mit Freunden eine seiner legendär wilden Partys. An diesem Abend traf Showbiz-Reporterin Katie Nicholl, die für einen anderen Event vor Ort war, die Nachwuchshoheit erstmals persönlich. "Er lud mich ein, ihm Gesellschaft zu leisten. Er war einnehmend und sympathisch und hatte dieses spitzbübische Funkeln in den Augen. Ich war von Beginn an von ihm fasziniert", sagt sie.

Die Faszination hält bis heute: Nicholl avancierte zur royalen Expertin der Fernsehsender Sky und BBC sowie für das Magazin "Vanity Fair" und schrieb zwei Bücher über "Kate - The Future Queen" und das Brüderpaar "William und Harry". Wie Prinz Harry in den 15 Jahren seit damals vom häufig über die Lust am Leben stolpernden Skandalprinzen zum verantwortungsvollen Philanthropen und Bald-Ehemann heranwuchs: Das beschreibt die 41-jährige Mutter zweier Kinder in ihrem aktuellen Buch "Harry - Ein Leben zwischen Liebe und Verlust".

Punktgenau erscheint es wenige Wochen vor der Hochzeit, die der Thronfolge-Fünfte am 19. Mai mit der bürgerlichen Amerikanerin Meghan Markle schließt. Die Recherchen erfolgten mit Akribie, wie Nicholl im News-Interview erzählt. "Ich habe für dieses Buch mit hundert Menschen gesprochen, und keiner konnte ein schlechtes Wort über den Prinzen sagen."

Eskapaden, mit denen er weltweit Gesprächsstoff erzeugte, spart die Autorin nicht aus. Etwa die vom Jänner 2005: Da tauchte der Prinz auf einer Party mit dem Motto "eingeboren und kolonial" in einer Uniform von Rommels deutschem Afrikakorps samt Hakenkreuz auf. Oder im August 2012, als er im Wynn Hotel in Las Vegas eine alkoholgetränkte Nacht mit einer Einladung zum Strip-Billard krönte. Damals entstanden weithin beachtete Nacktfotos des Royals samt weiblicher Entourage. Nicholl verschweigt nichts, doch sie forscht auch nach dem Warum. Dianas Ex-Bodyguard Ken Wharfe zum Beispiel hätte ihm eine verantwortungsbewusste Personenschutztruppe gewünscht: "Es hätte jemand da sein sollen, der sagt: 'Nein, Sir, das ist keine gute Idee.' Jemand, der ihn vor sich selbst beschützt."

Dem Tod ins Auge geblickt

Die Eskapaden seien Teil seiner Selbstfindung gewesen, argumentiert die Autorin mit Blick auf den frühen Verlust der Mutter. "Er ist in Williams Schatten aufgewachsen, hat immer zu ihm aufgesehen. Die beiden stehen sich unglaublich nahe, sind beste Freunde. Aber Harry wusste, dass es für ihn keine Rolle gab, dass er nicht König werden würde", so Nicholl. "Es gab niemanden, der ihm sagte, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er musste selbst seinen Weg, seine Aufgabe finden."

Entscheidend dafür sei seine Zeit beim Militär gewesen, vor allem in Afghanistan. In einem erst jetzt in der Biografie publizierten Interview erzählt der Prinz von einem Hauptfeldwebel, der ihn in einer Phase der Orientierungslosigkeit vorangebracht habe. "Er schnauzte mich immer im richtigen Moment an und gab mir das Selbstvertrauen, zu wissen, wer man ist." Dass er als Mitglied des Königshauses zweimal dem Tod entrann, verblüffte selbst die erstklassig informierte Autorin bei ihren Recherchen. "Alle dachten, er würde außerhalb der Gefahrenzone einen ruhigen Job machen. Dabei war er mittendrin und hätte bei zwei Gelegenheiten getötet werden können."

Prinz Harrys Einsatz führte ihn in die Provinz Helmand. Seine Aufgabe war die taktische Luftsteuerung. Er musste alle Bewegungen im Gebiet beobachten, mittels Wärmekameras den Feind lokalisieren, Koordinaten verifizieren und Angriffsziele definieren. Nicholl sprach mit Harrys Truppenkommandeur Captain Leigh-Wood, der sich beeindruckt zeigte: "Wir wurden so ziemlich jeden Tag beschossen und kamen einmal die Woche in eine richtige Auseinandersetzung, aber er ist mühelos damit fertiggeworden. Er ist mutig."

»Ich habe seit vier Tagen nicht geduscht. Etwas Normaleres werde ich nie erleben«

Prinz Harry bei einem Interview während seinem Einsatz in Afghanistan

Die Lebensführung hätte nicht spartanischer sein können. Geschlafen wurde auf Feldbetten bei teilweise bis zu minus 27 Grad in granatensicheren, aber ruinenartigen Unterkünften ohne jeglichen Komfort, ohne fließendes Wasser oder Heizung. Schräg in den Boden gesteckte Plastikröhren dienten als Urinal, die Toiletten baute man selbst aus Sperrholz. "Ich habe seit vier Tagen nicht geduscht, habe seit Wochen meine Kleidung nicht gewaschen, und alles scheint vollkommen normal ... ich glaube, etwas Normaleres werde ich nie erleben", wird Prinz Harry in der Biografie zitiert. Als sein Aufenthaltsort aufflog, musste er unter großem Bedauern zurück in die Heimat - mit zwei schwerverletzten Soldaten im Flugzeug. "Der Krieg hat Harry für immer verändert. Er ging als Bub und kam als Mann zurück. Dort hat er seine Aufgabe im Leben gefunden: zu helfen, etwas zu verändern", sagt Nicholl.

"Ich glaube, etwas Normaleres werde ich nie erleben", wird Prinz Harry in der Biografie zitiert. Als sein Aufenthaltsort aufflog, musste er unter großem Bedauern zurück in die Heimat -mit zwei schwerverletzten Soldaten im Flugzeug. "Der Krieg hat Harry für immer verändert. Er ging als Bub und kam als Mann zurück. Dort hat er seine Aufgabe im Leben gefunden: zu helfen, etwas zu verändern", sagt Nicholl.

Mrs. Right opfert alles

Es war nicht Meghan Markle und nicht die Liebe zu ihr, die Harrys Prioritäten neu ordnete. Diese Transformation habe schon zuvor stattgefunden, meint seine Biografin. Vielleicht wurde diese Liebe dadurch überhaupt erst ermöglicht. "Sie kommen aus unterschiedlichen Welten, aber sie haben die gleichen Werte, sie möchten beide beitragen, die Welt besser zu machen. Das vereint sie", beschreibt Nicholl das Band zwischen den beiden.

Weshalb ausgerechnet die amerikanische Schauspielerin, die nun als erste bürgerliche, geschiedene Frau mit afroamerikanischen Wurzeln in die königliche Familie einheiratet, "die Richtige" für Prinz Harry ist? Da gibt es mehrere Gründe: "Sie kann mit Kameras umgehen, ist eine selbstbewusste, intelligente Frau, die genau weiß, worauf sie sich einlässt. Und ohne Frage ist es eine Liebesheirat."

»Sie ist die Erste, die bereit ist, für ihn Opfer zu bringen«

Ein Argument aber sei das entscheidende. "Sie ist die erste Frau im Leben des Prinzen, die bereit ist, Opfer zu bringen, um an seiner Seite sein zu können", sagt Nicholl. "Sie hat ihre erfolgreiche Karriere aufgegeben, ihre Freiheit, eine Heimat, die sie liebt, ihre Familie und ihre Freunde, um ihn heiraten und mit ihm leben zu können." Diese Bereitschaft, gestützt durch beträchtlichen Perfektionismus, dürfte die Queen überzeugt haben. Von Beginn an hat sie diese Verbindung ihres Enkels begünstigt. Die Einladungen zum Weihnachtsfest in Sandringham und zu den Festivitäten des Commonwealth-Tages waren deutliche Zeichen.

Anfangs kritisierte man Meghan Markle im Empire hart: wegen ihrer Herkunft, ihrer Scheidung und der Tatsache, dass sie drei Jahre älter ist als der 33-jährige Prinz. Jetzt ist alles ruhig, man konzediert dem Palast denn Willen zur Reform. "Ich habe das Gefühl, man will aus Fehlern der Vergangenheit lernen", sagt Nicholl und betont die Rolle des arg unterschätzten Vaters Prinz Charles. "Er bekam nie Respekt dafür, dass er ein liebevoller, engagierter Vater ist. Als solcher wurde er mir beschrieben. Er weiß, wie es ist, eine Liebe nicht leben zu dürfen. Wenn irgendjemand wahre Liebe erkennt und möchte, dass Harry glücklich ist, dann ist es sicher sein Vater."

Das liest sich schon wie das Vorwort zur nächsten Biografie.

© HarperCollins

Die Biografie
In "Harry - Ein Leben zwischen Liebe und Verlust" (HarperCollins) schildert Katie Nicholl u. a. detailreich die wilden Jahre des Prinzen, die Zeit in Afghanistan, seine Ex-Lieben und den Weg zum Glück mit Meghan Markle

Dieser Artikel ist der Printausgabe von News Nr. 13/2018 erschienen.