Die Preisspirale dreht sich weiter

Pandemie und Ukraine-Krieg treiben Teuerung und Inflation in bislang ungeahnte Höhen. Wirtschaftsforscher Josef Baumgartner über das Entlastungspaket der Regierung und darüber, was auf die Konsumenten noch zukommt.

von Die Preisspirale dreht sich weiter © Bild: (C)2022 Ricardo Herrgott/News

Alles wird teurer: Hat schon die Coronapandemie aufgrund von Lockdowns und gestörten Lieferketten zu einem Wirtschaftseinbruch und in der Folge zu steigenden Preisen geführt, so hat der Ukraine-Krieg die Teuerungsspirale noch weiter beschleunigt. Insbesondere bei der Heiz-, Strom-und Gasrechnung sowie an den Tankstellen bekommt man das in der Geldbörse zu spüren. Aber auch Lebensmittel und Dienstleistungen kosten immer mehr -und aktuell ist kein Ende der Entwicklung nach oben in Sicht. Nachdem die Regierung zu Jahresbeginn ein Antiteuerungspaket - u. a. mit einem Energiekostenausgleich -mit einem Volumen von 1,7 Milliarden Euro geschnürt hat, soll es jetzt ein zweites 2,1 Milliarden Euro schweres Paket geben: Dieses beinhaltet u. a. die Erhöhung des Pendlerpauschales um 50 Prozent, eine Vervierfachung des Pendlereuros sowie eine Verbilligung des Fahrens mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch ein einmaliger negativsteuerfähiger Betrag von 100 Euro im Rahmen des Steuerausgleichs ist geplant. Zudem wird die Elektrizitätsund Erdgasabgabe gesenkt und der Umstieg auf andere Energiequellen gefördert.

Doch wie treffsicher sind die angekündigten Maßnahmen und gibt es noch andere Möglichkeiten zum Gegensteuern? News hat darüber mit Josef Baumgartner, Seniorökonom und Inflationsund Konjunkturexperte beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), gesprochen -und auch darüber, auf welche weitere Entwicklung sich die Österreicherinnen und Österreicher noch einstellen müssen.

Herr Baumgartner, wie zufrieden ist die Wirtschaftsforschung mit dem Paket?
Dem Paket liegt eine gemeinsame Einschätzung mit der Regierung zugrunde und es zielt auf eine Abfederung der Teuerungswirkung ab. Das heißt, es soll die Kaufkraft der privaten Haushalte gestützt und auch den Unternehmen geholfen werden. Der Preisauftrieb selbst, der direkt am Preis des jeweiligen Guts bzw. an den Arbeitskosten hängt, wird dadurch aber nur sehr geringfügig reduziert. Wie die Maßnahmen über das Jahr gesehen wirken werden, ist noch offen. Das hängt auch davon ab, wann sie genau schlagend und beispielsweise bei der Strom-und Gasrechnung berücksichtigt werden.

Wie sehen Sie die Erhöhung des Pendlerpauschales bzw. des Pendlereuros?
Das Wifo hat sich bereits dahingehend geäußert, dass eine stärkere Ökologisierung sowie eine Orientierung an der Einkommenshöhe sinnvoller gewesen wären. Es musste jedoch schnell gehen, und da war die gewählte Vorgangsweise offenbar der einfachere Weg, als sich neue Berechnungsmodelle zu überlegen und die innerhalb der Koalition und mit anderen Gruppen zu diskutieren. Und dabei Zeit zu verlieren.

Sozusagen ein Kompromiss?
Ja, indem man sagt, die Pendler sind von der Teuerung stark betroffen. Aber es pendeln halt auch Personen mit höheren Einkommen aus den Speckgürteln der größeren Städte in die Zentren - die oft sogar noch eine gute öffentliche Anbindung haben. Die werden nun ebenso gefördert.

Eine Einbindung der Sozialpartner hat ja nicht wirklich stattgefunden.
Die wäre aus unserer Sicht schon vernünftig, insbesondere wenn es darum geht, Entlastungspakete für die Haushalte zu schnüren, die dann eventuell bei den Lohnverhandlungen im Herbst berücksichtigt werden. Wenn man das will, muss man die Sozialpartner rechtzeitig ins Boot holen und in die Entscheidung einbinden.

»Bei ganz niedrigen Einkommen, die ja nicht lohnsteuerpflichtig sind, muss man bei der Negativsteuer etwas ändern«

Was kann man für die niedrigen Einkommen tun?
Bei ganz niedrigen Einkommen, die ja nicht lohnsteuerpflichtig sind, muss man bei der Negativsteuer etwas ändern -also zum Beispiel beim Verkehrsabsetzbetrag oder bei den Krankenversicherungsbeiträgen. Es wurde ja bereits angekündigt, dass für diese Einkommen die Negativsteuer erhöht werden soll - also dass die vom Staat im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung bzw. der Einkommensteuererklärung etwas zurückbekommen.

Eine Senkung der Mineralölsteuer macht keinen Sinn?
Da hat sich das Wifo bislang immer dagegen ausgesprochen. Man will ja aus den fossilen Energieträgern raus, weshalb man da im Prinzip die Marktwirkungen auf den Preis durchschlagen lassen sollte, damit so der Anreiz steigt, andere Energieträger zu nutzen. Wobei die Substitutionsmöglichkeiten beim Gas wesentlich schwieriger sind als beim Öl. Pendler etwa können Fahrgemeinschaften bilden oder auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen; jemand, der eine Gasheizung in einer Mietwohnung hat, ist dagegen "locked in". Der kann höchstens das Thermostat zurückdrehen. Und Unternehmen, die in der Produktion extrem am Gas hängen, können ebenfalls nicht kurzfristig umsteigen.

Und eine Senkung der Mehrwertsteuer?
Da hängt die Entlastung von den jeweiligen Produktgruppen ab; absolut betrachtet würden die oberen Einkommen deutlich stärker profitieren. Die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie während der Pandemie war auch nicht wirklich das große Erfolgsmodell: Die war zur Liquiditätsstärkung der Unternehmen gedacht, im Endeffekt wurden jene besonders gefördert, die viel Umsatz hatten. In Deutschland wiederum, wo es während der Pandemie eine allgemeine Mehrwertsteuersenkung gab, wurden die Preissenkungen -insbesondere auch bei den Mineralölprodukten -nur etwas mehr als zur Hälfte weitergegeben.

Auf welche Höhe wird die Inflation heuer noch steigen?
Nach 5,9 Prozent im Februar wird die Inflation von März bis Mai noch weiter ansteigen und wohl eine sieben vor dem Komma stehen. Im Jahresschnitt sollten wir zwischen 5,5 und sechs Prozent liegen.

»Für heuer wird das sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.«

Welchen Einfluss hat da der Krieg in der Ukraine?
Der hat das optimistischere Bild, das wir zu Ende des vergangenen Jahres hatten, völlig gedreht. Im Vorjahr gingen wir noch von 3,3 Prozent statt jetzt knapp sechs Prozent aus. Die Differenz hat vor allem mit dem Anstieg der Energiepreise, gestiegenen Transportkosten und damit verbundenen Überwälzungseffekten auf andere Produkte zu tun. Bei Nahrungsmitteln hatten wir im Jänner bereits ein Plus von fünf Prozent im Vorjahresvergleich. Für heuer wird das sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Was trägt dazu bei?
Die Ukraine und Russland sind wichtige Getreide-und Ölsaatenexporteure, und in diesem Bereich wird die heurige Sommerernte deutlich niedriger eingeschätzt. Im Kriegsgebiet wird die Aussaat wohl in einem geringeren Ausmaß stattfinden; und die nächste Frage ist, wie die Ernte exportiert werden soll, wenn die Ukraine besetzt sein sollte. Es wird ein geringeres Angebot am Weltmarkt erwartet, und das führt zu höheren Preisen. Dazu kommt noch, dass aufgrund des hohen Gaspreises auch der Kunstdüngerpreis stark steigt. Ammoniak, ein Nebenprodukt der Gasproduktion, ist ein wichtiger Bestandteil von Kunstdünger und hat sich enorm verteuert.

Die Energiepreise schlagen ja auch in Branchen wie Hotellerie oder Gastronomie durch -und damit wieder auf die Konsumenten.
Ja, zudem ist die Landwirtschaft in Europa und den USA sehr maschinen-und damit energieintensiv. Das wirkt sich auf die Erzeugerpreise bei Getreide und in der Folge auf die Konsumentenpreise etwa bei Brot oder Nudeln aus. Ein Preisanstieg bei den Ölsaaten wiederum bringt eine Verteuerung der Pflanzenöle mit sich.

Das heißt, wir müssen uns längerfristig auf eine hohe Inflation einstellen?
Nimmt man die Jahre zwischen 2010 und 2019 -also die ruhigere Zeit nach der Finanz-und vor der Covid-Krise -, dann hatten wir in Österreich eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,9 Prozent. Für heuer erwarten wir knapp sechs und für nächstes Jahr auch noch deutlich über drei Prozent - auf die unter zwei Prozent wie früher werden wir mittelfristig eher nicht mehr kommen. Allerdings erwarten wir schon, dass sich der Preisauftrieb wieder abschwächt. Was aber nicht heißt, dass die Energie billiger wird, sondern nur, dass sich die Zuwachsraten reduzieren.

Wie realistisch ist eigentlich ein Rezessionsszenario?
In unserem aktuellen Szenario gehen wir davon aus, dass Öl und Gas aus Russland weiterfließen und es auch weiter abgenommen wird. Trotz Krieg ist ja der Öl-und Gasfluss bislang nicht unterbrochen. Und schon unter diesen Bedingungen gibt es enorme Preissteigerungen. Sollte Putin den Ölund Gashahn abdrehen oder die EU die Sanktionen auch auf Energieimporte ausweiten, wäre das nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen könnte. Sollte von heute auf morgen kein Öl und Gas mehr von Russland abgenommen werden, ist ein Rezessionsszenario sehr wahrscheinlich.

Josef Baumgartner ist Senior Economist beim Wifo und forscht über Makroökonomie und europäische Wirtschaftspolitik. Er ist Experte für Inflationsanalysen und -prognosen.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News-Magazin Nr. 12/2022.