E-Rolli-Fußball:
Weil jeder kicken kann

Fußball trotz körperlicher Behinderung - Dank dieser neuen Sportart kein Problem

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Weil jeder kicken kann

Gezielt nähert sich Iljas dem Ball, blickt sich kurz um und lässt dann aus der Drehung einen satten Schuss los. Eine klassische Szene eines Fußballspiels, möchte man meinen. Doch einiges ist anders: Der Ball ist etwa doppelt so groß wie üblich, der Schütze nähert sich dem Spielgerät rückwärts und gekickt wird nicht mit dem Fuß sondern mittels Metallverstrebungen. Denn Iljas sitzt im Rollstuhl.

E-Rolli-Fußball
© Sergiu Borcuta Iljas führt den Ball Richtung Tor

Der 23-Jährige ist ein Teil des ERFÖ, des E-Rolli-Fußball-Teams Österreichs und trainiert gerade mit seinen Kollegen in der Hans-Radl-Schule in Wien. Statt grünen Rasens und voller Tribünen dient den Spielern die Turnhalle im 18. Wiener Gemeindebezirk als Kulisse. Statt Stutzen und modernster Stollenschuhe gibt es eben mit Gittern verkleidete Rollstühle. Aber auch das ist Fußball. "Der Sport ist in Österreich noch sehr jung", erklärt Iljas Trainer Leo Vasile im Gespräch mit News.at, ehe er die nächste Übung vorbereitet. "In Frankreich sind sie schon viel weiter."

Aus Frankreich importiert

Dort, genauer gesagt in Paris, haben Matias Costa und Doris Fritz Powerchair Football bei einem Workshop im Jahr 2012 kennengelernt und den Sport wenig später nach Österreich importiert. Einige Workshops mit ausländischen Experten und zahlreiche Trainingseinheiten später besteht das Betreuerteam aus mittlerweile sechs Personen, die knapp 20 körperlich behinderten und an Muskeldystrophie leidenden Menschen die besondere Art des Fußballs beibringen.

Und so sehr unterscheidet sich Powerchair Football von seinem Urtypus gar nicht. Gespielt wird auf zwei Tore, zumeist vier gegen vier. Zwei Tormänner stellen sich den Angreifern entgegen, die versuchen, mittels schneller Kombinationen zum Torerfolg zu kommen. Nur wird nicht gesprintet, sondern im elektrischen Rollstuhl gefahren. "Die Faszination macht einerseits die Geschwindigkeit aus, andererseits das Stellungsspiel, ohne dem kein Erfolg möglich ist", klärt A-Kadermitglied Martin Ladstätter auf. Die Akteure müssen nämlich zumeist gewisse Abstände sowohl zum Ball als auch zum eigenen Mitspieler einhalten. "Das Raumverständnis ist das Wichtigste", ergänzt Vasile, der seit einigen Monaten das Training leitet und erst vor kurzem im englischen Watford einen Trainerlehrgang besucht hat.

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© Sergiu Borcuta Coach Leo Vasile erklärt eine seiner Übungen

Neue Regeln, neue Länder

Wie neu E-Rolli-Fußball in Österreich ist, lässt sich auch daran erkennen, dass bis vor kurzem noch nicht einmal ein Regelbuch auf Deutsch vorhanden war. Dieses Säumnis wurde vom ERFÖ aber Ende April nachgeholt. Nun kann jeder etwa genau nachlesen, wie die das Fußgitter auszusehen hat oder dass die Maximalgeschwindigkeit auf 10 km/h beschränkt wurde. Die auf der Homepage zugängliche Übersetzung ist ein wichtiger Schritt zur Verbreitung des Sports, die Österreich-Tournee mit kommenden Stationen im Burgenland, Oberösterreich und der Steiermark ein weiterer.

"Wir waren letztes Wochenende mit 13 Spielern in Salzburg, um den Sport vorzustellen", erinnert sich Vasile und fügt mit Stolz hinzu, dass auch vier Salzburger am Demo-Spiel teilgenommen haben. In Zukunft sollen es noch mehr werden. Überall in Österreich soll behinderten Menschen gezeigt werden, dass es da eine "spritzige, schnelle und spannende Sportart", wie es Topspielerin Jasna Puskaric definiert, gibt. Das Ziel dabei ist klar: Die Etablierung einer nationalen Meisterschaft und die Teilnahme eines Nationalteams beim FIPFA (Federation Internationale de Powerchair Football Associations) World Cup.

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© Sergiu Borcuta Anstoß zu einem internationalen Vergleich

"Sie wollen kein Mitleid"

Bis es so weit ist, wartet noch viel Arbeit auf Vasile und sein Trainerteam. Die Spieler mit ihren jeweils unterschiedlichen Möglichkeiten und Fertigkeiten müssen individuell gefördert werden. Dass der gebürtige Brasilianer auch einmal lauter wird und strengere Töne anschlägt, mag da zunächst verwundern, bei genauerer Betrachtung ist es jedoch völlig normal. Vasile: "Die Spieler wollen kein Mitleid, sie wollen etwas lernen."

Nähere Infos zum Sport, alle Termine und Kontaktpersonen finden sie hier.

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© Sergiu Borcuta

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