Zu links für die SPÖ

Für vieles, was Andreas Babler fordert, gibt es eine Mehrheit. Zu schaffen machen ihm jedoch eigene Unzulänglichkeiten und "Parteifreunde".

von Politische Analyse - Zu links für die SPÖ © Bild: Privat

ANALYSE

Nur fünf Monate nach seiner Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden Anfang Juni steht Andreas Babler vor einem Bundesparteitag, der schwierig wird für ihn. Gut 600 Delegierte werden am 11. und 12. November in der Grazer Messe versammelt sein. Viele sind ernüchtert: Das Kanzleramt scheint unerreichbar zu bleiben für ihn.

Zu weit links stehe er, heißt es immer wieder, das sei in Österreich nicht mehrheitsfähig. Wirklich? Babler positioniert sich sozialpolitisch. Und zwar mit den Forderungen, eine Vermögenssteuer einzuführen, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu verkürzen, das Pensionsalter unverändert zu lassen und "leistbares Leben" in der Verfassung zu verankern. Umfrageergebnisse legen den Schluss nahe, dass es dafür in der Bevölkerung sehr wohl klare Mehrheiten geben dürfte.

Bablers Problem ist, dass nur eine Minderheit in ihm einen potenziellen Kanzler sieht. Bei einer Direktwahl müsste er sich gemeinsam mit Amtsinhaber Karl Nehammer (ÖVP) dem freiheitlichen Bundesparteiobmann Herbert Kickl (FPÖ) geschlagen geben. Eine Erklärung dafür ist, dass er zu oft irritiert. Dass er Leute, die zum Beispiel für eine Arbeitszeitverkürzung sind, mit einer Sympathiebekundung für Marxismus genauso verschreckt hat wie mit seinem Ruf nach "Tempo 100" auf der Autobahn. Oder dass er zu Migrationsfragen eine Alternative zur Kickl'schen "Grenzen zu"-Ansage vernachlässigt. Was sträflich ist: Bei den jüngsten Urnengängen in Deutschland und in der Schweiz hat man gesehen, dass Standpunkte dazu wieder stärker gefragt wären.

Bablers Problem sind außerdem eigene Genossinnen und Genossen. Als Anti-Establishment-Kandidat für den Vorsitz hat er im Frühjahr in weiten Teilen der Basis Hoffnungen auf weitreichende Veränderungen geweckt. Das Establishment rächt sich jetzt: Der 50-Jährige ist mit größeren Widerständen konfrontiert als seine Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner. Sie hatte ebenfalls den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gegen sich, konnte sich aber wenigstens der Unterstützung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig sicher sein. Ihm macht auch dieser mehr und mehr zu schaffen - indem er bei parteiinterner Demokratisierung bremst oder Konsequenzen aus der Kleingartenaffäre schuldig bleibt, obwohl Babler ebensolche verlangt hat: Er weiß, dass auch nur die Möglichkeit, dass es sich Funktionäre durch Grundstücksdeals gerichtet haben könnten, für ihn als deklarierten Linken verheerend ist.

Wobei: Bei Weitem nicht alle in der SPÖ können mit einem solchen etwas anfangen. Auch unter Babler sind Pragmatiker der Macht in Vorstand und Präsidium bestimmend geblieben, die die Politik der Partei von vornherein auf mögliche Koalitionsvarianten ausrichten. Auf Bundesebene also auf eine Zusammenarbeit mit der ÖVP. Da ist Mäßigung erwünscht.

ZAHL

Größeres Integrationsproblem

Die gute Nachricht: Im europäischen Vergleich ist Österreich ein wohlhabendes Land, in dem relativ wenige Menschen finanziell zu kämpfen haben. Die schlechte Nachricht: Es ist zugleich aber auch das Land, in dem es diesbezüglich den größten Unterschied nach Staatsangehörigkeit gibt. Das zeigt eine "Eurostat"-Auswertung für das vergangene Jahr: 13 Prozent der erwachsenen Österreicherinnen und Österreicher, aber 44 Prozent aller Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ab 18, die irgendwo zwischen dem Boden- und dem Neusiedlersee leben, sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Unter diesen Drittstaatsangehörigen ist die Quote fast dreieinhalb Mal größer. In Spanien beträgt sie 60 Prozent. Dort aber liegt sie mit 22 Prozent auch unter Inländerinnen und Inländern deutlich über dem österreichischen Niveau, die Herkunft spielt eine kleinere Rolle.

Das ist ein Hinweis auf ein größeres Integrationsproblem hierzulande. Wer armuts- und ausgrenzungsgefährdet ist, tut sich schwerer, sich Dinge zu leisten, die als normal gelten. Dazu können regelmäßige Restaurant- oder Kinobesuche genauso zählen wie zumindest eine Urlaubsreise pro Jahr. Wer sich solche Dinge nicht leisten kann, kann am gesellschaftlichen Leben nur beschränkt teilhaben.

In Österreich gilt das eben ganz besonders für Drittstaatsangehörige. These: Zu viele sind zu lange als billige Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter betrachtet worden. Chancengleichheit in Bezug auf Bildung und Berufsaussichten ist bei ihnen und ihren Kindern, wenn überhaupt, erst spät als Notwendigkeit erkannt worden. Bei Geflüchteten hapert es nach wie vor: Laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" haben jene aus der Ukraine in Dänemark, Polen und Tschechien in der Regel einen Job gefunden, während es in Deutschland und der Schweiz, vor allem aber in Österreich die Ausnahme ist. Womit sie viel eher auch in Not sind.

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BERICHT

Wackelige Infofreiheit

Von einer "Kulturrevolution" reden Türkise und Grüne: Das Amtsgeheimnis soll 2025 durch Informationsfreiheit ersetzt werden. Beschlossen ist noch nichts. Was vorliegt, relativiert jedoch einiges. Erstens: Es soll Grenzen geben. Zweitens: Diese sind möglicherweise verfassungswidrig.

Für Kammern ist eine Ausnahme vorgesehen. Sie sollen nicht gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern, sondern nur gegenüber ihren Mitgliedern auskunftspflichtig sein. Der Staats- und Verwaltungsrechtler Ewald Wiederin warnt diesbezüglich schon länger vor einer "willkürlichen Grenzziehung", die seines Erachtens inkonsequent ist: Wenn man zum Beispiel öffentliche Unternehmen den neuen Bestimmungen unterwerfe, sollte man Kammern nicht ausnehmen, meint er.

Auch eine andere Grenze ist laut Wiederin "schwierig". Nämlich jene, dass nur Gemeinden ab 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern verpflichtet werden sollen, Informationen von allgemeinem Interesse von sich aus zu veröffentlichen. "Man denke nur an eine Gemeinde, die heute knapp darunter und übermorgen knapp darüber liegt", so Wiederin. Ob das sachlich begründbar ist, ist fraglich, macht für Bürgerinnen und Bürger im Extremfall doch eine Person mehr oder weniger einen Unterschied, wie transparent ihre Gemeinde sein muss. Dort, wo es einen Bevölkerungsrückgang gibt, kann es dabei sogar zu einer Verschlechterung kommen. In Friesach (Kärnten) etwa leben seit 2017 weniger als 5.000 Menschen. Die Stadt ist damit aus dem Kreis all jener gefallen, die nach türkis-grünen Plänen künftig proaktive Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssen.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at