In der SPÖ wird nichts mehr, wie es war

Selbst wenn sich das Team Rendi-Wagner in der Vorsitzfrage durchsetzen sollte, hat es verloren. Es wird die Partei neu ausrichten müssen. Das ist zugleich aber auch eine Chance für sie.

von Politische Analyse - In der SPÖ wird nichts mehr, wie es war © Bild: Privat

Analyse

Zur Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie gehört neben Errungenschaften, die ihr zuzurechnen sind, der 1. Mai 2016. Er steht für eine Zäsur. Genossinnen und Genossen ertrugen nicht mehr mit eiserner Disziplin, was im Sinne der Parteiführung war, sondern revoltierten. Sie pfiffen den damaligen Vorsitzenden, Kanzler Werner Faymann, beim Aufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz aus und trugen einen Slogan vor sich her, der spöttisch gemeint war: "Werner, der Kurs stimmt." Wenig später erreichten vermeintlich bedeutungslose Funktionäre aus den Bundesländern, dass er gehen musste und Christian Kern sein Nachfolger werden konnte.

Vor allem der Wiener SPÖ hätte das eine Warnung sein können. Sie hatte Faymann bis zuletzt verteidigt, dann aber klein beigeben müssen. Daraus gelernt hat sie wenig bis nichts. Ihr Chef, Bürgermeister Michael Ludwig, hält mit dem Argument an der gegenwärtigen Bundesparteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner fest, dass sie als solche gewählt sei und es daher verdient habe, unterstützt zu werden. Koste es, was es wolle. Ähnlich sehen es Gewerkschafter und alle noch lebenden Altkanzler aus der SPÖ mit Ausnahme von Kern.

Der Preis, den das Team Rendi-Wagner nun bezahlen muss, wird in jedem Fall hoch sein. Wobei: Für die Partei könnte eine Chance damit einhergehen. Zunächst steht bereits die laufende Befragung über den Vorsitz für einen Kontrollverlust der Spitze. Wem die Mitglieder den Vorzug geben, ist unberechenbar. Zweitens: Die Stimme von Ludwig beispielsweise hat dabei gleich viel Gewicht wie die des, sagen wir, Genossen Mayer aus dem Montafon. Das ist ein Schritt hin zu basisdemokratischen Verhältnissen, der sich kaum noch rückgängig machen lassen wird. Er wird eher auch für künftige Führungsentscheidungen gelten.

Eine Krise aller Volksparteien

Drittens: Die Herausforderer von Rendi-Wagner, die sich ebenfalls der Mitgliederbefragung stellen, stehen nicht nur für einen breiten Unmut in der Partei über den bestehenden Kurs, sondern auch für eine Fragmentierung der Gesellschaft, die zu einer Krise aller Volksparteien beiträgt: Die einen fühlen sich durch den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil angesprochen, der mehr Recht und Ordnung vertritt, die anderen durch den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, der vor allem eine sozial-und gesellschaftspolitische Linke bedient.

Wer sich nun auch immer durchsetzen wird, er oder sie wird nach Verbindendem suchen bzw. die Partei neu ausrichten und darüber hinaus auch öffnen müssen, um insbesondere Ex-Wähler zurückzugewinnen, die sich zu Freiheitlichen sowie Grünen, Kommunisten oder anderen Bewegungen verabschiedet haben. Sonst droht der SPÖ das Schicksal der französischen Sozialisten, die mit François Hollande bis 2017 den Staatspräsidenten gestellt haben, heute aber keine wahrnehmbare Rolle mehr spielen.

Zahl

Was Wähler wollen

Der Wählerwille muss umgesetzt werden", hat schon der niederösterreichische FPÖ-Obmann Udo Landbauer gesagt und bekommen, was er damit gemeint hat: ein Bündnis mit der ÖVP. Zuletzt hat die Salzburger FPÖ- Obfrau Marlene Svazek nach dem Urnengang im Land für eine schwarz-blaue Koalition geworben und gemeint, dass der Wählerwille dazu klar erkennbar sei.

In Wirklichkeit gibt es den "einen" Wählerwillen nicht, hat jeder Wähler einen eigenen Willen. Beziehungsweise Motive, eine Partei zu unterstützen. Ein Wahlergebnis bringt zudem ausschließlich Stimmenanteile zum Ausdruck, keine Koalitionspräferenzen. Svazek und Co. können vor diesem Hintergrund trotzdem anstreben, was sie bevorzugen und sich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse ausgeht. Das ist keine Frage. Sich dabei aber auf einen Wählerwillen zu berufen, ist heikel.

Am 23. April haben 56,1 Prozent der Salzburger, die eine gültige Stimme abgegeben haben, ÖVP oder FPÖ gewählt. Eine geschlossene Sehnsucht nach einer Zusammenarbeit ist damit jedoch sicher nicht einhergegangen. Wahltagsbefragungen zeigen, dass viele Unterstützer der Volkspartei den Freiheitlichen im Sinne der Wahlkampagne von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) distanziert gegenüberstehen. Laut einer Erhebung des Sozialforschungsinstituts Sora würden sie Sozialdemokraten (46 Prozent), Grüne (33) oder Neos (26) lieber in der Regierung sehen als die FPÖ (18 Prozent). Bei FPÖ-Wählern fielen die Präferenzen zwar stärker zugunsten der ÖVP aus (41 Prozent), waren aber ebenfalls breit gestreut. 17 Prozent hätten gerne die Kommunisten mit am Ruder.

Bei der Frage nach der bevorzugten Koalitionsvariante nannten wiederum 46 Prozent aller Wähler Schwarz-Rot, 37 Prozent Schwarz-Blau und maximal vier Prozent eine der übrigen Konstellationen, die ebenfalls eine Mehrheit im Landtag hätten. Schwarz-Blau wäre demnach also die zweite Wahl.

Salzburg: Beliebtheit möglicher Koalitionsvarianten
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Bericht

Zur Dritten Republik

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat gute Gründe, davon auszugehen, dass er seine Partei bei der nächsten Nationalratswahl auf Platz eins bringen kann und er selbst dann Kanzler wird. Türkise schließen eine Koalition mit ihm nicht mehr aus. Also skizziert der 54-Jährige bereits, wie er es anlegen würde: Er möchte ein "Volkskanzler" werden, der der Bevölkerung dient und nach oben tritt.

Das würde auf eine Art Dritte Republik hinauslaufen, für die Jörg Haider, einer seiner Vorgänger an der Spitze seiner Partei, einst geworben hat. In deren Zentrum stehen ein starker Mann und direkte Demokratie. Das Parlament und andere Institutionen würden geschwächt werden. Dazu nötig wäre zunächst jedoch eine größere Staatsreform. Eine solche strebt Kickl bisher nicht an. Er scheint stattdessen Fakten durch sein Tun schaffen zu wollen.

Mit den Begriff Volkskanzler vermittelt er, sich im Falle eines Wahlerfolgs durch den Souverän ermächtigt zu sehen, zu tun, was ihm Zuspruch beschert und ihm gefällt. Ein Volkskanzler lässt sich "von nichts und niemandem daran hindern, die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen", heißt es in einem Beitrag auf dem deutschen Verfassungsblog. Wer sich gegen ihn stellt, bekommt allenfalls zu hören, gegen das Volk zu sein.

Schon vor vier Jahren hat Kickl deutlich gemacht, dass er auch in Rechten keine Begrenzung sieht. Damals war er noch Innenminister und erklärte: "Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht." Nach diesem Verständnis sind konsequenterweise auch Menschenrechte nicht tabu.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at