Ulli Sima: Wiens
streitbare Stadträtin

Mit einer Debatte über Kebab und Leberkäse in der U-Bahn füllte Ulli Sima das Sommerloch. Doch dahinter steckt eine Strategie: Law and Order – auf gut Wienerisch halt

von Politik - Ulli Sima: Wiens
streitbare Stadträtin © Bild: Ricardo Herrgott

Verbotsstadträtin? – Damit kann ich ganz gut leben.“ Die Wiener Stadträtin, offiziell zuständig für Umwelt, Tierschutz, Konsumentenschutz und Wiener Stadtwerke, lässt den Blick durch die Röhrengänge der U1-Station Südtiroler Platz wandern. Neben ihr warten zwei Security-Mitarbeiter auf einen Fototermin. Seit genau einem Jahr streifen diese Teams durch Stationen und U-Bahnen, um nach dem Rechten zu sehen. Der Jahrestag wird vom PR-Team der Stadträtin natürlich nicht vergessen. Seit Anfang September haben die Securitys noch eine Aufgabe: Sie wachen darüber, dass in der U6 niemand zu Kebab und Leberkässemmerl, aber auch nicht zu Kornspitz und Topfengolatsche greift. Denn das Essen ist auf dieser U-Bahn-Linie jetzt untersagt. Das sorgte für Debatten, Spott und eben für den Titel „Verbotsstadträtin“ für Ulli Sima.

Vor Kurzem war sie in London, „und ich hab extra darauf aufgepasst: Kein einziger Mensch hat in der U-Bahn gegessen. Vielleicht ist das die englische Höflichkeit, dass man nicht vor anderen sein Sandwich auspackt.“ Höflichkeit, die in Wien zunehmend fehle: „Früher wäre es auch keinem eingefallen, dass er sich mit der Nudelpfanne in der Pappbox in die U-Bahn stellt. Da ist ein Sinken der Schamgrenze zu bemerken, ein Weniger-Rücksicht-Nehmen auf andere.“ Und da, sagt Sima, „muss man dann eben gewisse Regeln aufstellen“.

Recht und Ordnung

Regeln, eine Hausordnung – das ist es, ­womit der neue Bürgermeister Michael ­Ludwig Stimmen zurückholen will. Mit Recht und Ordnung gegen die Law-and-Order-Parolen von FPÖ und ÖVP, die die ­Roten Stimmen gekostet haben. Das leicht grantelnde Laisser-faire von Michael ­Häupl war gestern. Jetzt propagiert man Maßnahmen, die auch Minderheiten, Zuwanderer, Neulinge in Wien betreffen, „Alteingesessenen“ aber das Gefühl geben sollen, es werde wieder ein bisschen wie früher – ohne dabei wie die FPÖ zu klingen. Ulli Sima passt in dieses Konzept. Sie hat Erfahrung damit, Dinge zu unterbinden und die Debatte darüber durchzustehen. Einschränkungen für den Besitz von Kampfhunden etwa. „Das war auch eine Riesenaufregung damals und hat mich sehr lange beschäftigt. Aber wir wollen diese Hunde nicht unkontrolliert und ohne entsprechende Schulung des Besitzers in der Stadt haben. Da muss man gegensteuern. Am besten rechtzeitig.“ Man brauche eben ein Gespür dafür, wann die Zeit reif für ein Verbot ist, erklärt sie. Beispiel Strafandrohung für das Hinterlassen von Hunds­trümmerln auf Gehsteigen und Grünflächen: „Da haben sich viele gedacht: ‚Endlich, höchste Zeit, dass da etwas passiert.‘“ Und in manchen Fällen sei echtes Steh­vermögen nötig. Etwa beim Verbot des kleinen Glücksspiels. „Wir haben schon über 500 illegale Wettautomaten beschlagnahmt und über 30 illegale Lokale geschlossen. Da muss man konsequent dranbleiben, denn die wachsen nach wie die Schwammerln.“ Bei jedem Automaten gebe es „ein Verfahren bis zum Höchstgericht, da hat man schon sehr finanzkräftige Gegner. Da darf man den Konflikt nicht scheuen und muss dranbleiben, auch wenn es Gegenwind gibt.“ Auch das Alkoholverbot am Praterstern setzte Sima für den Bürgermeister um: „Ich orte einfach, dass die Menschen fast ein tiefes Bedürfnis danach haben, dass die Stadt in gewissen Bereichen ordnend eingreift.“

Auf in den Kampf

Dabei, beteuert Sima, sei es gar nicht so, dass sie, auf gut Wienerisch, den „Wickel“ sucht. „Es gibt immer wieder Themen, da denk ich mir: ‚Hätt ich das nicht angefangen.‘ An manchen Tagen trifft es sogar auf so gut wie jedes Thema zu, dass ich mir denke: ‚Na, das hamma braucht.‘ Aber mittelfristig haben sich die Dinge gut entwickelt. Und dann freut man sich und denkt: ‚Okay, die Mühe und die grauen Haare, die man dabei bekommen hat, waren es wert.‘“ Abgrenzen von Konflikten, ein oft gehörter Rat, könne sie sich nämlich nicht: „Ich lese das oft bei anderen, dass sie das können. Aber ich habe oft schlaflose Nächte, wenn mich etwas beschäftigt.“

Sima stammt aus Kärnten und kam zum Studium der Biochemie und Molekular­biologie nach Wien. Danach heuerte sie bei der Umweltorganisation Global 2000 an, wo sie Regenwald-Referentin und Leiterin der Gentechnik-Kampagne war. Das 1997 abgehaltene Volksbegehren, das sich gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel richtete und das unter anderem von Global 2000 mitinitiiert wurde, erreichte 1.227.349 Unterschriften. Es war nach jenem gegen das Konferenzzentrum das zweiterfolgreichste in Österreich. Damals hat Sima wohl gelernt, wie man öffentlichkeitswirksame Kampagnen aufsetzt. An ihrer Seite bei der Umwelt-NGO waren die spätere Grünen-Chefin Eva Glawischnig und Alexander Van der Bellens Strategieexperte Lothar Lockl. Eine Kaderschmiede für die Politik.

Anders als ihre Mitstreiter ging Sima allerdings nicht zu den Grünen, sondern 1999 für die SPÖ ins Parlament. Warum sie diese Entscheidung traf, die nicht alle früheren Mitstreiter gut fanden? „Mein Großvater (der einstige Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Hans Sima, Anm.) hat immer gesagt, das muss in meinen Genen gewesen sein. Eine Art familiäre Vordeterminierung. Mein Herz ist sicher rot, was anderes kann man dazu nicht sagen.“

Vom Parlament wechselte Sima 2004 in die Wiener Stadtregierung. Vorerst nur mit den Umweltagenden betraut und immer wieder von Ablösegerüchten begleitet, wenn in Wien wieder einmal Personal­spekulationen anstanden. Warum sie alle Rochaden und zuletzt auch den Wechsel an der Spitze der Wiener Stadtregierung überstanden hat? „Ich hoffe doch, dass meine Leistung überzeugt hat“, sagt sie knapp und will die Ablösekandidatin „ungern so stehen lassen. Schließlich gab es bei jeder Regierungsumbildung zu jeder Person die unterschiedlichsten Varianten zu lesen.“ Es könnte daran liegen, dass sie nicht eindeutig einem Lager in der SPÖ ­zuzuordnen ist. „Ich habe keine Hausmacht, aber meinen Heimatbezirk Otta­kring.“ Jenen Bezirk, aus dem auch Michael Häupl stammt, der sie in die Wiener Politik geholt hat. „Nachdem ich schon das 15. Jahr Stadträtin bin, dürfte es auch ohne Hausmacht gehen.“ Dazu kommt der Ruf, ihr gestellte Aufgaben durchzuziehen, wie etwa das strikte Sparprogramm bei den Stadtwerken. Wie ihre politische Karriere weitergehen soll? „Ich habe nie etwas ­angestrebt, das glaubt mir nie jemand. ­Außerdem mache ich diesen Job wirklich gern. Ich will kein anderes Ressort haben, nichts anderes werden. Es passt für mich.“ Und außerdem: „Ich hab meine Karriere nie geplant, alles hat sich immer zufällig ergeben, ich bin immer gut damit gefahren und werde das nicht ändern“, gibt sie sich nach außen ambitionslos. – Was vielleicht auch ein Grund dafür ist, warum sie im Team des neuen Chefs blieb.

Doch eine Mannerschnitte

Bleibt am Ende die Frage, wie es die „Verbotsstadträtin“ eigentlich selbst mit Verboten hält? „Ich habe als Politikerin sehr schnell gemerkt, dass man sich an alles halten und immer vorbildlich sein muss, weil die Leute immer sehr genau schauen: ‚Geht sie jetzt bei Rot über die Straße?‘“ Ob sie je in der U-Bahn in eine Leberkässemmel gebissen habe? „Was ich sicher nicht gemacht habe, ist irgendwelche warmen Speisen zu essen. Ehrlich gesagt, auch deshalb, weil ich mich immer anpatze, deswegen geht es da auch um einen gewissen Selbstschutz. Aber dass ich über die Lebenszeit betrachtet früher einmal die eine oder andere Mannerschnitte gegessen habe, kann ich nicht ausschließen.“

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 36 2018