Wie schafft
es die SPÖ zurück?

"Da verliere ich lieber eine Wahl": Christian Kern über das Leben in der Opposition, das Straucheln der Regierung - und Haltungen, die er nicht aufgeben will

von Politik - Wie schafft
es die SPÖ zurück? © Bild: Walter Wobrazek

Etwas mehr als zwei Prozent plus in Niederösterreich bei der ersten Wahl nach dem Verlust des Kanzleramts; in Wien zumindest eine Entscheidung für einen neuen Bürgermeister, wenn auch noch kein völliger Frieden. Wird es nun einfacher für Christian Kern -oder bleibt es kompliziert? "Einfacher? Nein. Wir haben dieselben Herausforderungen wie zuvor. Die Bevölkerung ändert sich, und unsere Wählerschaft ändert sich auch massiv. Dass die FPÖ mehr Stimmen bei den Arbeitern hat, ist nichts, was mich freut -aber auch keine große Sensation. Das beschäftigt uns seit Jahrzehnten. Aber wir sehen zuletzt Erfolge, in Niederösterreich hat sich der Abstand bei dieser Gruppe sogar verkleinert."

147.000 Wähler, die bei der Nationalratswahl FPÖ gewählt hatten, blieben zuletzt zuhause. Dieses Protestwählerpotenzial hat die SPÖ nicht angesprochen. Ist die SPÖ, wie oft moniert, nicht in ihrer neuen Rolle angekommen? "Mein Eindruck ist vielmehr, dass ÖVP und FPÖ noch nicht in der Regierung angekommen sind", gibt Kern zurück. "Wenn ich eine Ministerschaft auswähle, denen ich einen Maulkorb umhängen muss, wo ein kleiner Sekretär den Ministern sagt, was sie sagen dürfen und was nicht, dann zeigt das, wie wenig Vertrauen Kurz selber in seine Mannschaft hat. Ich sehe das eher entspannt." Überhaupt, meint er, sei die SPÖ gut gestartet: "Die Regierung sollte jetzt, 40 Tage nach der Angelobung, eigentlich einen Honeymoon haben, Rückenwind ohne Ende, die öffentliche Meinung und die Medien auf ihrer Seite. Und dann stolpern sie über die Abschaffung der Notstandshilfe, stolpern sie über die Abschaffung der Aktion 20.000 für ältere Arbeitslose, stolpern sie über Neonazi-Rülpser bei der FPÖ."

Dass diese Themen breit diskutiert wurden, "ist für den Beginn schon eine ziemlich gute Leistung von uns als Opposition." Jene SPÖ-Mitglieder, deren Nähe zu NS-Gedankengut publik wurde, hat man aus der Partei ausgeschlossen. Aber reicht es, sich auf die Fehltritte von Türkis-Blau zu verlassen? "Natürlich geht es auch um eine eigene Konzeption. Wir haben im Oktober einen Parteitag, bei dem das Programm neu gemacht wird. Auch danach werden wir mit Experten Themenpapiere zu vielen Positionen ausarbeiten, einen Grundstock dafür haben wir mit dem Plan A zur Verfügung.

»Die Leute sind nicht so dumm, wie manche versuchen, sie zu verkaufen«

Entscheidend wird aber sein, was wir in diesem Land geleistet haben: Das Wirtschaftswachstum und der Arbeitsmarkt sind auf Rekordniveau, die Kriminalität ist in den letzten zwei Jahren zurückgegangen, wir haben sinkende Migrationsraten. Das ist eine Basis." Freilich: Je länger die SPÖ in der Opposition sitzt, desto mehr wird die Regierung diese Daten für sich reklamieren. Kern: "Das wird so sein, aber die Wähler werden hoffentlich den Überblick nicht verlieren, wo das wirklich herkommt. Das ist ein wichtiges Argument, dass wir den Grundstein geschafft haben. Dass jemand anderer ernten wird, mag so sein. Aber die Leute sind nicht so dumm, wie manche versuchen, sie zu verkaufen."

Rotes Patentrezept

In ganz Europa ist die Linke in der Krise, doch ein Patentrezept gibt es nicht. "Wir brauchen einen österreichischen Weg. Wenn man sich die Sozialdemokraten in Europa anschaut, waren wir die einzigen, die bei Wahlen zumindest leicht Stimmen gewonnen haben. Weil wir in der Lage waren, eine Antwort zu geben, wie wir die Gesellschaft gestalten wollen. Eine Sozialdemokratie, die nur diffus auf einen Gerechtigkeitsbegriff setzt, unter dem jeder etwas anderes versteht, das wird nicht reichen. Wir brauchen Gerechtigkeit und Innovation. Da sind wir schon ein Stück weiter als andere sozialdemokratische Parteien."

Kern setzt bei dieser Konsolidierung auf bekannte Themen: "Das Kapital hat sich zu einem System entwickelt, das alle Lebensbereiche beherrscht. Jetzt müssen wir wieder lernen, das Kapital zu beherrschen. Wenn Neoliberale meinen, der Markt würde schon alles regeln und der 52-jährige Arbeitslose hätte sich halt eine Wohnung kaufen sollen, wenn er sich die Miete nicht leisten kann, dann sind das Rezepte die nicht funktionieren, sondern wir brauchen politische Interventionen. Durch die Digitalisierung werden sich diese Fragen noch zuspitzen. Darum glaube ich, dass die Basis für die SPÖ nicht schlecht ist. Wir haben viele Antworten. Im Gegensatz dazu die Wahlprogramme von FPÖ und ÖVP - sind S'mir nicht bös, das waren Taferlklassleraufsätze ohne Zahlen, nur mit vagen Versprechungen."

Die Wahl wurde durch das Migrationsthema entschieden, das die Antwort der Rechten auf die Folgen der Finanzkrise gewesen sei, "und wir haben keine Antwort gewusst." Migration könne nicht unbegrenzt sein. "Aber wir sind niemals in der Lage - und darauf bin ich stolz -, zu sagen, die Ausländer und andere Minderheiten sind die Schuldigen, weil da reden wir immer noch über Menschen. Das ist eine Haltung, die ich für unmoralisch halte und die ich verachte. Da verliere ich lieber eine Wahl, bevor ich das mache. Und da werden wir uns, solange ich da bin, nicht ändern."

»Mit ist jeder Sozialdemokrat recht, der der nächste Kanzler ist. Oder noch besser: Jede Sozialdemokratin«

Er habe Freunde, die Flüchtlinge beherbergt hätten, weil sei einfach helfen wollten. "Und nun sagen FPÖ und ÖVP, die Privaten sind Geschäftemacher. Dieser Grenzüberschreitung muss man entgegentreten. Diese Leute haben dem Staat den Hintern gerettet, sie nun zu diffamieren, ist unmoralisch und widerwärtig. Und wenn wir das oft genug sagen, wird es irgendwann verstanden werden. Vielleicht gibt es Missbrauch, dann muss man ihn bekämpfen, nicht aber mit Bausch-und-Bogen-Diffamierung. Wenn diese Haltung politisch nicht mehr gefragt ist, was ich nicht glaube, ist die Sozialdemokratie nicht mehr gefragt. Aber dann werden wir sie trotzdem nicht ändern."

Zehn Jahre in der Politik hat sich Kern gegeben. Glaubt er wirklich, dass er in dieser Zeit noch einmal Kanzler werden wird? "Mir ist jeder Sozialdemokrat recht, der der nächste Kanzler ist. Oder noch besser: jede Sozialdemokratin. Ich klebe an überhaupt keinem Amt. Ich habe diese Aufgabe übernommen und übe sie mit großer Begeisterung aus. Aber wir werden sicher Geduld brauchen. Nur wenn die Regierung so weitermacht, stehen die am Ende da, wie eine Moskauer Pyramide: zwei Betrunkene, die sich gegenseitig stützen. Das würde unsere Chancen erhöhen."

Der Beitrag erschien erstmals in News (Ausgabe 05/2017)

Kommentare

Strache sagt, daß National(sozial)ismus und Rassismus und Rassismus keinen Platz in seiner Partei hätten, warum unterstützt er aber immer wieder grad die Zündler, diejenigen, die sich Friedensinitiativen entgegenstellen. Warum zündelt er selbst immer wieder? Nein Strache ist meinen Kenntnissen zufolge kein vertrauenswürdiger Politiker, aber Kurz auch nicht

Ich bin froh, daß es Leute wie Christian Kern gibt, die sagen, was Sache ist. Das tat Christian Kern von Anfang an. Leider gibt es aber viel zu viel Leute, die auf Bildung verzichten, die statt zu lesen lieber Bilder anschauen, sich von Nebelgranatenwerfern wie Sebastian Kurz oder HC Strache reinfallen, sich blenden lassen.

Sonia E. Dupree

Ich mache € 91 pro Stunde von zu Hause aus. Ich war schockiert, als mein Nachbar mir sagte, dass er im Schnitt € 101 kostet, aber ich sehe, wie es jetzt funktioniert. Ich fühle so viel Freiheit, dass ich mein Chef bin ...

Das ist was ich tue ............>>>>>>>>>>>>>>>>>> ­w­w­w­.­H­a­n­d­e­l­9­0­.­c­o­m

Ich habe schon einmal geschrieben, dass es keine gewachsenen sozialdemokratischen Politiker mehr gibt, sondern nur Quereinsteiger aus Finanz und Wirtschaft, und die sind für die arbeitende Bevölkerung für A-----. Daher auch keine Wahlerfolge!

blauschau

da verliere ich lieber eine Wahl...das kann nur einer sagen der nicht für das Gesamte steht.Einer der sich den Lohn aufbessern lässt,ist sicher keiner, der alles für die Partei geben würde.Der Kern ist ein Auslaufmodell,betreffend lukrierung,Geldbeschaffung etc. aber sicher keiner von uns!

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