Wer plötzlich
grün ist

Die Wahl 2017 wurde mit einem einzigen Thema entschieden. Der Klimawandel war das damals nicht. Der ist heuer dran. Was nicht jedem gelegen kommt

von / Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Die nächste Hitzewelle startet jetzt. Kaum hat uns ein angenehm kühler Juli den Schrecken des heißesten Junis der Messgeschichte aus den Knochen gejagt, kündigt ORF-Wettermann Marcus Wadsak schon wieder anstrengende Wochen an: mehr als 30 Grad, ein Ende dieser Hitzezeit nicht absehbar. "Könnte bis August eine sehr heiße Sache werden", twitterte er diese Woche. Großstadtbewohner bekommen da eine Vorahnung, wie sie in den nächsten Jahrzehnten leben werden. Versiegelte Böden, Parkplätze statt Bäumen, Wärme speicherndes Gemäuer, Glasfassaden, hinter denen die Raumtemperatur ohne Klimaanlage locker auf 40 Grad plus klettert. Wir sind für den Klimawandel nicht gerüstet. Wien wird ohne echte Gegenmaßnahmen im Sommer 2050 um bis zu 7,6 Grad heißer sein als heuer, rechnen uns die Forscher der ETH Zürich vor. Und, nein, Flucht aufs Land macht die Sache auch nicht besser. Zersiedelung, neue Straßen, mehr Verkehr bringen neue Belastungen für Klima und Umwelt. Vielleicht hat es diesen heißen Sommer nach etlichen "heißesten Monaten der Messgeschichte" davor noch gebraucht - zumindest für manche Parteien und Politiker, denn erstmals wird laut Meinungsforschern das Thema Klimawandel bei einer Nationalratswahl wahlentscheidend sein. Schon bei der EU-Wahl war die Sorge um die Zukunft des Planeten ein wichtiges Motiv bei der Entscheidung, wo man am Stimmzettel sein Kreuz macht. Nun entdecken auch jene Politiker das Thema für sich, die bisher schulterzuckend bis höhnisch "Früher war es auch heiß" murmelten. Dumm für sie, dass sie im Fahrt aufnehmenden Wahlkampf sichtlich betreten und oft auch vergeblich um Glaubwürdigkeit ringen müssen. Und nicht nur bei dieser Wahl: Wann hat es das je gegeben, dass eine designierte EU-Kommissionspräsidentin wie Ursula von der Leyen - wenn auch verzweifelt auf der Suche nach einer parlamentarischen Mehrheit -echte europäische Klimapolitik verspricht und den ersten "klimaneutralen" Kontinent schaffen will? Und wann hat es das schon gegeben, dass ein Grün-Politiker darauf salopp antworten kann, sie habe "zu wenig geboten" (wie Werner Kogler in der "ZIB 2"), und dabei als maßgeblicher Player wahrgenommen wird?

Das Wahlkampfthema Klima spielt naturgemäß den Grünen in die Hände, die sich Hoffnungen auf einen starken Wiedereinzug ins Parlament machen dürfen. Die Neos kommen zumindest nicht in Nöte, immerhin haben sie ein Konzept für eine ökosoziale Steuerreform in Pink fabriziert. Die SPÖ plagt sich. Noch vor einem Jahr wurde Kurzzeitchef Christian Kern von den Seinen veräppelt, weil er auf Grün machen wollte. Nun versucht man, Klima-und Sozialpolitik zu verbinden, mit noch recht wenig Widerhall bei den Wählern. Bei der FPÖ will Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer seine Tempo-140-Teststrecken vergessen machen und gibt plötzlich den Klimaversteher. Er kann sich allerdings darauf verlassen, dass seine Wähler sowieso andere Motive haben. Richtig ungelegen scheint das Thema der ÖVP zu kommen, und das, obwohl sie seit 1987 die Umweltminister stellt. Sebastian Kurz hat 2017 ja auch mit einem einzigen Thema die Wahl gewonnen. Der Klimawandel war das nicht.

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