"Verhandeln über weitere
Aufstockung der Kurzarbeit"

Zwischen Rekordarbeitslosigkeit, Bewältigung der Corona-Kurzarbeit und virtuellen 1.-Mai-Feiern versucht ÖVP-Arbeits-und -Familienministerin Christine Aschbacher, ihr politisches Profil zu schärfen. Keine leichte Aufgabe für die Regierungseinsteigerin.

von Politik - "Verhandeln über weitere
Aufstockung der Kurzarbeit" © Bild: BKA/Wenzel

Die Corona-Kurzarbeit ist das Lieblingsthema von Arbeits-und Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP). Einmal darauf angesprochen, ist sie kaum zu stoppen - und das nicht zu Unrecht: Bis Ende vergangener Woche lagen 88.604 genehmigungsfähige Kurzarbeitsanträge von heimischen Unternehmen für 1,1 Millionen Arbeitsplätze vor -um 25.000 Anträge und rund 230.000 betroffene Jobs mehr als im Vergleich zur Woche davor. "Um durch die Phase eins der Krise zu kommen, hat sich das Corona-Kurzarbeitsmodell als das effektivste Instrument erwiesen. Dank diesem haben bis jetzt 1,1 Millionen Menschen eine Arbeitsplatzgarantie und ein sicheres Einkommen", so die Ministerin, der es besonders wichtig ist, zu betonen, dass "niemand weniger als 80 Prozent seines Gehalts ausbezahlt bekommt -auch, wenn er nur zehn Prozent arbeiten sollte." Selbst der große Nachbar Deutschland orientiere sich inzwischen am österreichischen Modell.

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Hierzulande wurde das Corona-Kurzarbeitsmodell mit einem Auszahlungsvolumen von 400 Millionen Euro gestartet, musste aber ob der enormen Nachfrage rasch auf eine Milliarde aufgestockt werden. Es folgten weitere Höherdotierungen auf drei, fünf und zuletzt sieben Milliarden Euro. Und auch damit dürfte das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein, sind doch bereits 68.495 Kurzarbeitsanträge mit einer Bewilligungssumme von rund 6,7 Milliarden Euro genehmigt. "Deshalb verhandeln wir mit dem Finanzministerium gerade auch um eine Aufstockung der Kurzarbeitsmittel", erklärt Aschbacher. Das Zielvolumen: zehn Milliarden.

Verunglücktes Interview

Trotz dieses von der Wirtschaft breit angenommenen Krisenbekämpfungsinstruments und eines umfangreichen und wesentlichen Ressorts, zu dem neben Arbeit und Familie auch das Thema Jugend gehört, ist Aschbacher in der politischen Debatte bisher wenig in Erscheinung getreten. Einer breiten Öffentlichkeit wurde sie vor allem durch ein verunglücktes "ZiB 2"-Interview zu den Folgen der Corona-Krise für Unternehmer und Beschäftigte bekannt. Am 20. März beantwortete sie die Fragen von ORF-Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher konsequent mit Stehsätzen, die ihr zahlreiche hämische Kommentare nicht nur der Opposition eintrugen. Von einer "Roboterministerin, die auswendig gelernte Message-Control-Floskeln" von sich gebe, war unter anderem die wenig schmeichelhafte Rede.

Darauf angesprochen, sagt sie heute, sie sei "für konstruktive Kritik immer offen und nehme Feedback gerne an -und ja, dieser Auftritt war verbesserungsfähig." Ob sie die zum Teil harsche Kritik gekränkt hat? Mit solchen Reaktionen müsse man in der Politik leben, sie wolle sich aber nicht lange damit aufhalten und ihre Energie lieber in die Arbeit für Österreich in der Krise investieren, so die Ministerin, die sich selbst als "zielstrebig, dialogorientiert und bodenständig", aber auch als "ungeduldig" und "manchmal zu perfektionistisch" beschreibt. Dass ihr die ÖVP wegen des TV-Interviews einen Maulkorb verpasst habe, wie politische Kommentatoren mutmaßten, trifft jedenfalls nicht zu, wie dieses Interview beweist. Im Gespräch mit News -dem ersten großen mit einem Magazin - hinterlässt die gebürtige Steirerin einen charmanten und sympathischen Eindruck. Sie versucht zwar auch hier, ihre Botschaften relativ hartnäckig über die Rampe zu bringen, argumentiert aber durchaus schlüssig.

Politischer Background

Einiges an politischer Erfahrung bringt die Regierungseinsteigerin zweifellos mit - wenn auch zuvor nicht ganz oben in der Hierarchie. "Ich komme aus einer politischen Familie. Mein Vater war sehr lange Bürgermeister, und meine Schwester ist es jetzt. Und ein Onkel war Landtagsabgeordneter. Das politische Interesse war immer schon da, und als ich Schulsprecherin in der Oberstufe war, bin ich auch zur Schülerunion gekommen -und das Interesse an der Politik ist geblieben", schildert Aschbacher ihren politischen Background.

Bei der Schülerunion hat sie im Übrigen auch Sebastian Kurz kennengelernt - vor mittlerweile mehr als eineinhalb Jahrzehnten. "Ich kenne ihn aber auch aus der Zeit, als er Staatssekretär war und ich die Geschäftsführung des Club International, einer Servicestelle für internationale Fach-und Schlüsselkräfte in der Steiermark, hatte. Da haben wir uns gemeinsam bei Unternehmen und Unis für eine bessere Vermittlung von Fachkräften eingesetzt", so die Ministerin, die stark in der steirischen ÖVP verwurzelt ist. Die Berufung zu dem politischen Spitzenjob sei für sie trotzdem überraschend gekommen. "Ich empfinde ihn als großartige Aufgabe und Herausforderung -gerade was die Weiterentwicklung der Bereiche Arbeit, Familie und Jugend betrifft. Ich war später auch in zwei politischen Kabinetten (der ÖVP-Minister Fekter und Mitterlehner, Anm.) und darf jetzt selber diese Tätigkeit ausüben. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue."

Ob sie sich den Einstieg in den Ministerjob Anfang Jänner so herausfordernd vorgestellt hat? "Es hat niemand damit rechnen können, dass diese internationale Corona-Krise auf uns zukommt - schon gar nicht in einer solchen Massivität", sagt Aschbacher dazu. Entsprechend lang seien daher ihre Arbeitstage -und oft auch die Nächte. Zugleich sei sie "aber auch sehr stolz, dass es uns als Regierung gelungen ist, der Bevölkerung schnell und wirksam zu helfen". In ihrer neuen Rolle fühlt sich Aschbacher "sehr rasch angekommen: Eine 100-tägige Einarbeitungszeit, wie das sonst vielleicht üblich ist, gab es aber nicht, da waren wir schon mitten in der Corona-Krise."

Familienalltag in der Krise

Deshalb sehe der Ablauf im Krisenalltag auch ganz anders aus, erzählt die dreifache Mutter: "Meine Familie lebt ja in Graz und ich pendle. Derzeit allerdings weniger. Wobei, die Wochenenden versuche ich schon dort zu verbringen." Aber auch die seien momentan mit vielen Telefonaten und Videokonferenzen verbunden, sagt die Ministerin: "Am Wochenende unternehmen wir zumindest einmal einen Spaziergang in der Natur. Das freut unsere drei Kinder besonders. Das ist das Wesentliche, und dabei kann ich mich ganz gut erden."

Auch ihr tägliches Ritual -die Facetime-Verbindung mit den Kindern, einem Buben, zwei Mädchen -helfe sehr. Ebenso wie ihr Mann, der jetzt voll drankommt und dem sie sehr dankbar ist, gesteht sie ein: "Ohne ihn würde das alles nicht gehen. Der ist mein Held des Alltags. Unsere Kinder sind nicht im Kindergarten und in der Schule und werden zu Hause betreut. Mein Mann leitet die Finanzabteilung eines Industrieunternehmens und hängt dazwischen auch immer wieder in Telefonkonferenzen -das ist schon eine intensive Zeit." Dass demnächst die Schulen wieder aufsperren, sei da schon positiv: "Mein Sohn, der die vierte Klasse Volksschule besucht, freut sich schon wieder sehr auf seine Freunde."

Probleme in der Hilfeabwicklung

Zurück zum Lieblingsthema der Ministerin, der Kurzarbeit, und den anderen Corona-Hilfsmaßnahmen: Dass es dabei immer wieder zu Problemen komme, wie Wirtschaftstreibende monieren, gesteht sie zwar ein. Es gebe aber unterschiedliche Ursachen dafür und seitens der Regierung laufende Verbesserungen. Zur Abwicklung der Kurzarbeit etwa seien beim AMS die Kapazitäten stark aufgestockt worden: 2019 habe es nur 25 Kurzarbeitsanträge im gesamten Jahr und beim AMS nur wenige Mitarbeiter dafür geben -heuer seien es bisher fast 100.000 Anträge, sagt Aschbacher: "Deshalb sind beim AMS jetzt mehr als 500 Mitarbeiter -auch aus der Verwaltung und solche, die aus der Pension zurückgekehrt sind -damit beschäftigt. Sowie als externe Unterstützung 200 Mitarbeiter der österreichischen Buchhaltungsagentur und der Österreichischen Gesundheitskasse für die Abrechnung." Dass es dennoch dauere, bis die Anträge abgearbeitet werden könnten, liege auch an fehlenden Daten, sagt die Ministerin: "Es gab Unternehmen, die vergessen haben, ihren IBAN anzugeben. Da muss dann einzeln nachgefragt werden." Viele Betriebe hätten auch kein E-AMS-Konto gehabt, so Aschbacher: "Aktuell wurde bei den bereits abgerechneten Anträgen seit vergangener Woche ein zweistelliger Millionen-Euro-Betrag ausbezahlt."

Kompliziert bleibt die Sache trotzdem: Die Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Lohnabrechnung die tatsächlich ausgefallenen Stunden in die Abrechnungstools im Monat danach einspeisen -unabhängig davon, welche Stundenreduktion im Antrag bewilligt wurde.

In der Regel sollte die Auszahlung dann binnen 30 Tagen erfolgen. Steuerberater kritisierten zuletzt, dass die Unternehmen auch deshalb Probleme hätten, weil keine geeignete Lohnverrechnungssoftware auf dem Markt verfügbar sei. Dazu Aschbacher: "Hier gibt es noch einige offene Details, die gerade von den hier zuständigen Sozialpartnern geklärt werden." Und beim Härtefallfonds für Kleinunternehmen und Selbstständige, der von der Wirtschaftskammer abgewickelt wird und den die Betroffenen als mühsam und ob der geringen Auszahlungssumme demütigend bezeichnen? Auch da seien Verbesserungen vorgenommen worden und man sei um eine möglichst unbürokratische Abwicklung bemüht. Freilich müssten gewisse Basisinformationen abgegeben werden, so Aschbacher: "Ich war selbst Unternehmerin, und es ist jeder Einzelne zu unterstützen."

Parallel dazu könne auch der Härtefonds des Familienministeriums in Anspruch genommen werden. Dieser sei ebenfalls auf 30 Millionen Euro aufgestockt worden für all jene, die wegen der Krise unverschuldet in Not gekommen sind. "Damit können Familien auf drei Monate maximal mit 3.600 Euro unterstützt werden. Und zusätzlich gibt es 30 Millionen Euro für Familien, die schon vor der Krise arbeitslos waren", schildert die Ministerin Hilfsmaßnahmen, die in ihr Ressort fallen. "In den ersten Wochen gab es dafür bereits Tausende Anträge."

Und auch das Toleranzsemester für Studierende ist Aschbacher wichtig, damit diese wegen der Krise keinen Nachteil haben: "Die Familienbeihilfe wurde deshalb um ein Semester bzw. Ausbildungsjahr verlängert und die Altersgrenze entsprechend angehoben. Auch für diejenigen, die sich zum freiwilligen Zivildienst gemeldet haben oder als Milizsoldaten einberufen wurden, wird die Familienbeihilfe weiter zugesichert."

Bedenken, dass es bei den Corona-Hilfsmaßnahmen auch zu Missbrauch kommen könnte, versucht die Ministerin zu zerstreuen: Beim Härtefallfonds sei diesbezüglich noch nichts bekannt, bei der Kurzarbeit sei es natürlich auch möglich. Entscheidend sei da die Endabrechnung der Ausfallstunden. Dafür werde Geld überwiesen und nicht gezwungenermaßen die Bewilligungssumme vom Anfang. Der Missbrauch von Steuergeld sei jedenfalls "absolut untolerierbar und zu verurteilen", erklärt Aschbacher. "Gemeinsam mit dem Finanzminister haben wir festgelegt, dass es punktuell strenge Überprüfungen durch die Finanzpolizei geben wird. In der Bilanz eines Unternehmens kann man ja erkennen, wie viel Umsatz es erzielt hat und ob die Abrechnungen der Kurzarbeitsbeihilfe vor diesem Hintergrund plausibel sind."

»Lehren aus Krise und neue Normalität«

Wie es insgesamt wirtschaftlich und am Arbeitsmarkt weitergehe, sei freilich weiter offen, so die Ministerin: "Wir beobachten die weitere Entwicklung genau anhand der Infektionszahlen. Davon hängt es ab, welche Maßnahmen letztlich gesetzt werden können." Die Regierung habe dafür in Abstimmung mit externen und internen Experten verschiedene Szenarien vorbereitet - vom "worst" bis zum "best case".

Beim nunmehrigen schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft stehe immer die Gesundheit im Vordergrund, betont Aschbacher: "Mir persönlich ist es wichtig, dass dabei auch der Arbeitnehmerschutz und die empfohlenen Maßnahmen eingehalten werden." Bei Open-Space-Büros etwa gelte es zu beachten, dass der Abstand eingehalten und generell oft gelüftet werde - und dass weiter, wo es möglich ist, zumindest zeitweise Homeoffice gemacht wird, z. B. abwechselnd am Vormittag oder Nachmittag oder tageweise. Die Krise bringe Teleworking und den neuen Arbeitswelten zweifellos eine Beschleunigung, meint die Ministerin: "Man sieht jetzt, wo Homeoffice wirklich möglich ist, und wird diese Erkenntnis auch für das 'New Normal' mitnehmen."

Dass die SPÖ heuer die traditionellen Maiaufmärsche ausfallen lässt und den Tag der Arbeit lediglich virtuell zelebriert, passt für Aschbacher da durchaus ins Bild: "Wenn in Zeiten der Digitalisierung das alles online stattfindet, ist das ja nichts Schlechtes -einerseits in dem Sinn von Social Distancing und andererseits als Unterstützung der Möglichkeiten der neuen Arbeitswelten."

Ihr vorrangiges Ziel sei es jedenfalls, die Menschen so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu bringen: "Die Situation mit den höchsten Arbeitslosenzahlen der zweiten Republik ist wirklich dramatisch, da stecken Schicksale dahinter. Deshalb haben wir auch dafür gesorgt, dass die Menschen, die Notstandshilfe beziehen, rückwirkend mit 16. März eine Aufstockung auf das Arbeitslosengeld bekommen", erklärt die Ministerin, die an die Bevölkerung appelliert, noch durchzuhalten: "Wir haben so viel schon geschafft in den vergangenen Wochen, und jetzt gilt es, sich weiter an die Empfehlungen zu halten und das schrittweise Hochfahren mit Disziplin gemeinsam gut zu bewältigen."

Zur Person: Christine Aschbacher Die 36-jährige Steirerin ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie absolvierte die Fachhochschule Wiener Neustadt, arbeitete bei zwei Managementberatungsfirmen und war von 2012 bis 2015 in den Kabinetten von Finanzministerin Maria Fekter und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (beide ÖVP) tätig. Danach war sie selbstständige Unternehmensberaterin. Seit Jänner 2020 gehört sie als Arbeits-, Familien-und Jugendministerin der ÖVP-Grünen-Regierung an.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe (18/2020) erschienen