Unter Druck der Zeitungsmacher

Mit Millionen Euro für Werbung versucht die Regierung, eine finanziell abhängige Presse gefügig zu machen. Doch das Spiel funktioniert auch umgekehrt: Immer wieder fordern Medien selbst einen Anteil am Kuchen. Als eine Art Schutzgeld für freundliche Berichte.

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Politik - Unter Druck der Zeitungsmacher

Es gibt Dinge im Leben, über die man nicht spricht. Schreibt. Oder berichtet. Zum Beispiel deshalb, weil man selbst, wie es der einstige stellvertretende Kärntner Landeshauptmann Uwe Scheuch ausdrückte, "part of the game", also Teil eines größeren Ganzen ist. Das Schalten sogenannter Regierungsinserate, also der großflächige Einkauf zumindest streckenweise belangloser Werbung in Medien, ist so ein Thema. Zu viel steht für Geber und Nehmer im Netzwerk aus wechselseitigen Abhängigkeiten auf dem Spiel, als dass ein besonderes Interesse an allzu transparenter Aufarbeitung bestünde. Zu bequem ist für alle der seit Jahren gelebte Zustand, der durch beliebig verteil-und immer verfügbare Mittel aus dem Steuertopf aufrechterhalten wird.

News und sein Eigentümer, die VGN Medien Holding, haben vergangene Woche mit dieser Tradition des Schweigens gebrochen. Wir machten öffentlich, was uns einer der engsten Vertrauten des Bundeskanzlers, Finanzminister Gernot Blümel, ausrichten ließ: Weil er - und damit die Bundesregierung - eine kritische Titelgeschichte über den Zustand der türkisen ÖVP nicht gutheiße, werde sein Ressort künftig keine Werbeflächen mehr in News und allen anderen Medien des Verlages (trend, Woman, TV-Media und viele mehr) kaufen.

Lesen Sie hier: Wie die Regierung mit Steuergeld die Medien lenkt

Bemerkenswert war, was im Anschluss geschah. In den sozialen Netzwerken, in Webmedien und jenen Titeln, in denen die Bundesregierung ohnedies nur für vergleichsweise geringe Summen Inserate schaltet (neben News sind das "Standard" und "Falter"), wurde das Thema breit und intensiv debattiert. Die Fragen lauteten: Darf die Regierung eines demokratischen Staates mit der willkürlichen Verteilung von Steuermitteln in Form von Werbung Druck auf die Presse ausüben? Und: Ist es überhaupt Aufgabe der Bundesverwaltung, mit jährlich 47 Millionen Euro für Inserate -so viel wie nie zuvor - einen erheblichen Beitrag zum Fortbestand von Verlagen zu leisten und ebendiesen Beitrag obendrein wettbewerbsverzerrend zu verteilen?

Kartell des Schweigens

Dort, wo fast drei Viertel dieses Geldes ankommen, nämlich bei allen anderen Tageszeitungen, wurde die Debatte jedoch mit keinem Wort erwähnt. Und das in Produkten einer Branche, die ihr Dasein gegenüber dem Publikum mit der Funktion als Wachhund gegenüber den Reichen und Mächtigen rechtfertigt. Bis auf wenige Ausnahmen glich die Phalanx der Redaktionen einem Kartell des Schweigens.

Abhängigkeit und Nutzen sind in dieser typisch österreichischen Konstellation zwischen Politik und Medien nämlich gleichmäßig verteilt: Verlage berichten für gewöhnlich nicht darüber, wie man sie mit finanziellem Liebesentzug in ihrer Berichterstattung unter Druck setzt. Umgekehrt thematisieren Politiker dann auch nicht, wie die Medien ihrerseits ihr Stück vom Kuchen einfordern und dass im Fall des Nichtbezahlens gezielte Negativberichterstattung die Folge wäre.

Ehemalige, die mutig werden

Doch wie News auf der einen, brechen auch Politiker auf der anderen Seite vereinzelt mit dieser eisernen Regel. Einige wenige unter ihnen erzählen dann, wie sie selbst von Medienmachern unter Druck gesetzt wurden, auch in Zukunft verlässlich und vor allem reichlich Steuermittel aus ihren Budgets gegen Werbeflächen in Zeitungen zu tauschen. Auffällig dabei ist, dass es stets Ehemalige sind, die ihre Geschichten erzählen. Und dafür bei den Adressaten mit -siehe oben -Schweigen oder Unvollständigkeit in der Berichterstattung bedacht werden. Die Bevölkerung erfährt davon deshalb nur wenig.

»Massenmedien lassen sich gerne füttern. Das wird einem schnell klar«

Karin Kneissl in einem Podcast des Medienprojekts Demokratie21

Genauso war es auch, als im Mai die ehemalige Außenministerin der türkis-blauen Koalition, Karin Kneissl, vor dem Untersuchungsausschuss zur Causa Ibiza aussagte, Namen, konkrete Beispiele und Medien nannte. Und dabei dennoch kaum Publikum erreichte. Dies deshalb, weil die anschließenden Berichte über ihren bemerkenswert offenen Auftritt die im Ausschuss genannten Namen aussparten und die von ihr gewählte Erzählung -Medien fordern selbst aktiv Inseratenschaltungen ein, geschehe dies nicht, drohen Konsequenzen - umdeuteten.

Aussage unter Wahrheitspflicht

Die von Kneissl beschriebenen Details nannten wieder nur zwei, die bei der Vergabe von Regierungsinseraten in der Gunst ganz unten stehen: der "Standard" und die republikeigene "Wiener Zeitung".

Die Ex-Außenministerin erzählte dem Parlament jedenfalls, dass ihr Wolfgang Fellner ("Österreich"/OE24) und Rainer Nowak ("Die Presse") einst ausrichten ließen, dass ihr geplanter Sparkurs bei Schaltungen Folgen hätte. Fellner via Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der vor Negativkampagnen gewarnt haben soll, Nowak über ihr Büro, der demnach darauf hinwies, dass Kneissls Sparkurs journalistische Arbeitsplätze kosten würde.

Die beiden Medienmacher bestritten Kneissls Schilderungen bereits einmal gegenüber dem Webmedium "Dossier", das schon vor ihrem Auftritt im Parlament über den Verdacht berichtet hatte. Seit ihrer Aussage vor den Volksvertretern wiegt der Vorwurf jedoch schwerer: Im U-Ausschuss stand Kneissl nämlich unter Wahrheitspflicht. Eine Falschaussage kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Wir ersuchten deshalb Fellner und Nowak nochmals, zu erklären, ob sie dabei bleiben, dass Kneissls Version nicht stimme.

Fellner reagierte nicht auf unsere Anfrage. Nowak schon. Er sagt, dass es "diametral unserer Auffassung von Journalismus widerspricht, Druck auszuüben". Gleichzeitig räumt er nun jedoch ein, dass es doch um Geld ging. "Es ging um eine Klarstellung des Unterschieds zwischen Inseraten auf der einen und Medienkooperationen auf der anderen Seite." Bei Medienkooperationen werden Themen journalistisch frei aufbereitet. Finanziert und gekennzeichnet werden diese aber von anderen. "In diesem Falle dem Außenministerium, welches das Wissen um die EU in der Bevölkerung in Form einer Medienkooperation ('Europa vertiefen') vertiefend darstellen lassen wollte." Kneissl, die seit Anfang Juni Mitglied des Aufsichtsrats des russischen Ölkonzerns Rosneft ist, will öffentlich nicht mehr kommentieren, wie das Spiel zwischen Zeitungsmachern und Politikern funktioniert. "Ich spreche nicht mehr mit österreichischen Medien", sagt sie uns. Was sie zu sagen habe, habe sie vor einem Monat den Abgeordneten gesagt. Zu oft schon habe sie schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht. "Auch mit News."

Und dennoch: Ihren ungewohnt offenen Auftritt im Parlament kann man - zumindest vorsichtig -als historisch bezeichnen. Auch wenn er bisher nicht den Weg zum Publikum fand. Immerhin nannte sie die Dinge beim Namen. Zu tun hat das auch damit, dass Kneissl schon während ihrer Amtszeit unabhängig war. Berufspolitiker müssen sich nämlich Wahlen stellen und damit auch dem Sturm, den unzufriedene Medien entfachen können.

Solche Sturmwarnungen sind auch dem Klubobmann der Wiener Grünen, David Ellensohn, in Erinnerung. Ohne Namen von Beteiligten zu nennen, berichtet er "vom Druck mancher Boulevardmedien" auf seine Partei. "Wir wurden in mehreren Wahlkämpfen regelrecht hinuntergeschrieben, mit dem expliziten Hinweis: ,Das könnt ihr euch wegkaufen!'," sagt er. Mit einer Zahlung in Höhe von 50.000 Eu ro. "Wir haben verzichtet. Die Berichterstattung war dann bis zum Wahltag fern von Fakten und Realität."

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Wiener Spielchen

Vor allem kann das Thema der Geldvergabe an Medien auch innerhalb einer Koalition zu Problemen führen. So haben die Grünen während ihrer Zeit in der Wiener Stadtregierung (2010 bis 2020) mit der SPÖ über eine Reduzierung des Inseratenbudgets verhandelt. Bei der Regierungsbildung 2015 gelang es, dieses um ein Drittel auf 20 Millionen Euro im Jahr zu drücken. "Wir wollten aber nicht linear kürzen, sondern beim Boulevard, weil der überfördert ist", erinnert sich Ellensohn. Ebendiesen Boulevardzeitungen habe dann jedoch die SPÖ erzählt, dass die Grünen der Grund für die Kürzungen seien. Zwar zähle die grüne Klientel nicht zum Stammpublikum der betroffenen Blätter, aber "trotzdem ist das nicht lustig, wenn die über lange Strecken gegen dich schreiben".

»Der, der den größten Druck macht, bekommt am meisten«

David Ellensohn, Klubobmann von Wiens Grünen

Ein faires System zur Verteilung von Inseraten aus Steuermitteln sei schwer zu finden, sagt Ellensohn. "Aber jetzt ist es so, dass der, der den größten Druck macht, am meisten bekommt. Ich will mir ja gar nicht vorstellen, was bei jenen Politikern los ist, die wirklich große Summen zu verteilen haben. Mit einer hässlichen Geschichte kann man jeden zerstören."

Ministerien der Begehrlichkeiten

Wenn Ellensohns und Kneissls Geschichten stimmen, nämlich dass Regierungsinserate tatsächlich als eine Art Schutzgeld zur Beruhigung skrupelloser Zeitungsmanager dienen, dann würde ein Vergleich der Höhe der Werbebuchungen einzelner Ministerien einiges darüber aussagen, welches Ressort besonders oft Ziel entsprechender Begehrlichkeiten ist (siehe dazu die Grafik auf der Folgeseite). Auffällig erscheint in jedem Fall, dass seit Beginn der Aufzeichnungen im Juli 2012 das Justizressort bis heute zur Gänze auf dieses Mittel verzichtet. Und andere Häuser besonders intensiv damit arbeiten.

Ein weiteres Indiz dafür, dass sich Kneissl und Ellensohn ihre Offenbarungen nicht nur ausgedacht haben, liefert einer, der lange an der Schnittstelle zwischen Regierenden und Verlagen saß: Stefan Albin Sengl. Er ist Miteigentümer der Kommunikationsagentur Skills Group. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit politischer Kommunikation und war privat als überzeugter Sozialdemokrat für mehrere SPÖ-Größen beratend tätig. Werner Faymann kritisierte er einst für seine Inseratenpolitik. Heinz Fischer brachte er im Wahlkampf wieder als Bundespräsident in die Hofburg. Und auch Christian Kern, der sich als Kanzler einst kritisch über die Methoden der Inseratenakquise der Boulevardblätter äußerte, unterstützte er.

Der Spieß hat sich gedreht

Heute blickt er aus dem obersten Stock eines Wiener Bürogebäudes auf diese Jahre zurück und spricht Klartext: "Meinem Empfinden nach hat sich der Spieß längst umgedreht. Anfangs glaubte man, dass man mit Buchungen positive Berichterstattung kaufen könne. Aber mit jedem Brocken, den man der Bestie hinwarf, wurde sie größer. Inzwischen füttert man sie nur noch, damit sie nicht über einen herfällt."

© Reich Sebastian (SELBST)REFLEXIV. Reinhold Mitterlehner beurteilt das Verhältnis zwischen Medien und Politikern kritisch

Doch definiert sich das Verhältnis zwischen Politik und Medien in Österreich tatsächlich nur noch über Druck, Drohungen und subtil angedeutete Erpressung? Ist das willkürliche Verteilen von Steuermitteln in Form von Inseraten das Einzige, das dieses System im Gleichgewicht hält? Trägt man die wenigen öffentlichen Äußerungen von Spitzenpolitikern dazu zusammen, dann verfestigt sich dieses Bild. Und immer wieder stößt man dabei auf das Schema, dass die Kritik an den Erpressungsversuchen nie an eine breitere Öffentlichkeit getragen wird. Weil die, die die Botschaft verbreiten, selbst "part of the game" sind.

"Komischerweise keine Fragen"

Das erlebte auch Sebastian Kurz' Vorgänger als ÖVP-Chef, Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Er schrieb sich schon 2019 nicht nur den Ärger über den Stil seines Nachfolgers in dem Buch "Haltung" von der Seele, sondern widmete darin auch dem Thema Politik und Medien ein ganzes Kapitel. Mitterlehner berichtete darin unter anderem von fragwürdigen gegenseitigen Abhängigkeiten und: Erpressungsversuchen.

Weil ihn dann im Rahmen einer großen Präsentation mit zahlreichen anwesenden Journalisten niemand darauf ansprach, verabschiedete er sich schließlich mit einem launigen Satz in die Politpension: "Die Rolle von Medien und Politik habe ich auch in dem Buch dargestellt. Dazu gab es komischerweise keine einzige Frage."

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News 25+26/2021.