Der "Psychoterror“
bei der Liste Pilz

Die Klimaschutzexpertin Martha Bißmann zog statt Peter Pilz ins Parlament ein, wollte ihren Platz nicht für ihn räumen und wurde aus dem Klub geworfen. Jetzt zieht sie einen Schlussstrich. Ein letztes Interview über ihre Zeit bei der Liste Pilz

von Politik - Der "Psychoterror“
bei der Liste Pilz © Bild: Ricardo Herrgott

Wann haben Sie Peter Pilz zum letzten Mal gesehen?
Am 19. Juli. Das war der Tag, an dem ich aus dem Parlamentsklub ausgeschlossen wurde.

Bei der ersten Nationalratssitzung nach der Sommerpause werden Sie im Parlament neben ihm sitzen.
Ich werde ihm professionell begegnen. Ich gehe aber davon aus, dass ich versetzt werde.

Sie haben gegen den Parlamentsklub und insbesondere Peter Pilz bei der Gleichbehandlungskommission eine Beschwerde wegen Mobbings eingereicht. Was versprechen Sie sich davon?
Ich erwarte mir, dass eine In­stitution mit hoher Glaubwürdigkeit bestätigt, dass es sich bei der Art, mit der ich behandelt wurde, um Mobbing aufgrund von Geschlecht und um Machtausübung handelt. Mir geht es nicht nur darum, meine eigene Wahrnehmung zu überprüfen, sondern ich möchte Frauen und Männer in ähnlichen Situationen ermutigen, sich zu wehren. Und ich hoffe, dass der Klub dadurch zur Besinnung kommt und mit diesen Methoden aufhört.

Was steht in der Beschwerde?
Zum Beispiel, dass fünf Wochen lang in jeder Klubsitzung auf der Tagesordnung stand, über meinen Ausschluss abzustimmen. Während der Beratungen darüber musste ich draußen warten. Nachdem ich eine „letzte Chance“ bekommen habe und öffentlich alle Schuld auf mich genommen habe, obwohl ich es nicht so empfunden habe, war die fortwährende Vertagung eine von mehreren Rehabilitierungsmaßnahmen. Das war eine Tortur.

Haben Sie noch ein Beispiel?
Es gab mehrere Hinterzimmergespräche, wo versucht wurde, mir mein Mandat abzupressen. Wenn ich nicht einlenkte, würde ich fallengelassen und hätte keinerlei Unterstützung mehr. „Dann ist alles aus“, hieß es. Einmal bin ich fast umgefallen. Ich habe dann unter Tränen den Raum verlassen. Ich musste in den Verkehrsausschuss, und dort haben andere bemerkt, dass ich noch minutenlang gezittert habe. Besonders schlimm war es, nachdem die Punktuation öffentlich wurde.

Der ehemalige Klubobmann Peter Kolba hat getwittert, dass Sie Bedingungen gestellt hätten, zu denen Sie bereit wären, Ihr Mandat abzugeben …
… nachdem sie jemand aus dem innersten Kreis schon zuvor an „Die Presse“ gespielt hatte. Da wollte man mir ganz bewusst schaden, und das ist auch geschehen. Danach brach ein Shitstorm über mich ein. Auch Unterstützer und Aktivisten aus der Steiermark, die ich gut kenne, waren aufgebracht.

Was haben Sie gemacht?
Ich habe angeboten, dass wir uns treffen und darüber reden. Als ich kam, hat mich fast der Schlag getroffen. Im Hinterzimmer eines Lokales saßen an einem langen Tisch aufgereiht Peter Pilz, seine Frau und 20 Aktivisten. Es wurden Unterlagen ausgeteilt, in denen jede meiner Wortmeldungen der letzten Zeit dokumentiert waren. Entlang dieser Chronologie wurde ich verhört. Das war Psychoterror.

Haben Sie je darüber nachgedacht, ihr Mandat abzugeben?
Je stärker der Druck geworden ist, desto sicherer war ich mir, dass es richtig ist, das Mandat zu behalten. Ich wollte mich von diesen Methoden nicht einschüchtern lassen.

Aus der Partei sind Sie aber ausgetreten.
Nicht freiwillig. Damals haben mir Aktivisten öffentlich das Misstrauen ausgesprochen, und Peter Pilz hat Druck gemacht. Zu der Zeit stand mein Antrag auf Ausschluss auf jeder Tagesordnung. Da habe ich alles getan, um nicht ausgeschlossen zu werden.

Sie wurden aus dem Klub ausgeschlossen, weil sie interne Informationen weitergegeben haben. Welche?
Peter Pilz hatte in einer Klubsitzung angekündigt, dass er den Mitarbeiter Sebastian Bohrn Mena, der ein kritisches Interview gegeben hat, wegen Rufschädigung klagen wird, damit er in finanziellen Druck gerät. Das hat mich schockiert. Einerseits wollte ich dem Klub gegenüber loyal sein und der Bitte um Verschwiegenheit nachkommen. Andererseits habe ich mich moralisch verpflichtet gefühlt, Bohrn Mena darüber zu informieren.

Sie haben es ihm gesagt?
Ja. Ich habe lange überlegt. Aber Peter Pilz hat es ja selbst jahrelang kultiviert. Das Auf­deckertum ist nichts anderes als die Weitergabe von vertraulichen Informationen, um größeres Unrecht zu verhindern. Damit ist man selbst im Recht.

Nach der Sommerpause werden Sie die einzige wilde Abgeordnete im Parlament sein. Was haben Sie vor?
Ich werde ganz massiv für meine Kernthemen Ökologiewende und Klimaschutz eintreten und Sprachrohr der Zivilgesellschaft sein.

Als Fraktionslose haben Sie zwar Redezeit. In Ausschüssen können Sie nur zuhören. Um Anträge oder Anfragen einzubringen, brauchen Sie die Unterstützung von vier anderen Abgeordneten. Aber niemand braucht Sie dafür, weil alle anderen selbst Klubs haben.
Das schafft Raum für neue ­Allianzen. Mein Ziel ist es, als Wilde Allparteienanträge einzubringen. Der ökologische Kollaps bedroht uns alle. Bei diesem Thema müssen wir über die Parteigrenzen hinweg Lösungen finden. Da bin ich als Wilde in einer guten, weil neutralen Position.

In einem Klub hätten Sie mehr Spielraum. Suchen Sie Anschluss bei anderen Parteien?
Nein. Nach den Erfahrungen der letzten Monate möchte ich unabhängig bleiben, so lange ich merke, dass ich etwas bewirken kann.

Vor genau einem Jahr haben Sie für die Liste Pilz Wahlkampf gemacht. Was bleibt für Sie von diesem Jahr?
Damals glaubte ich fest daran, dass unsere Truppe das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder herstellen kann. Das Versprechen wurde noch nicht eingelöst. Es hat eher gezeigt, wie Macht in den Händen von Personen wirkt, die nicht vom Wunsch nach Erneuerung getrieben sind, sondern in der Wiederholungsschleife festhängen. Es bleibt aber auch die Erfahrung, mit sehr vielen tollen Köpfen zusammengearbeitet zu haben. Sie haben es verdient, endlich in ruhiges Fahrwasser zu kommen und Erfolg zu haben.

Dieses Interview erschien ursprünglich in der Printausgabe 35 2018