„Pilz ist kein Wunderwuzzi“

Von November bis Juni war der Konsumentenschützer Peter Kolba Klubchef der Liste Pilz, dann schmiss er – entnervt von den Querelen rund um die Rückkehr von Peter Pilz ins Parlament – alles hin. Im Interview erzählt er, was passiert ist und wie es weitergeht

von Politik - „Pilz ist kein Wunderwuzzi“ © Bild: Ricardo Herrgott

Vor knapp einem Jahr haben wir uns über Ihren Einstieg in die Politik unterhalten, jetzt über Ihren Ausstieg. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Ich will es nicht missen. Ich glaube, dass die politische Einschätzung vom Beginn – nämlich zu versuchen, über die eigene Blase hinaus Protest- und Nichtwähler anzusprechen – richtig war. Das ist uns nicht ausreichend gelungen, aber wir sind damit auf einem guten Weg gewesen. Im Juli 2017 war halt nicht vorhersehbar, dass Peter Pilz aufgrund von Anwürfen sein Mandat zuerst nicht annehmen und dann doch wieder zurückkommen würde. Das hätte ich mir auch gerne erspart.

Kann man die Schwierigkeiten der Liste Pilz auf diese Problematik – Belästigungsvorwurf, Mandatsverzicht – reduzieren?
Wenn er das Mandat gleich angenommen hätte, wäre alles klar gewesen. So hat das Team-Building ohne ihn stattgefunden. Wir haben sieben Monate ohne ihn gearbeitet und uns auch zu einer sehr guten Gruppe zusammengefunden. Es war schon schade, dass wir dann auf einmal jemanden finden mussten, der oder die freiwillig Platz macht.

Hätte Pilz lieber nicht ins Parlament zurückkehren sollen?
Es wäre besser gewesen, wenn er das Mandat gleich angenommen hätte. Das hätte sicher für Aufregung gesorgt, aber das war jetzt auch der Fall. Nicht ins Parlament zurückzukehren wäre keine Lösung gewesen, weil viele Wähler wegen ihm die Liste gewählt haben. Aber er hätte sich die Sache mit seiner Nachrückerin vielleicht besser ausmachen sollen.

Es ist also aus Ihrer Sicht alles gut gelaufen, bis Pilz daherkam und ins Parlament zurückwollte?
Nein, es ist auch bis dahin nicht so gut gelaufen. Weil uns viele Medien immer wieder gesagt haben, sie berichten bis zur Rückkehr Pilz’ nur über die Frage „Wann kommt er wieder?“. Wir hatten die absurde Situation, dass wir eine Pressekonferenz zum Thema Malariaopfer – also Heimkinder, die in den 60er-Jahren absichtlich mit Malaria infiziert worden sind – gegeben haben, ein schweres Thema. Und am Schluss hat ein Journalist gefragt: Ja, aber wann kommt ­Peter Pilz wieder? Wir konnten Themen nicht setzen, weil immer diese Frage im Vordergrund war.

Das Verhältnis zwischen Liste Pilz und Medien war von Anfang an schlecht. Sie haben wiederholt von „Medienjustiz“ gegen Pilz gesprochen, in Zusammenhang mit den Belästigungsvorwürfen.
Dabei bleibe ich auch. Es kann nicht sein, dass zwei Vorwürfe im Stakkato ungeplant plötzlich daherkommen.

Es ging darum, den Aufdecker Pilz kaltzustellen?
Es ging überhaupt gegen die Liste. Als Nächstes war dann ich dran. Sobald ich Klubobmann war, hat man irgendwas aus dem VKI aufgewärmt, wo man glauben hätte können, dass ich eine arme alleinerziehende Mutter benachteiligt hätte. Was nicht dazugesagt wurde, war, dass ihr eine genauso berufstätige Mutter mit zwei Kindern vorgezogen wurde. Von Frauenfeindlichkeit also keine Rede. Und das hat mich schon sehr geärgert. Die Geschichte war ersichtlicher Unsinn – wurscht, ist gespielt worden.

Medien hin oder her, hat Pilz aus Ihrer Sicht alles richtig gemacht?
Nein. Ich hätte mit dem Klub an seiner Stelle darüber gesprochen, ob er das Mandat annimmt oder nicht. Das hat er nicht. Er hat gesagt, er will den Klub damit schützen. De facto hat er uns nicht geschützt, das muss man rückblickend schon sagen, sondern er hat uns eine Hypothek umgehängt, die wir lieber nicht gehabt hätten.

Ende Mai haben Sie Ihr Nationalratsmandat über­raschend aufgegeben, Ihre Begründung auf Twitter wirkte sehr emotional. Was ist da passiert?
Wir hatten alle den plötzlichen Druck, dass jemand für Pilz Platz machen muss. Obwohl wir ja im Grunde fünf Monate Zeit gehabt hätten, uns auf diese Situation vorzubereiten, und das auch versucht haben, indem wir etwa mit einem systemischen Berater gearbeitet haben. Nur am Schluss haben immer alle gesagt: Nein, sie wollen nicht gehen. Und dann war klar, jetzt müssen wir entscheiden. In dieser Phase hat Martha Bißmann gesagt, sie würde gehen, und angefangen, über Bedingungen zu verhandeln.

Sie haben Bißmanns Forderungspapier veröffentlicht, das hat Ihnen Kritik eingebracht.
Peter Pilz und ich haben entschieden, ihr Forderungspapier zu veröffentlichen, nachdem es schon geleakt war und Medienanfragen dazu vorlagen. Aber das wusste ja niemand.

Und dann sind die Auseinandersetzungen so eskaliert, dass Sie entnervt das Handtuch schmissen?
Der Ansatz von Alfred Noll und mir – wir sind beide seit 30 Jahren tätig, er als Anwalt, ich als Verbraucherschützer, und wissen, wie man Verhandlungen führt – wäre gewesen, zu sagen, das ist zu viel, und einen Antrag auf Ausschluss aus dem Klub zu stellen. Dann hätte man ja immer noch eine Einigung anbieten können. Stattdessen ist die Strategie gefahren worden: reden, reden, reden. Das hat dazu geführt, dass Frau Bißmann jeden Tag auf einem anderen Fernsehsender immer wieder neue Geschichten aufgebracht hat, was der Liste sehr geschadet hat. Es kam zu einem ganz massiven Auseinanderklaffen in der Strategie. Der Klub hat sich meiner Linie nicht mehrheitlich angeschlossen. Dann habe ich gesagt, ich lasse es. Ich bin in die Politik gegangen, um Politik zu machen, und nicht um monatelang Intrigen zu spinnen, wo einzelne Abgeordnete gegen den eigenen Klub arbeiten.

Sie haben dann mit Ihrem Rückzug indirekt Platz für Pilz gemacht. Absicht?
Nein. Ich gebe zu, es war eine Bauchentscheidung, aber damit bin ich immer gut gefahren und ich bereue sie auch nicht. Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt immer gesagt, ich möchte nicht gehen, weil ich glaube, dass ich mit meinen Themen auch zum Erfolg der Liste beigetragen habe. Aber zwei Dinge haben mich wirklich geärgert: die Pressekonferenz der beiden Klubobleute, wo sie gesagt haben, ja, das Problem Bißmann wird sich schon irgendwie lösen, und ein Artikel in der Onlineausgabe der „Kleinen Zeitung“, wo mir vorgeworfen wurde, ich hätte als Parteichef, was ich nie war, die Partei nicht ordentlich aufgebaut. Und das war dann irgendwie zu viel. Das hätte nämlich eigentlich der Peter Pilz machen sollen von November bis jetzt. Und es ist nicht so gar viel passiert.

© Ricardo Herrgott News Ricardo Herrgott Kolba macht jetzt wieder „seine Dinge“: Er kämpft für Konsumentenschutz

Die Partei hat keine ordentlichen Strukturen?
Die Partei hat eine Homepage und sonst weitgehend nichts. Pilz ist für mich einer, der durch gnadenlose Selbstinszenierung wahnsinnig gut in den Medien rüberkommt, überhaupt keine Frage, da hat er eine Ader und ein wirklich gutes Gespür für Themen. Was er aber mit Sicherheit nicht ist, ist ein Organisator. Also jemand, der zurücksteht, andere protegiert und Strukturen aufbaut. Das muss man ihm aber auch nicht vorwerfen, man muss nicht alles sein. Er ist auch kein Wunderwuzzi, sondern ein wirklich guter Parlamentarier. Daher ist er ja jetzt am richtigen Platz. Nur der Weg dahin war so unangenehm, dass ich sage, sieben Monate waren genug für mich.

Gibt es, wie manchmal postuliert, ein Frauen­problem in der Liste Pilz?
Ich hätte das nicht so gesehen. Das Problem ist eher, dass die Älteren natürlich aus ihrem Erfahrungsschatz agieren und die Jüngeren lieber ausprobieren wollen. Aber das ist ein Widerspruch, der ja höchst kreativ nutzbar wäre. Nur das Problem war immer diese über uns schwebende Rückkehr des Peter Pilz. Wir wollten das alle, aber wie wir jemanden finden, der freiwillig geht, das war halt wirklich eine Überforderung.

Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?
Ich bin ohne Netz gegangen, ich habe nichts Neues. Aber ich fühle mich befreit und mache jetzt meine Dinge. Obwohl ich nicht ausschließe, dass sich irgendwann wieder eine Zusammenarbeit mit der Liste Pilz ergibt. Ich habe einen Verbraucherschutzverein gegründet und suche jetzt Mitglieder und Spender. Das erste große Thema, auf das ich aufmerksam machen möchte, ist der Rücktritt von Lebensversicherungen. Die Regierung plant gesetzliche Verschlechterungen, die ich zweimal verhindern konnte – aber ich fürchte, jetzt ist es so weit.

Und die Zukunft der Liste Pilz?
Jetzt kommt der Sommer, Fußball-WM ist auch. Wenn wir plangemäß in vier Jahren Wahlen haben, sind alle Chancen da. Ich glaube nicht, dass man sich 2022 noch daran erinnern wird, was im Sommer 2018 passiert ist. Ich glaube allerdings auch, dass die Liste sich jetzt mit dem Peter Pilz finden muss und sich nicht auf seine Themen reduzieren lassen darf. Wenn man thematisch nur seine zwei Untersuchungsausschüsse protegiert, wird die Liste mit dem Peter Pilz in Pension gehen.

Dieses Interview ist ursprünglich in der Printausgabe (Nr. 25/2018) erschienen!