Peter Westenthaler - Zwischen
Florett und Hackbeil

Früher firmierte Peter Westenthaler als Kofferträger Jörg Haiders. Demnächst muss er ins Gefängnis. Wegen Betrugs. Doch ist auch er irgendwie ein Betrogener?

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Politik - Peter Westenthaler - Zwischen
Florett und Hackbeil

Das Sprießen eines Barts symbolisiert einen lebensgeschichtlichen Einschnitt -an den Wangen, rund um das Kinn und über der Oberlippe wachsen Haare, die Kindheit ist beendet. Peter Westenthaler, seit knapp fünf Monaten fünfzig, lässt sich nun auch einen Bart wachsen. Wiewohl noch schütter und stoppelig, markiert auch er einen Einschnitt: nämlich Westenthalers innerlichen Abschied von Jörg Haiders berühmt-berüchtigter "Buberlpartie".

"Natürlich haben wir damals dann und wann hemmungslos überzogen und uns jede Menge Feinde aufgebaut", sagt Westenthaler. Und genau deswegen, meint er, hat ihn Mutter Justitia jetzt, spät, aber doch, so richtig rasiert: "Ich wurde zerstört, zertrampelt, niedergetreten", macht sich der rechtskräftig verurteilte Ex-Politiker in der Talkshow "Fellner live" Luft.

Ein Match mit Nachspiel

Was war passiert? Erste Halbzeit: In seiner Funktion als Vorstand der Fußball-Bundesliga soll Westenthaler eine Million Euro an Fördergeldern missbräuchlich verwendet haben, die Staatsanwaltschaft sieht darin schweren Betrug und Untreue. Doch das Erstgericht spricht Westenthaler frei, der Vorsitzende erblickt "überhaupt keine Beweise". Zweite Halbzeit: Der Oberste Gerichtshof hebt den Freispruch auf, im Wiederholungsprozess fasst Westenthaler 30 Monate teibedingter Haft aus, wogegen er beruft. Doch das Höchstgericht bestätigt den Schuldspruch. Nachspielzeit: Das Oberlandesgericht legt das Strafausmaß neu fest, reduziert es auf zwei Jahre, davon acht Monate unbedingt. Für vier Monate muss Westenthaler hinter Gitter, erst danach kann er eine Fußfessel beantragen.

Er habe seine Funktion als ehemaliger Spitzenpolitiker genutzt, um eine "inkriminierende Tathandlung" zu setzen, argumentiert das Gericht. Doch Westenthaler selbst argumentiert sinngemäß so: Das zugesicherte Fördergeld sei bereits vor dessen Ausschüttung "absolut zweckgerecht" ausgegeben und daher nach dem tatsächlichen Erhalt zu einem Teil in den laufenden Betrieb gesteckt worden. Betrug? Untreue? "Wir haben niemanden geschädigt, haben uns nicht bereichert, sondern die Liquidität wiederhergestellt, wie das jedes Unternehmen macht." Nun will das Polit-Raubein außer Dienst sogar den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen.

Westenthaler -ein Rechter hadert mit dem Rechtsstaat. Und auch Kommentatoren, die links der Mitte stehen, sind sich einig: Nicht nur der kleine Peter Hojac, wie er ursprünglich hieß, aus Wien-Favoriten wurde hier rechtskräftig abgeurteilt, sondern der Repräsentant eines politischen Systems. Einer Clique um Gernot Rumpold, Walter Meischberger und eben Westenthaler, die seit den späten Achtzigern Tag und Nacht um Jörg Haider herumscharwenzelte, hemmungslos den Willen des Herren exekutierte und deren Unschuld heute nur noch vermutet werden kann. Rumpold galt als der Mann fürs Grobe, Westenthaler als der Kofferträger. "Ich habe rasant Karriere gemacht", sagt er heute, "vielleicht zu rasant." Und: "Ich habe nicht immer mit dem Florett gefochten, sondern auch mit dem Hackbeil."

Von den innerstädtischen Machtzentren der Politik ist Westenthaler heute denkbar weit entfernt. Er empfängt in einer vorstädtischen Konditorei, dort, wo die letzten Ausläufer der Metropole ins flache Land münden und, Bart sei Dank, kaum wer den Ex-Politiker hinter dem Wildwuchs erkennt. "Keine Fotos", bittet er.

Zur Human-Interest-Figur ist er geworden. Zu einem, der freimütig erzählt, dass ihn das langwierige Verfahren 250.000 Euro koste. Davon, dass er bereits 150.000 bezahlte und damit sein Erspartes aufzehrte. Davon, dass ihm, um die restlichen 100.000 zusammenzukratzen, womöglich nur noch der Privatkonkurs bleibe. Conni, seine 21-jährige Tochter, verfasst emotionale Facebook-Postings: "Egal, was passiert, ich stehe hinter dir und schau alle böse an." Ein Unternehmer, den Westenthaler über Facebook kennt und der heute in Kolumbien Kürbisse züchtet, hat eine Internetpetition gestartet: Gerechtigkeit für Westi, bereits an die 800 Personen -darunter Walter Schachner, ehemals Trainer von Haiders FC Kärnten -unterschrieben gegen das Urteil.

Blau nach einem Bier

Im Jahr 1986, noch als Schüler, holte sich Westenthaler von Haider nach einer Wahlkampfveranstaltung in Schwechat ein Autogramm, wurde vom blauen Wundermacher auf ein Bier eingeladen -und zwei Jahre später Mitarbeiter im FP-Parlamentsklub. Der Weg in Jörgls Windschatten war geebnet. So lange, bis 2008 in Kärnten die Sonne vom Himmel fiel.

Heute steht das Buberl von damals also alleine da. Verurteilt, nicht nur, aber auch, weil er sich bedingungslos ins System Haider einfügte. "Ich habe ihm auch nachgeeifert, doch dass ich ihm abschwöre, werden Sie von mir nicht hören. Er war ein Freund, dem ich meine gesamte politische Karriere verdanke." Und: "Ich war Teil einer einzigartigen Erfolgs-und Euphoriewelle, damals bin ich auch nach nur zwei, drei Stunden Schlaf mit einem Lächeln aufgewacht."

Doch heute wirkt das Lächeln gefroren. Während Stefan Petzner "den Jörg" als "Lebensmenschen" bezeichnete, sieht Westenthaler mit Haider seinen größten Fehler -er sagt "Lebensfehler" - verknüpft.

Es war im Frühjahr 2006, und Westenthaler hatte seine erste Teilprivatisierung gerade erfolgreich abgeschlossen: Er hatte, wie er selbst sagt, einen "Topjob" in Stronachs Magna-Zentrale, ein "Topbüro mit Blick auf den Golfplatz", ein "Topgehalt". Da sei auf einmal Haider in der Tür gestanden und habe ihn gebeten, für dessen BZÖ wieder an vorderster Front in die Politik einzusteigen. "Es war ein dramatischer Appell, und es flossen auch Tränen." Haider flehte, er folgte. "Das war dann die Phase, wo ich mir am meisten Feinde aufbaute."

Nun will Peter Westenthaler mit der Vergangenheit abschließen. Doch sein Bart ist noch stoppelig und schütter. Und wer ihn wirklich gut kennt, vermeint, darunter sein wahres Gesicht zu erkennen.

Dieser Artikel erschien im News-Magazin 13/2018.

Kommentare

Ich bin weder Freund noch Feind von Herrn W. aber in unserem Land macht sich eine mehr als fragwürdige Justiz und eine unwürdige Art von Journalismus breit. Souveränität, Seriosität, Kompetenz, .....alles Fremdwörter

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