Peter Pilz: "Auf demselben Weg wie Ungarn"

Der Aufdecker Peter Pilz will mit seinem neuen Buch vor der türkisen ÖVP warnen: Das Projekt des Sebastian Kurz bestehe darin, die Gewaltentrennung aufzuheben

von Politik - Peter Pilz: "Auf demselben Weg wie Ungarn" © Bild: Ricardo Herrgott/News

Peter Pilz' neue berufliche Heimat liegt in Favoriten. Mit Absicht keine feine Gegend, aber ein beeindruckender Blick über den Reumannplatz bis an die Ränder der Stadt. Hier befindet sich der Newsroom der Onlinezeitung ZackZack, deren Herausgeber Pilz ist. Gleich daneben sein Büro. Auf dem Schreibtisch ein Stapel Bücher. Pilz signiert Ausgaben von "Kurz. Ein Regime". Sein jüngster Versuch, Unruhe in die politische Landschaft zu bringen, geht auf. Stolz zeigt er das SMS eines prominenten Gratulanten aus dem SPÖ-Umfeld. Auch aus Teilen der ÖVP erreiche ihn Zuspruch. "Die Kurz-Partie" dagegen sei "auf Tauchstation gegangen. Die trauen sich nicht, mich zu klagen, weil sie wissen, dass ihnen dann das Schlimmste droht, was es für sie gibt, nämlich eine Zeugenladung unter Wahrheitspflicht. Sie trauen sich nicht, mit mir den Streit öffentlich auszutragen, weil Kurz da den Kürzeren zieht. So schaut's aus."

"Kurz. Eine Regime"* ist im Verlag Kremayr &Scheriau erschienen

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Pilz' Buch ist eine scharfe Abrechnung mit dem System Kurz und eine pointierte Darstellung von dessen Mechanismen. Er wolle damit, sagt Pilz, rechtzeitig aufrütteln. "Meine Eltern, die linke und sehr kulturvolle Sozialdemokraten waren, haben mir immer gesagt: "Wenn alle merken, dass was schiefgeht, ist es schon viel zu spät. Du musst rechtzeitig was tun." Und hätten sich in Ungarn viele rechtzeitig gewehrt, wäre es nie zum Regime Orbán gekommen. Heute ist es dort zu spät. In Österreich sind wir auf demselben Weg. Im ORF zum Beispiel droht jetzt das, was in Ungarn vor acht Jahren passiert ist. Von oben bis unten wird alles türkis eingefärbt, und irgendwann werden sie der Putzfrau die Frage stellen, ob sie bei der Partei ist."

"Regime"

Dass Pilz das System Kurz als "Regime" bezeichnet, sorgte selbst bei wohlwollenden Rezensenten für Irritation. Er erklärt das so: "Ein Regime beginnt dort, wo das Bauprinzip der Demokratie, nämlich die Gewaltentrennung, aufgehoben wird. Darin besteht das Projekt von Sebastian Kurz. Von Moskau über Warschau, von Budapest bis Ankara gibt es immer dieselbe Choreografie. Erst übernehmen sie die Geheimdienste und die Polizei, das ist in Österreich bereits passiert. Dann übernehmen sie die Justiz, das ist in Österreich weitgehend passiert, bis auf den Störfall WKStA. Dann schalten sie das Parlament aus, das ist in Österreich teilweise passiert, wie mit der Sobotka-Vorsitzführung im Ibiza-U-Ausschuss. Dann übernehmen sie die Medien oder hängen sie an den Inseratentropf, bis sie süchtig und vollkommen abhängig sind, das ist bei vielen bereits passiert. Und, das habe ich in dem Buch erstmals zu beschreiben versucht, sie übernehmen auch die Wirtschaft. Bei der Aktion ,Casag' ging es nie um die Casinos, das war immer eine Aktion ,Öbag'. Dabei ist es nicht darum gegangen, dass Thomas Schmid die Öbag übernimmt, sondern dass sie ins Bundeskanzleramt kommt und von Kurz persönlich übernommen wird. Da geht es um Telekom, OMV, Verbund, Post, BIG usw. Das sind 135.000 Beschäftigte mit einem Unternehmenswert von 26,6 Milliarden Euro, die will Kurz persönlich kontrollieren."

© Ricardo Herrgott/News Peter Pilz, lange Jahre grüner Aufdecker im Parlament, ist jetzt Herausgeber von ZackZack

Kampf um den Futtertrog

Kurz' Ziel, glaubt Pilz, "ist nicht Diktatur, bei ihm geht's um Selbsterhaltung. Wäre Viktor Orbán als Politiker gescheitert, hätte er als Manager eines Unternehmens auch Chancen gehabt. Wenn Sebastian Kurz als Kanzler scheitert, steht er als nicht vermittelbarer Studienabbrecher auf der Straße. Weil er das weiß, wird er alles tun, um an der Macht zu bleiben. Das Budget ist der einzige Futtertrog, der Politikern wie ihm im Leben zur Verfügung steht. Und um diesen Futtertrog werden sie mit Zähnen und Klauen kämpfen." Mit Duldung des grünen Koalitionspartners. Wie konnte aus dem früheren Aufdecker Werner Kogler ein Steigbügelhalter der Türkisen werden? "Ich fürchte, dass für Kogler mittlerweile etwas Ähnliches gilt wie für Kurz. Wenn er nicht mehr Vizekanzler ist, war's das. Und das weiß er. Jetzt sitzt er im Beiwagerl neben Sebastian Kurz, schaut rauf zum großen Fahrer und rührt sich nicht, weil er Angst hat, rauszufallen. Das Schreckliche ist ja, wir haben eine türkis-grüne Regierung, die blaue Politik macht. Die Führung der Grünen kann das politisch nicht überleben, weil sie sich völlig diskreditiert hat und bis auf die Knochen korrumpiert ist. Ich sehe für Kogler, Maurer und einige andere keine politische Zukunft. Sie haben sich auch keine verdient. Das ist eine lange Geschichte verpasster Chancen und fehlenden Mutes."

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Dass bürgerliche ÖVP-Kreise das türkise Treiben kaum kritisch kommentieren, erklärt Pilz historisch. "In der ÖVP finden Sie etwas mittlerweile selten, was zu Zeiten eines Heinrich Neisser oder Michael Graff selbstverständlich war, nämlich ein Mindestmaß an persönlichem Mut. Diese Entwicklung hat viel mit Wolfgang Schüssel zu tun. Schüssel, der alles andere als ein österreichischer Orbán war, hat seine Partei extrem autoritär geführt und ihr jeden Widerstandsgeist ausgetrieben. Von diesem Schüssel-Erbe profitiert Kurz. In der ÖVP gibt es einen Normalzustand, an dem man führende Parteifunktionäre erkennt, nämlich die volle Hose."

Neue Recherchen

Neoherausgeber Peter Pilz genießt sein neues Leben, sagt er. "Ich bin erst, als ich nicht mehr Abgeordneter war, darauf gekommen, wie anstrengend diese 33 Jahre waren. Und wie gut es mir tut, nicht mehr in dieser Intensität und mit diesem Tempo durchzuarbeiten. Ich arbeite noch immer viel, habe dabei aber das Gefühl eines schönen Lebens." Neben diversen Herausgeberpflichten recherchiert Pilz, der Aufdecker vom Dienst, immer noch. Ein Schwerpunkt widmet sich der Frage: "Wie befreie ich die gute österreichische Polizei von türkisem Einfluss? Bei einer anderen Recherche zur Entstehung und Verteilung des Ibiza-Videos bin ich schon relativ weit. Da werden sich ein paar wundern. Und dann kommt noch etwas ganz anderes, was den Herrn Kurz überhaupt nicht freuen wird. Aber darüber rede ich noch nicht."

Nachsatz: "Wir werden ihnen auf alles draufkommen. Wir haben ja Zeit, und wir wissen, wie man eine Spur verfolgt."

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 31+32

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