Mühsamer Einzug
ins Parlament

Peter Pilz setzt im Wahlkampf auf Crowdfunding, eine Plakatkampagne hält er für verzichtbar. Aufgrund seines hohen Bekanntheitsgrades und guter Medienkontakte hat er so jedenfalls Chancen, meinen Experten. Für andere neue Listen und Bewegungen könnte es schwerer werden

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Politik - Mühsamer Einzug
ins Parlament

Wer das akute und dringende Bedürfnis verspürt, den Wahlkampf von Peter Pilz finanziell zu unterstützen, kann ihm das derzeit nur per E-Mail mitteilen. Das Konto wird erst nächste Woche eingerichtet. Aber spätestens dann sollen die Spenden von Freunden und Sympathisanten hereinsprudeln. Crowdfunding heißt das Mode-und Zauberwort, von dem sich politische Listen und Bewegungen ohne Anspruch auf staatliche Förderung das nötige Kleingeld für den Wahlkampf erhoffen. Pilz hat in den letzten Wochen immer wieder betont, dass er eine schlanke Kampagne plane, die ohne Plakatwerbung auskommen und keine Millionen kosten solle. Aber wie wenig darf es sein? Wie viel Geld braucht man, um ins Parlament zu kommen?

Vorbild Neos

Als musterhaft gilt der Neos-Wahlkampf 2013. Etwa 1,5 bis zwei Millionen Euro kostete es damals, eine Organisation aufzubauen und die Truppe unbekannter Politquereinsteiger in den Nationalrat zu bringen. Es gab ein Darlehen und Spenden. Etwa ein Drittel des Gesamtbudgets, knapp 700.000 Euro, kam vom Unternehmer Hans Peter Haselsteiner. Ungefähr eine Million, schlüsselt der ehemalige Neos-Bundesgeschäftsführer und Politikberater Feri Thierry auf, müsse man in Österreich für eine effiziente Werbekampagne rechnen, dazu kamen Kosten für Events und andere Wahlkampfnotwendigkeiten.

"Damals hat man Neos beschieden, das kann nicht funktionieren, weil man für einen Wahlkampf viel Geld, ein bekanntes Gesicht und damit verbunden mediale Aufmerksamkeit braucht", sagt Thierry. "Ich glaube aber, dass sich das in den letzten Jahren massiv geändert hat, weil das politische Gefüge volatiler geworden ist. Wenn man es schafft, eine aktuelle Stimmung zu adressieren, kann man auch mit wenig Budget durchkommen."

Wenig - das ist relativ. Im Nationalratswahlkampf 2013 gab die ÖVP rund 11,3 Millionen Euro aus, die SPÖ 7,3 und die FPÖ 6,5 Millionen. Frank Stronach spendierte seinem Team gar 13,5 Millionen. Der Großteil der insgesamt 47,6 Millionen Euro, die damals ausgegeben wurden, ging in Plakate, Inserate und Rundfunkspots.

Angesichts dieser Materialschlacht nimmt sich das Budget der Neos mickrig aus. Aber Geld, meint der ehemalige Bundesgeschäftsführer, sei eben nicht alles - siehe Stronach, der mit seinen Millionen auch nur auf 5,7 Prozent der Wählerstimmen kam. "Geld hilft, aber ich glaube, es ist bei Weitem nicht so ein großer Hebel, wie viele meinen. Ich glaube, dass Stimmung viel wichtiger ist." Die wirke sich nämlich auch auf das Spendenverhalten aus: "Wenn Pilz es schafft, Emotion zu erzeugen und den Leuten einen konkreten Ansatz zu liefern, warum sie spenden sollen, dann kann er damit Erfolg haben."

Einen Wahlkampf ganz ohne Plakate und Inserate, wie er Pilz vorschwebt, hält er aber für unrealistisch. "Er ist als Persönlichkeit bekannt, aber er muss auch bekannt machen, dass er kandidiert. Und wenn ich in der klassischen Werbung bin, bin ich schnell bei ein paar Hunderttausend Euro. Neben seiner Bekanntheit hat Pilz den Vorteil, dass er scheinbar ganz gute Kontakte zur 'Kronen Zeitung" hat. Das kann natürlich helfen, aber ich glaube nicht, dass das reicht. Auch der Einfluss der 'Kronen Zeitung' ist beschränkt."

"Letztlich ist Benchmark, was die Neos geschafft haben", sagt der Politikberater Rudi Fußi. "Ich würde niemandem raten, es mit weniger als 1,5 Millionen zu versuchen. Außer, er hat ein großes Medium hinter sich und/oder ist eine starke Marke. Würde Andreas Gabalier in Österreich antreten, er würde keinen Euro brauchen." Ein Gabalier ist Pilz nicht ganz, aber Fußi traut ihm zu, mit nur 100.000 Euro den Einzug ins Parlament zu schaffen - zumal er sich die kostenintensive Bewerbung des Sammelns der Unterstützungserklärungen spart. "Vorausgesetzt, er hat genug Freiwillige. Leute, die Termine checken, E-Mails beantworten oder Social Media betreuen." Das große Medium ist in Pilz' Fall die "Kronen Zeitung". Fußi: "Es würde mich sehr wundern, wenn er nicht eine fixe Zusage von der 'Krone' hat. Sonst würde er sich das nicht antun. Das wäre Harakiri." Plakatwerbung sei angesichts dessen nicht notwendig. "Er hat alle Chancen, außer es gelingt den anderen, in der Schlussphase des Wahlkampfs alles auf die Kanzlerfrage zuzuspitzen, dann werden die kleinen Parteien und Listen an die Wand gedrängt."

Die heiße Schlussphase des Wahlkampfs ist für neu antretende Listen auch aus einem anderen Grund tückisch: Alles spitzt sich auf die TV-Konfrontationen zu - und die machen sich die etablierten Parteien untereinander aus. Der ORF lässt Newcomer nur in geringem Ausmaß auf den Schirm. "Aufmerksamkeit ist das Wichtigste in einem Wahlkampf", sagt Politikberater Feri Thierry. "Und Aufmerksamkeit ist entweder mit Geld verbunden, siehe Stronach, oder mit radikalen Vorschlägen. Pilz wird kein Sommergespräch haben, keine TV-Konfrontation, das ist schwierig, aber man kann auch ohne diese Präsenz ins Parlament einziehen. Man muss eben anders auffallen. Mit Bekanntheit, Radikalität und starken Sagern. All das kann Pilz ja."

Wenig Geld

Im Juni 2008 trat der ehemalige ÖVPler Fritz Dinkhauser mit einer eigenen Liste bei den Tiroler Landtagswahlen an -und landete mit 18,35 Prozent einen Überraschungserfolg. Als er das Wunder einige Monate später bei den Nationalratswahlen wiederholen wollte, scheiterte er und schaffte den Einzug ins Hohe Haus nicht. "Es war vermessen", sagt er heute über seine Kandidatur. "Alle haben geglaubt, da kommt der Messias."

Etwa 200.000 bis 300.000 Euro standen Dinkhauser damals für den Wahlkampf zur Verfügung; alles selbst finanziert, wie er betont, um sich nicht abhängig zu machen. Das Budget reichte für einige Veranstaltungen und ein paar Plakate, mit einem großen Banner am Stephansdom versuchte man, Aufmerksamkeit zu erregen. Als problematisch erlebte Dinkhauser die mangelnden Auftrittsmöglichkeiten im Fernsehen. "Ich konnte nirgends mitreden. Pilz hat es da leichter, der ist ja bereits eine Größe." Grundsätzlich hält Dinkhauser Pilz' Plan, einen Wahlkampf mit wenig Geld zu führen, für realistisch. "Du brauchst keine Plakate, du brauchst Botschaften, die bei den Leuten ankommen. Es kommt auf die Leidenschaft an. Auf das Anliegen, sich mit den Mächtigen anzulegen. Es nutzt ja nichts, wenn du überall plakatierst und nicht glaubwürdig bist."

Bürgerbewegung

Der Arzt, Vizebürgermeister, Bauausschussobmann und Klubobmann Karl Schnell ist ein umtriebiger Mensch. Er habe jeden Tag mit 100 bis 200 Leuten Kontakt, schätzt er, und diese Menschen sowie die Menschen, die diese Menschen kennen, sollen jetzt mithelfen, ihn und seine Bewegung ins Parlament zu bringen. Schnell ist ein politisches Urgestein. Von 1992 bis 2013 war er Landesobmann der FPÖ Salzburg, zuletzt auch Bundesobmann-Stellvertreter, dann überwarf er sich 2015 mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und gründete eine eigene Partei, die Freie Partei Salzburg (FPS). Als FLÖ, Freie Liste Österreich, tritt er nun bei den Nationalratswahlen an, unter anderem mit der Unterstützung eines Team-Stronach-Mandatars.

Sein über Salzburg hinausgehendes Netzwerk aus Bürgermeistern und Ärzten soll kompensieren, dass die finanzielle Ausstattung seiner Liste nicht sehr üppig ist. Etwa 300.000 bis 400.000 Euro stehen ihm für den Wahlkampf zu Verfügung, sagt er. Die Summe setze sich aus Beiträgen von Mitgliedern der Bewegung sowie Kleinspenden in der Größenordnung von 20 oder 50 Euro zusammen. Großspenden lehne er ab, sagt Schnell, weil man dadurch abhängig werde.

Der FLÖ-Wahlkampf soll vorwiegend über den persönlichen Kontakt funktionieren. Man werde mit dem Bus durch die Länder fahren und das Gespräch suchen. Die Werbeausgaben werden überschaubar sein: "Ich persönlich mag keine Plakate", sagt Schnell, "die behindern die Leute nur auf der Straße. Aber eine gewisse Präsenz brauchen wir natürlich. Wir werden über elektronische Medien arbeiten und eingeschränkt auch über Inserate. Und natürlich brauchen wir Folder, irgendwas muss man den Leuten in die Hand drücken."

Kuchen der Macht

Karl Schnell will mit seiner Partei vor allem frustrierte SPÖ-und ÖVP-Wähler sowie Nichtwähler ansprechen. "Und es sind sehr viele enttäuscht vom Strache, der nach außen eine bestimmte Politik propagiert, aber eigentlich nur am Kuchen der Macht mitnaschen will." Dass er und Peter Pilz im selben Wähler-Pool fischen, glaubt Schnell nicht, aber eines eint die beiden Listengründer doch: die Überzeugung - oder zumindest Hoffnung -, dass es im Wahlkampf eher auf glaubwürdig vorgetragene Inhalte als auf Geldberge ankommt. "Ich glaube nicht, dass man nur mit viel Geld die Wahl gewinnen kann. Es muss das Programm stimmen, und es müssen die Leute engagiert sein."

Ein Satz, der auch von Fritz Dinkhauser stammen könnte. Eine kleine Zahl fehlt in dem Heldenmärchen vom Bürgerkämpfer, der bar adäquater Finanzmittel gen Wien zog, um die Mächtigen das Fürchten zu lehren, allerdings noch: 1,8. So viel Prozent der Wählerstimmen erreichte Dinkhauser 2008. Aber Märchen gehen ja angeblich auch manchmal gut aus.

Kompetenzoffensive: Lesen Sie den Kontrapunkt von News-Kolumnist Gerfried Sperl!