Kunasek: "Inhaltlich sind wir und
die SPÖ nicht weit auseinander"

Graz-Wien und retour. Wie sich Mario Kunasek als Minister für die steirische Landtagswahl aufwärmt. Welchem möglichen Koalitionspartner fühlt er sich nahe: der ÖVP oder gar der SPÖ?

von Politik - Kunasek: "Inhaltlich sind wir und
die SPÖ nicht weit auseinander" © Bild: Ricardo Herrgott

"Der Plan war es nicht, dabeizubleiben", sagt Mario Kunasek und meint damit das Bundesheer. 1995 war er nach absolvierter Kfz-Techniker-Lehre zum Präsenzdienst eingerückt, danach wollte er zur Polizei, doch dort war Aufnahmesperre. "Mir hat es dann so gut gefallen, dass ich gesagt hab, ich häng noch ein Zeitl an. Es sind dann ein bissl mehr als 13 Jahre geworden", erinnert sich der Steirer. "Vom Grundwehrdiener zum Minister -das hätte ich mir nicht gedacht, wie ich zum ersten Mal beim Kasernentor hineingefahren bin."

Heute nämlich ist Mario Kunasek Verteidigungsminister. Und sein Plan ist auch diesmal, nicht dabeizubleiben. Spätestens im nächsten Frühjahr wird in der Steiermark gewählt. Da will Kunasek als Spitzenkandidat für die FPÖ ins Rennen gehen, Landeshauptmann-Stellvertreter könnte sich ausgehen. "Oder Landeshauptmann", sagt er selbstbewusst. Nicht zum ersten Mal lockt die Partei den Steirer weg vom Heer. Der Berufssoldat kandidierte zunächst mit einer freiheitlichen Liste bei der Personalvertretungswahl. "Als Wähler war ich der FPÖ schon davor verbunden. Ich würde nicht sagen, dass ich automatisch immer FPÖ gewählt habe, aber inhaltlich war ich ihr verbunden." Kunasek dockt beim Ring Freiheitlicher Jugend an. Und er blieb bei der FPÖ, als diese im Gefolge der ersten blauen Regierungsbeteiligung gespalten und auf dem Boden war. "Ein bissl eine Leidensfähigkeit braucht man sicher", sagt er im Rückblick. Bei der Wahl 2005 flog die FPÖ aus dem steirischen Landtag. "Da waren wir auf null gesetzt: keine Mitarbeiter, keine Abgeordneten, kein Geld, für niemanden. Da hat sich dann die Spreu vom Weizen getrennt. Übrig geblieben sind ein paar Ältere -und Junge, die die Chance bekommen haben, sich zu beweisen." Seit damals ist Kunasek im Landesparteivorstand der steirischen FPÖ, 2008 schafft er bei der Nationalratswahl den Einzug ins Parlament, 2015 kehrt er für die Landtagswahl als Spitzenkandidat in die Steiermark zurück. Die FPÖ erreicht damals mit 26,8 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Kunasek wird Klubobmann im Landtag, um 2017 schon wieder nach Wien ins Ministerium in der Rossauer Kaserne zu wechseln. Und demnächst also wieder zurück in die Steiermark.

Was bringt einen jungen Menschen zum Bundesheer? Und was lernt er dort fürs Leben oder in Kunaseks Fall für die Politik?

An Kameradschaft und gute Ausbildner erinnert er sich. "Nach meiner Lehrzeit, ich will nicht sagen, das war wie Urlaub, aber ich war als Lehrling gewohnt, dass man auch ein bisschen robuster hergenommen wird. Daher hat mich der militärische Umgangston auch nicht geschreckt." Als Schüler sei er noch nicht der Klassensprechertyp gewesen, wohl aber bei den militärischen Kursen. "Da dürfte ich mich entwickelt haben. Ich war sicher vor dem Militärdienst ein anderer, als ich heute bin. Man lernt, vor einer Gruppe zu sprechen, weiß, dass die Leistungsgrenzen nicht dort sind, wo man sie vermutet: Da geht schon noch ein bissl was. Ich bin mir sicher, dieses Auftreten -manchmal auch Kommandos oder Befehle zu geben, aber auch zu überlegen, sind die auch ausführbar -, das habe ich beim Bundesheer gelernt", sagt Kunasek. Für den Grundwehrdienst gilt für Kunasek heute das Gleiche wie für ein freiwilliges soziales Jahr für Frauen, das rund um die Wehrpflichtdebatte immer wieder aufpoppt: "Wenn jemand etwas für die Allgemeinheit gibt und dem Vaterland dient, ist das auch aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen gut. Wir sind doch sehr egobezogen, gerade junge Menschen leben das massiv aus. Vielleicht ist es gut, darüber nachzudenken und auch Werbung zu machen: zu dienen ist keine Schande, sondern ein Privileg. Ich darf das als Minister so artikulieren." Als Minister ist Kunasek mit rückläufigen Zahlen bei den Stellungspflichtigen konfrontiert, dazu kommt mangelnde Fitness bei den Jungen, weswegen die Tauglichkeitskriterien modifiziert werden sollen.

Im Sommer wird Kunasek selbst Vater eines Sohnes. Was, wenn der einmal Zivildiener werden will? "Dann wird er Zivildiener. Aber ich werde schon versuchen, ihm das Bundesheer ans Herz zu legen."

Aufwärmen für die Wahl

In der Steiermark beobachten die politischen Mitbewerber mit Interesse, wie sich Kunasek im Ministerium für die Landesregierung aufwärmt. Michael Schickhofer ist Chef der steirischen SPÖ, die bei der letzten Wahl die meisten Stimmen hatte, aber nach einem eigenartigen Deal des damaligen Landeshauptmannes Franz Voves mit der ÖVP heute nur den Landeshauptmann-Stellvertreter stellt. Bei der kommenden Wahl könnte er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kunasek um Platz zwei liefern. Über den Kontrahenten sagt er: "Er tanzt auf zwei Hochzeiten. Das ist aus sicherheitspolitischer Sicht problematisch. Ich würde erwarten, dass sich der Verteidigungsminister auf seine Funktion konzentriert. Immerhin gibt es täglich Meldungen, dass die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes nicht mehr aufrecht ist."

»Wir brauchen mehr Geld, wir sind aber auch bereit, uns selbst zu reformieren«

Der grüne Landessprecher Lambert Schönleitner wiederum zweifelt an der Führungskompetenz des Ministers in der eigenen Partei. Denn als es um die bisher mangelhafte Abgrenzung der FPÖ von den Identitären ging, stand neben der oberösterreichischen vor allem die steirische FPÖ im Zentrum der Debatte. Es ging um die Teilnahme ihrer Funktionäre an Veranstaltungen dieser rechtsextremen Bewegung und um die Vermietung von Räumlichkeiten. Die Distanzierung erfolgte spät -und auf Druck aus der ÖVP. Schönleitner schließt daraus: "Entweder hält Kunasek das Heft nicht in der Hand oder er trägt den Rechts-außen-Kurs stillschweigend mit." Dabei galt er bisher in der steirischen Politik eher nicht als Vertreter des Rechtsaußen-Flügels seiner Partei. Und auch Peter Pilz, der mit dem Nationalratsabgeordneten Kunasek im Verteidigungsausschuss saß, sagt heute: "Er war als Kollege nett und umgänglich. Keiner von der freiheitlichen Hassfraktion, die schon Zustände kriegt, wenn sie mich sieht. Mit ihm konnte man zusammenarbeiten." Als Minister hingegen sei Kunasek schwach, "ein Empfangsherr seines Generalsekretärs, der der eigentliche Ressortchef ist." Kunasek indes verweist auf "schmerzhafte Einschnitte im Verteidigungsministerium", die er gesetzt habe, "die auch für Enttäuschung gesorgt haben, aber das gehört dazu". Und er gibt auch vor den anstehenden Budgetverhandlungen mit Finanzminister Hartwig Löger den entschlossenen Kämpfer: "Wir brauchen mehr Geld, wir sind aber auch bereit, uns selbst zu reformieren."

Zurückgefallen

In aktuellen Umfragen für die steirische Landtagswahl liegt die FPÖ mit 24 Prozent unter ihrem Ergebnis von 2015. Die knappe Wahlsiegerin von damals, die SPÖ, würde mit 27 Prozent ebenfalls zwei Prozentpunkte verlieren. An der Spitze schöpft derzeit die ÖVP mit Hermann Schützenhöfer den Landeshauptmann-Bonus ab. Schützenhöfer hätte nach der Wahl zwei willige Koalitionspartner. Türkis-Blau im Bund lobt er regelmäßig. Steht diese Konstellation nun auch in der Steiermark bevor? "Mit uns hat man letztes Mal nicht einmal verhandelt, obwohl wir die großen Gewinner der Wahl waren", klagt Kunasek. Eine Vier-Augen-Unterredung nach der Wahl mit Schützenhöfer habe nur wenige Minuten gedauert, während er mit dem scheidenden SPÖ-Chef Voves eine Stunde alle Wahlkampfkalamitäten ausgeredet habe. Mit dem heutigen Landeshauptmann habe er ein "persönlich gutes Einvernehmen. Ich habe aber als Klubobmann auch immer seine Art der Politik kritisiert, seine Position in der Flüchtlingskrise 2015, als zu passiv gehandelt wurde, oder seine Gesundheitsreform. Es ist nicht so, dass wir nur mehr Hand in Hand durch die Welt schreiten, nur weil es im Bund eine Koalition gibt. Wir unterscheiden uns schon."

Schützenhöfer selbst hatte zuletzt gemeint, er würde sich wünschen, dass die FPÖ vom "Oppositionsmechanismus" wegkomme und eine "staatstragende Partei" werde. Lambert Schönleitner von den Grünen wiederum hält das "für eine gewisse Naivität des Landeshauptmanns".

Mario Kunasek meint, dass die Abgrenzungsbeschlüsse seiner Partei zu Identitären "glasklar sind. Die FPÖ spricht seit jeher Menschen an, die mit gewissen Entwicklungen im Land nicht einverstanden sind. Dass die 25 Identitären, oder wie viele es da gibt, für unseren Wahlerfolg ein entscheidender Faktor sind, wage ich zu bezweifeln. Wir sind auf dem sehr guten Weg zu einer Mittelpartei. Ich sehe überhaupt keinen Grund für uns, noch irgendwelche Aktionen zu setzen, außer ganz klar zu sagen, dass wir mit den Identitären nichts zu tun haben. Die Verschränkungen, die es gegeben hat, wurden aufgelöst."

Negativ aufgefallen ist Kunaseks FPÖ auch mit einem Flyer seiner Jugendorganisation. Darauf zu sehen: ein Trachtenpärchen und Zuwanderer, gezeichnet in einem Stil, der an Karikaturen im Nazi-Blatt "Der Stürmer" erinnert. "Den Flyer gibt es seit einem Jahr, und damals haben die Leute, die das heute kritisieren, nichts Verwerfliches dran gefunden", entgegnet der Landesparteichef. Außerdem: "Das ist eine Jugendorganisation. Ich fange jetzt auch nicht an, bei der SJ oder Kommunistischen Jugend Aussagen oder Karikaturen zu suchen, die vielleicht verunglimpfend sind." Man habe mit den Verantwortlichen ein klärendes Gespräch geführt. Aber: "Was da dargestellt wurde, ist die Islamisierung, die wir ja ablehnen. Das ist ja nichts Verwerfliches. Man kann über Geschmack streiten. Ich glaube, dass man auch lernt."

In den Wertekatalog der SPÖ passt die FPÖ mit dieser Haltung nicht, sagt SPÖ-Landeschef Michael Schickhofer. Das ist insofern relevant, als mit dem Landeshauptmann-Deal von 2015 auch der Automatismus weg ist, dass der Wahlsieger die Regierung führt. Theoretisch könnten SPÖ und FPÖ einen Regierungspakt aushandeln. "Diese FPÖ ist Identitären-verseucht", sagt Schickhofer, "und sie ist jetzt in der Bundesregierung auch richtig unsozial. Ich bin nur mit einer personell runderneuerten FPÖ gesprächsbereit."

»Dass ich nicht passe, das meint nur der Vorsitzende der steirischen SPÖ«

"Dass ich nicht passe, das meint nur der Vorsitzende der steirischen SPÖ", entgegen Kunasek, "für andere Sozialdemokraten in der Steiermark passe ich sehr wohl, wenn ich informellen Gesprächen Glauben schenken darf. Inhaltlich sind wir ja nicht so weit auseinander. Aber die Frage, ob ich nach der Wahl gehen muss, wird sich nicht stellen. Eher umgekehrt."

Gehen muss der Minister aber schon - vorerst in den Papamonat, den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit Hingabe propagiert. Kunaseks erstes Kind kommt im Juli zur Welt. "Der Wunsch, dass ich den Papamonat nehme, wäre schon da. Aber meine Frau sieht das unaufgeregter als der HC", grinst er.

Der Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 19/2019) erschienen!