Kogler: "Ich bin
ein politisches Viech"

Wie Urgestein Werner Kogler die Grünen wiederbeleben will

Das grüne Urgestein Werner Kogler will seine Partei retten. Im Interview erklärt er, was die Fehler der Grünen sind, warum Grüne auf Baggerschaufeln sitzen sollen und wo seine eigenen Grenzen liegen.

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Politik - Kogler: "Ich bin
ein politisches Viech"

Sie waren ein loyaler Stellvertreter Eva Glawischnigs und ein Freund von Peter Pilz. Zweifeln Sie langsam an Ihrer Menschenkenntnis?

Nein, überhaupt nicht.

Am Wert der Loyalität?

Nein, ich bin ja der grünen Idee verpflichtet und werfe niemandem einen Stein nach.

Aber leichter machen diese Geschichten die Rettung der Grünen nicht.

Wir haben uns als Bundes-Grüne sowieso neu aufzustellen - wurscht, was sonst passiert. Das epochale Ereignis war im Oktober, das geht an die Existenzfrage, aber die kann positiv im Sinn der Wiederauferstehung beantwortet werden. Die Nachfrage nach uns Grünen war auch 2017 da, aber wir haben ein schlechtes Angebot gemacht. Aber jede Krise ist eine Chance, und nun kann man sich Dingen zuwenden, die wir ohnehin vernachlässigt haben: Wie werden wir eine breitere Bewegung, wie holen wir mehr kritische Leute rein? Das ist alles auf Schiene und wird im Mai den Bahnhof verlassen. Gleich nach der Wahl in Innsbruck. Dort haben wir gute Chancen, dass Georg Willi in die Stichwahl kommt und vielleicht sogar Bürgermeister wird. Da sind wir im Spiel.

Was kann er, was andere Grüne nicht können?

Er ist authentisch und verbindet ökologische Herausforderungen mit dem sozialen Zusammenhalt. Er hat in Auftritt und Sprache etwas verändert gegenüber unserem Konzert, das wir zuletzt auf Bundesebene orchestriert haben.

Klare Sprache, authentisch - das hat im Herbst gefehlt?

Wir müssen keine neuen Grundsätze erfinden. Von diesen ist im Wahlkampf zu wenig rübergekommen. Ich muss gestehen, man konnte den Eindruck gewinnen, dass viele von uns die Welt mehr erklären, anstatt sie verbessern zu wollen.

Gab es zu viel Nabelschau?

Man darf immer diskutieren. Wir brauchen aber einen besseren Umgang mit der Wahrnehmung dieser Diskussionen nach außen. Das sag ich, mit Verlaub, auch an die Medien gerichtet: In Deutschland werden innerparteiliche Diskussionen nicht sofort als dümmlicher, existenzbedrohender Streit dargestellt. In anderen Parteien wie in dieser Kurz-Partei wird ja nur mehr an Botschaften nach außen gebastelt. Ob dort diskutiert wird, weiß keiner. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die, was die Burschenschafter betrifft und die Verantwortung des Herrn Kurz, dass er braune Spuren in die Schaltstellen der Republik gelegt hat, ebenfalls diskutieren. Man erfährt halt nichts davon. Wir Grünen wollen diskussionsfähig bleiben.

Am Ende des Diskussionsprozesses soll ein neuer Bundesvorstand stehen. Mit Ihnen?

Das weiß ich überhaupt nicht. Ich leite die Erneuerung ein. Dann werde ich mir das selber anschauen. Es gibt inhaltliche Fragen, strategische, kulturelle und am Ende auch personelle. Überall habe ich meine Vorstellungen. Und wenn es völlig anders kommen sollte, werde ich mit Sicherheit nicht mehr dabei sein.

Wo erwarten Sie Probleme?

Von Außenkommentierungen lasse ich mich sicher nicht aufhalten. Viel schwieriger werden innere Widerstände. Die wird es da und dort geben. Und wenn sie zu groß werden, dann wird es eh nichts werden.

Ohne grundlegende Reform wären die Grünen am Ende?

Die grüne Idee ist in Österreich stark, und dann würde es eben etwas anderes geben als den gescheiterten Versuch einer Partei. Wenn wir feststellen müssen, dass es auch bei den Grünen so etwas gibt wie eine verkrustete Struktur, die dadurch lebt, dass der durchschnittliche Funktionär das politische Innenleben bestimmt, dann gibt es Probleme. Und wenn die zu groß sind, werden diejenigen verantworten müssen, dass die Geschichte stecken bleibt. Momentan gehe ich davon aus, dass wir gemeinsam weiterkommen. Sollte das nicht so sein, werde ich nicht mehr dabei sein.

Wenn Sie für Erneuerung sind, müssten Sie sich ja wünschen, dass Sie "weggeputscht" werden.

Ja, sicher. Bitte sehr! Jetzt wird der Bundesvorstand neu aufgestellt. Schon da ist es gut, wenn Neue reinkommen. Und wenn es in zwei, drei Jahren um Listen für die Nationalratswahl geht: Da wäre ich sehr dafür, dass man inhaltlich fundierte, charakterlich überzeugende und kämpferische Leute auch als Quereinsteiger holt. Da habe ich mich schon vor Jahren vergeblich bemüht.

Braucht man dafür ein anderes Vorwahlverfahren?

Wenn das Prozedere dafür geändert werden muss, soll es mir recht sein. Ich bin kein Statutenhengst. Ich bin ein politisches Viech für andere Dinge.

Wie steht es eigentlich um grünen Nachwuchs?

Es gibt in den Ländern junge Leute, und der Plan ist, dass die stärker sichtbar werden. Aber es ist ja nicht so, dass wir die nicht schon bisher gehabt hätten. Die Frage ist eher: Was erfahren die für ein Schicksal?

"Verhungern" lassen?

Überhaupt nicht. Aber liefern müssen die schon auch. Wir bekommen ja immer gute Tipps von außen wegen der Jungen. Und dann war es -ich ironisiere das jetzt -auf einmal ein Riesenproblem, dass ausgerechnet ein Junger gegen Pilz gewonnen hat. Auch ich halte es für einen Fehler, wie man die Causa Pilz gehandhabt hat -dennoch: Was wird jetzt gewollt?

Für die nächste Wahl wird komplett neu aufgestellt?

Eines gibt es sicher nicht mehr: fixe Tickets. Wichtig ist, dass wir die Breite jener ansprechen, die sich vorstellen können, grün zu wählen. Die sind auftragsbefugt. Mehr als jeder Funktionär. Acht, neun Prozent wären auch bei der letzten Wahl drinnen gewesen. Wenn man nun die Eigenfehler analysiert, muss man aber aufpassen, dass man nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet: Es gab Kritik an Professionalisierung und Verkauf. Das halte ich für völligen Unsinn. Es ist vernünftig, wenn es einen gescheiten Verkauf gibt, vorausgesetzt, der Inhalt passt. Das nicht zu wollen, ist dümmlich, weil dann dürfte ich mich nicht bei Wahlen bewerben, sondern bei einem Besserwisser-Contest. Und ich werde schon beobachten: Wer ist bei uns eher für den Besserwisser-Contest geeignet und wer für Wahlen, und dass man die erreicht, die von uns noch etwas erwarten.

Haben die anderen Parteien den Grünen das Thema weggeschnappt?

Die ökologische Frage hat sonst niemand in seiner Ideengeschichte. Bei uns ist das in den Genen. Überall sonst hast du eine unreflektierte, völlig verhakte Retro-Agenda. Im Zweifel geht es ungeniert um Wirtschaftswachstum gegen die Natur. Wirtschaftswachstum in die Verfassung -so einen Blödsinn hab ich schon lange nicht mehr gehört. Warum stehen die Umwelt und der Tierschutz in der Verfassung? Weil die keinen Anwalt haben. Diese Regierung überholt sich ja im Rückwärtsgang als Geisterfahrer auf der Autobahn. Ich weiß gar nicht, warum die Umweltministerin Umweltministerin heißt. Die ist erste Standortanwältin für irgendeinen Starrsinn. Jetzt gehen die Grünen ab.

Sie könnten sich ja wieder an Bäume ketten.

Das hab ich ja schon bei meiner Bewerbungsrede gesagt: Die Grünen sollten nicht nur auf Parlamentsbänken sitzen, sondern auch auf Baggerschaufeln. Von mir kannst das haben, wenn der Anlass passt.

Werner Kogler, 56

Der Volkswirt war 1981 Gründungsmitglied der Alternativen Liste Graz und ist seither bei den Grünen engagiert. 1999 bis 2017 war er im Nationalrat und hält dort den "Filibuster"-Rekord mit einer zwölf Stunden, 42 Minuten langen Rede. Nach dem Wahldesaster im Oktober hat er als interimistischer Bundessprecher die Sanierung der Grünen übernommen - ehrenamtlich, ohne Gage .