Kärntner Koalition:
Vom Paukenschlag zur Routine

Ein Jahr Kärntner Koalition: SPÖ und ÖVP loben Regierungsstil

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Politik - Kärntner Koalition:
Vom Paukenschlag zur Routine

In Kärnten ist schon öfters das eine oder andere gegen den Trend gelaufen - zum Beispiel im Vorjahr, als die SPÖ bei der Landtagswahl ihre Nummer-Eins-Position deutlich ausbaute. Seither regiert sie mit der ÖVP, eine Neuauflage der Dreierkoalition mit den Grünen kam nicht mehr infrage - denn die schafften es 2018 nicht mehr in den Landtag. Die Kooperation läuft, bis auf Ausnahmen, auffällig ruhig.

Die SPÖ hatte die Landtagswahl 2018 überlegen gewonnen: Mit 47,9 Prozent (plus 10,8 Prozentpunkte) kratzte sie an der Absoluten, während die ÖVP mit Spitzenkandidat Christian Benger mit 15,5 Prozent (plus 1,1) hinter den Erwartungen blieb. Schon bald kristallisierte sich heraus, dass die beiden Parteien eine Regierungskoalition bilden würden. Doch noch bevor diese angelobt war, gab es den ersten Paukenschlag: Benger trat nach der Fixierung der Zusammenarbeit überraschend als Landesparteichef zurück, Martin Gruber übernahm die Partei.

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Woraufhin die SPÖ machtpolitisch die Muskeln spielen ließ: Sie stellte harte Bedingungen an die ÖVP, wie etwa die, dass das laut der neuen Landesverfassung vorgesehene Einstimmigkeitsprinzip in der Regierung ausgesetzt werden müsse. Das Vertrauen in die ÖVP sei durch den Rücktritt Bengers "massiv erschüttert", sagte Kaiser. Zähneknirschend akzeptierte die ÖVP schließlich die Bedingungen und besiegelte so die Koalition. Der Hohn der Oppositionsparteien folgte auf dem Fuß. Von "rotem Machtrausch" bis hin zu "schwarzes Beiwagerl" oder "Juniorpartner" reichten die Beschreibungen, mit denen FPÖ und Team Kärnten die Konstellation bedachten.

Knirschen im Koalitionsgebälk verstummte

Ein Eindruck, den die Regierung (trotz Beteuerungen, "auf Augenhöhe" zu agieren) auch nie ganz entkräften konnte - immerhin stehen fünf Landesräten auf SPÖ-Seite, die auch den Mammutanteil des Budgets in ihren Ressorts verwalten, nur zwei ÖVP-Landesräte gegenüber. Im Landtag entfallen 18 von 36 Sitzen auf die SPÖ, was bedeutet, dass auch mit geballter Macht der anderen drei Parteien kein Beschluss gegen die SPÖ möglich ist.

Das Knirschen im Koalitionsgebälk verstummte aber relativ rasch - in regelmäßigen Abständen demonstrieren Kaiser und Gruber bei ihren Medienstatements nach den Regierungssitzungen Einigkeit. Brösel gab es nur selten - wie zum Beispiel bei der von der Regierung als "Meilenstein" bezeichneten Nutzungseinschränkung des Unkrautvernichters Glyphosat. Nach Unstimmigkeiten im zuständigen Ausschuss, wo die SPÖ die ÖVP bei einer Gelegenheit sogar überstimmte, wurde das Gesetz aber vor wenigen Wochen im Landtag beschlossen. Es sieht vor, dass Glyphosat und weitere biologisch nicht abbaubare Mittel für private Anwender verboten werden, Landwirte und Gärtner dürfen sie aber weiter verwenden.

Unter dem Titel "Kinderstipendium" machte sich die SPÖ an die Umsetzung eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen - einer für Eltern beitragsfreien Kinderbetreuung, was sich aber zog: Im Sommer 2018 wurde bekannt, dass das Land Kärnten 50 Prozent der durchschnittlichen Betreuungskosten erstattet, quasi als "ersten Schritt". Zu Beginn des Jahres 2019 war dann die Rede von einer Umsetzung der beitragsfreien Kinderbetreuung "in den kommenden zwei Jahren", wobei man zuvor schon den Start der beitragsfreien Betreuung für das Kindergartenjahr 2019/20 ins Auge gefasst hatte.

»Koalitionsfreien Raum«

Lief auch die Zusammenarbeit in Kärnten im Großen und Ganzen einträchtig, so orteten die Verantwortlichen schon ab dem Start der Zusammenarbeit Konfliktpotenzial: Schließlich sind die Partner im Land auf Bundesebene erbitterte politische Gegner. Aus diesem Grund vereinbarte man einen "koalitionsfreien Raum", in den etwa Agenden des Nationalrates fallen: "Soweit diese nicht direkten Einfluss auf das Land haben, wollen wir sie außer Streit stellen", sagte Kaiser, der immer wieder mit Kritik an der Bundesregierung auffällt. Auch die Diskussion über die Mindestsicherung verlief nicht friktionsfrei, etwa als Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ) diese Woche das neue Gesetz bemängelte, wogegen der Koalitionspartner protestierte.

Ansonsten hatte sich die Regierung stets bemüht, positive Stimmung zu verbreiten: Gelegenheiten dazu gab es, als die Ratingagentur Moody's Kärntens Kreditwürdigkeit um drei Stufen von A3 auf Aa3 angehoben hatte oder wegen der seit fast drei Jahren stets sinkenden Arbeitslosigkeit. Oder beim Spatenstich für die Erweiterung des Technologiekonzerns Infineon in Villach, wo 1,6 Milliarden Euro investiert werden und 750 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen sollen. Das Positive in Kärnten passiere nicht wegen sondern trotz der aktuellen Landesregierung, lautet die Diagnose der FPÖ, die seit der Abschaffung des Proporzes nicht mehr in der Landesregierung vertreten ist. Die Partei blieb in ihrer Oppositionsrolle ebenso wie das Team Kärnten über weite Strecken unauffällig.

Jubelmeldungen können aber nur schwer darüber hinwegtrösten, dass die finanzielle Lage des Bundeslandes nach wie vor trist ist - nicht zuletzt wegen des 1,2-Milliarden-Euro-Beitrages Kärntens zur Lösung der Heta-Problematik. Der Landesvoranschlag 2019 sieht trotz guter Konjunktur ein Defizit von 83,8 Millionen Euro vor. Die Finanzschulden des Landes belaufen sich auf 1,94 Milliarden Euro, inklusive ausgegliederter Rechtsträger kommt Kärnten laut Voranschlag auf Schulden von 3,61 Milliarden Euro. Finanzreferentin Gaby Schaunig (SPÖ) begründete die Entwicklung mit "unvorhergesehenen Ereignissen", die diesen "vernünftigen Kurs" der Landesregierung abschwächten. Etwa durch Steuersenkungen der Bundesregierung würden Kärnten anteilig Einnahmen entgehen. Doch auch von der ÖVP gab es verhalten kritische Stimmen am Budgetpfad, der weitere Nettoneuverschuldungen im Bereich von je 80 Millionen Euro vorsieht.

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