Im Watte-Wahlkampf

Bei TV-Kuschelduellem bleibt der Streit um die besten Ideen auf der Strecke

von Christoph Lehermayr © Bild: News/Ian Ehm

Die eine sprach, der andere nickte. Später tauschten sie die Rollen und begannen von Neuem. So ging das Ganze 90 Minuten lang, bis er schließlich zu einem einstudierten einminütigen Monolog ansetzte, der ihm auch noch misslang. Dann war Deutschlands einziges TV-Duell vorüber. Martin Schulz blieb der begossene Pudel, der seine einzige Chance nicht genützt hatte. Und Angela Merkel die Alternativlos-Kanzlerin, die Deutschland kannte. Würde man es nicht wisse, ließe sich kaum erahnen, dass die Nachbarn in gut zwei Wochen wählen. Fadesse vom Feinsten oder eben die Methode Merkel in Reinkultur. An allem wird gearbeitet, alles sei kompliziert, jedes Problem habe viele Facetten, sodass alles im Vagen und Ungefähren bleibt und an ihr abperlt. Oder, wie Merkel selbst kürzlich sagte: "Wir haben viel zu tun, es ist aber auch schon viel passiert."

Stimmt ja auch und reicht scheinbar. Ihre CDU steuert in Umfragen auf 40 Prozent zu, der anfangs gehypte Schulz geht eher gegen 20. Das Land boomt, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Flüchtlinge sind fast vergessen und Merkels damalige Fehler heute kaum mehr ein Makel. Sie selbst ist in den zwölf Jahren ihrer Kanzlerschaft in die Mitte gerückt, hat jede gewinnbringende Position ihrer Herausforderer gekapert und zur eigenen gemacht, bis sie einer politischen Variante der Queen glich: immer schon da, zwar irgendwie entrückt, aber doch um Welten besser als Charles.

So kann Merkel es sich auch erlauben, nur ein TV-Kuschelduell zu absolvieren, das Publikum zu sedieren und einen in Watte gepackten Wahlkampf zu führen. Für den Sieg wird es reichen. Gut für die Demokratie ist es aber damit noch lange nicht. Denn diese lebt davon, in Wahlkämpfen Menschen zu erreichen, die sich sonst vier Jahre nicht für Politik interessieren. Das verlangt nach Zuspitzung, nach Ansagen, nach Spannung, nach allem, was Merkel fremd ist. Es muss ja nicht gleich Trump sein oder so viele TV-Duelle wie hierzulande, aber das, was beim Nachbarn stattfindet, ist der Anschein einer Entscheidung. Auf der Strecke bleibt dabei der Diskurs, der Streit um die besten Ideen, das Gefühl, dass es einen Unterschied macht, ob man wählt oder nicht. Dazu braucht es jedoch mehr als ein Duell. Es braucht aber auch mehr als einen Martin Schulz, dem es in all den Monaten nicht gelang, sich als Alternative zu "Sie kennen mich"-Merkel zu präsentieren. Schulz kennen die Deutschen mittlerweile auch und sagen: "Danke, nein."

Übrig bleibt, dass sich viele angewidert abwenden, nicht wählen oder sich an radikaleren Rändern wie bei der AfD besser aufgehoben fühlen. Das endet im Extremfall später einmal bei einer Figur wie Trump oder in einer Demokratie zum Abgewöhnen.

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